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Vor 10. Jahrestag des Absturzes einer Germanwings-Maschine

23. März 2025 · Lesedauer 4 min

Den Moment, als er den Eltern die furchtbare Gewissheit überbringen musste, wird Schulleiter Ulrich Wessel nie vergessen. In einem Klassenzimmer des Gymnasiums in Haltern am See am Nordrand des deutschen Ruhrgebiets sitzen Mütter und Väter der Kinder, die auf dem Rückweg von einem Schüleraustausch in Spanien waren. Gebucht auf Flug 4U9525 von Barcelona nach Düsseldorf.

In den Nachrichten laufen längst in Endlosschleife die Bilder von einem zerschellten Flugzeug in den französischen Alpen. Und dann bringt die Passagierliste Gewissheit: Die 16 Schülerinnen und Schüler sowie ihre beiden Lehrerinnen waren an Bord. Niemand hat überlebt. Als Wessel mit dieser Information in den Klassenraum zu den Eltern kommt, brechen Welten zusammen. Zehn Jahre ist das jetzt her. "Das Entsetzen war unvorstellbar", erinnert sich Wessel.

Der Absturz der Germanwings-Maschine am 24. März 2015 um 10.41 Uhr ist eine der größten Katastrophen in der europäischen Luftfahrtgeschichte. Natürlich wegen der vielen Opfer. 150 Menschen sterben. Aber auch wegen der unfassbaren Absturzursache. Für die Ermittler in Frankreich und Deutschland besteht bis heute kein Zweifel, dass der 27-jährige Co-Pilot Andreas Lubitz die Maschine absichtlich in das Felsmassiv bei Le Vernet steuert, weil er seinem Leben ein Ende bereiten will - mit 149 unschuldigen Menschen an Bord.

Lubitz passt demnach einen Moment ab, in dem er allein im Cockpit ist, und verstellt dann per Hand die Reiseflughöhe von 38.000 Fuß auf die tödliche Tiefe von 100 Fuß. "Diese Aktion kann nur vorsätzlich erfolgen", betont Staatsanwalt Brice Robin damals.

In Lubitz' Düsseldorfer Wohnung finden Ermittler Belege für massive gesundheitliche Probleme des 27-Jährigen, der aus Montabaur in Rheinland-Pfalz stammt. Lubitz sei "instabil" und "psychisch krank" gewesen, sagt der französische Staatsanwalt Robin. "Absolut fluguntauglich."

Für viele Angehörige machen all diese Informationen die Katastrophe nur noch schlimmer. Wieso durfte Lubitz trotz dieser Vorgeschichte im Cockpit sitzen? Weshalb hat keiner seiner Ärzte Alarm geschlagen? Weshalb ist bei den jährlichen Flugtauglichkeitsuntersuchungen nie etwas aufgefallen?

Einige Hinterbliebene kämpfen aber auch Jahre später noch mit Zweifeln, ob die Behörden mit ihren Ermittlungsergebnissen wirklich richtig liegen. Denn manche Experten argumentieren, dass die Daten von Voicerekorder und Flugdatenschreiber auch anders interpretiert werden könnten - dass Co-Pilot Lubitz womöglich im Cockpit ohnmächtig geworden sein könnte und es ausgerechnet in dem Moment zu mehreren gravierenden technischen Defekten gekommen sein könnte. Die meisten Experten halten diese Theorien aber für unplausibel und die Behörden sehen bisher keinen Anlass, die Ermittlungen noch einmal aufzunehmen.

"Das eigene Kind zu verlieren, das ist unvorstellbar"

Die Eltern der Spanisch-Austauschgruppe aus Haltern beschäftigen solche Fragen inzwischen nur noch selten. Sie teilen bei ihren monatlichen Treffen lieber schöne Erinnerungen, erzählen von ihren Kindern, weinen manchmal auch noch gemeinsam.

"Jetzt ist es schon das zehnte Jahr, und der Schmerz sitzt noch genauso tief. Man wacht damit auf, und man geht damit zu Bett", erzählt Engelbert Tegethoff. Seine Tochter Stefanie war 33 und eine der beiden Lehrerinnen, die die Schülergruppe nach Spanien begleitet hat.

Ein paar Monate vor der Katastrophe hatte sie sich verlobt, plante die gemeinsame Zukunft mit ihrem Partner, wollte zu ihm ziehen, eine Familie gründen. Wie ihr Leben wohl heute aussähe? Und das der Schülerinnen und Schüler? "Das eigene Kind zu verlieren, das ist unvorstellbar", sagt Tegethoff.

Die Toten bleiben ein Teil der Schule

Am Joseph-König-Gymnasium ist große Pause. Die gut 1.000 Schüler toben auf dem Schulhof, albern herum, genießen die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen. Direkt an diesem Getümmel steht sehr zentral die Gedenktafel, die an die 18 Absturz-Opfer aus der Schule erinnert. Der Ort wurde bewusst gewählt. "Wir wollten die Katastrophe in den Schulalltag mit reinnehmen - aber auch keine Stelle schaffen, an der man vor Trauer erstarren muss", erzählt Wessel.

Neben den Namen brennt eine Kerze. Der Hausmeister sorgt dafür, dass das Licht nie erlischt. Auch nach zehn Jahren nicht.

Ein schwieriger Jahrestag

Der zehnte Jahrestag des Absturzes ist für viele Angehörige noch einmal ein besonders aufwühlender Moment. Viele werden die Einladung der Lufthansa annehmen und nach Le Vernet zum Ort des Absturzes in den französischen Alpen reisen.

In Haltern werden sich am Jahrestag die Schüler und Lehrer des Joseph-König-Gymnasiums an der Gedenktafel versammeln und weiße Rosen niederlegen. Ringsum läuten um 10.41 Uhr die Kirchenglocken, das Leben in der Stadt steht dann kurz still. So wie jedes Jahr am 24. März.

Zusammenfassung
  • Am 24. März 2015 stürzte eine Germanwings-Maschine in den französischen Alpen ab, wobei alle 150 Menschen an Bord ums Leben kamen.
  • Unter den Opfern waren 16 Schülerinnen und Schüler sowie zwei Lehrerinnen aus Haltern am See, die von einem Schüleraustausch zurückkehrten.
  • Der Co-Pilot Andreas Lubitz lenkte das Flugzeug absichtlich in die Berge, da er psychisch krank und fluguntauglich war.
  • Trotz der Ermittlungen zweifeln einige Hinterbliebene an den offiziellen Ergebnissen und glauben an alternative Theorien.
  • Zum zehnten Jahrestag gedenken die Angehörigen der Opfer, und die Lufthansa lädt sie zum Absturzort ein.