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Behindertenrat-Appell an Wien zu Persönlicher Assistenz

Der Behindertenrat appelliert an die Wiener Stadtregierung, die Bundesrichtlinie zur Harmonisierung der Persönlichen Assistenz umzusetzen. Weiterhin weigert sich die Bundeshauptstadt, die vom Sozialministerium auf den Weg gebrachte Regelung zu unterzeichnen. Konkret geht es um die Ausweitung der Persönlichen Assistenz auf bisher ausgeschlossene Gruppen und die Beseitigung prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Die Länder erhalten dafür einen Teil der Kosten zurück.

Vor mehr als einem Jahr begannen die Verhandlungen zwischen FSW (Fond Soziales Wien) und dem Sozialministerium über den Beitritt Wiens zur Bundesrichtlinie zur Harmonisierung der Persönlichen Assistenz. Im August 2024 war der Weg für den Beitritt Wiens zur Bundesrichtlinie geebnet und auf Beamtenebene ein unterschriftsreifer Vertrag ausgehandelt sowie alle notwendigen Verwaltungsabläufe geklärt. Dennoch wurde der Beitritt Wiens mit 1. Jänner 2025 wieder abgesagt.

Dieses Verhalten der Wiener Stadtregierung führe dazu, dass in Wien weiterhin nur Personen mit physischen Behinderungen einen Anspruch auf Persönliche Assistenz haben, Menschen mit Lernschwierigkeiten, psychischen Erkrankungen oder Sinnesbehinderungen aber ausgeschlossen seien, kritisierte der Behindertenrat am Freitag in einer Pressekonferenz. Außerdem müssten Assistentinnen und Assistenten weiterhin prekär beschäftigt werden, weil der ausgezahlte Stundensatz nicht für eine Anstellung ausreiche.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Selbstbestimmung, Wien verweigere diesen aber, indem es die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention ignoriere, kritisierte Roswitha Schachinger Vizepräsidentin des Österreichischen Behindertenrats, am Freitag. 52 Mio. Euro hätten die Persönliche Assistenz in Wien revolutionieren können, doch die Wiener Politik wähle lieber "Stillstand und Ignoranz". Auch für den Obmann von BIZEPS - Zentrum für Selbstbestimmtes Leben ist dieses Vorgehen "erschütternd".

Bernhard Schmid, der stellvertretende Vorsitzende der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung in Wien, appellierte ebenso an Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ), sich die Fördermillionen des Bundes abzuholen und damit Menschen mit Behinderung den nächsten Schritt zu einem selbstbestimmten Leben mit Persönlicher Assistenz!" Der Kritik schloss sich auch der Vorsitzende der Wiener Monitoringstelle für die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Michael Fink, an.

Die Stadt Wien selbst verteidigte ihr vorgehen. Die vorliegende Richtlinie, die auch von anderen Bundesländern wie Niederösterreich, Oberösterreich, der Steiermark und dem Burgenland nicht unterzeichnet worden sei, werfe "zahlreiche Fragen auf, die noch einer Klärung bedürfen", hieß es in einer Stellungnahme. So stelle die aktuelle Richtlinie etwa keine langfristige Finanzierung sicher. Laientätigkeit sei zudem nicht mehr möglich. Unklar sei auch, wie die festgesetzte Altersgrenze von 65 Jahren vorhersehbaren Klagen standhalten soll.

Laut der Stadt Wien ist die Harmonisierungsrichtlinie auch zudem stark an die Bestimmungen der Persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz angelehnt und somit für die Festsetzung des Stundensatzes für den Privatbereich "nicht geeignet". Aus den vorgebrachten Gründen wäre es unverantwortlich gegenüber den Kundinnen und Kunden des Fonds Soziales Wien (FSW), die Harmonisierungsrichtlinie in der derzeitigen Form umzusetzen. "Sofern vonseiten des Bundes konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet werden, sind wir gerne bereit, mit dem Beitritt Wiens einer Harmonisierung zuzustimmen", hieß es aber.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Behindertenrat fordert die Wiener Stadtregierung auf, die Bundesrichtlinie zur Harmonisierung der Persönlichen Assistenz umzusetzen, um auch Menschen mit Lernschwierigkeiten und psychischen Erkrankungen einzubeziehen.
  • Trotz eines unterschriftsreifen Vertrags weigert sich Wien, die Regelung zu unterzeichnen, was den Zugang zur Persönlichen Assistenz für viele Menschen einschränkt und prekäre Arbeitsverhältnisse für Assistenten fortbestehen lässt.
  • Die Stadt Wien kritisiert die Richtlinie wegen unklarer Finanzierung und einer umstrittenen Altersgrenze von 65 Jahren, ist aber bereit, bei konkreten Lösungsvorschlägen des Bundes den Beitritt zu überdenken.