Studie zeigt geringeres Vertrauen in Forschung in Österreich
Rund 240 Wissenschafterinnen und Wissenschafter waren an der "Study trust in scientists and science-related populism" (TISP-Studie) unter der Leitung von Viktoria Cologna von der Universität Zürich beteiligt, darunter auch mehrere Wissenschafter von der Universität Wien um den Kognitionspsychologen Claus Lamm. Es handle sich um die größte internationale Befragung zu diesem Thema seit der Covid-19-Pandemie. Letztere hat ja in den meisten Ländern zwar einerseits die Wissenschaft ins Zentrum der Öffentlichkeit befördert, andererseits aber u.a. auch in Österreich eine teils große Skepsis bzw. Ablehnung gegenüber Forscherinnen und Forschern offenbart.
In der Folge startete das Bildungsministerium eine unter dem Titel "DNAustria" mehrere Initiativen, um Wissenschafts- und Demokratieskepsis zu begegnen. Außerdem wurde unter der Leitung des Instituts für Höhere Studien (IHS) 2023 eine Studie über Ursachen von Wissenschafts- und Demokratieskepsis in Österreich ausgearbeitet. Demnach gebe es hierzulande zwar "definitiv eine Neigung zu Kritik und Skepsis gegenüber Wissenschaft und Demokratie". Allerdings sei das Phänomen nicht so ausgeprägt wie oftmals angenommen: Die Analyse ortete einen harten Kern von rund zehn Prozent der Bevölkerung, die Wissenschaft grundsätzlich und über mehrere Bereiche hinweg ablehnen.
Auch aufgrund der hohen Werte bei Skepsis und Desinteresse gegenüber Wissenschaft, die die Eurobarometer-Umfrage 2021 für Österreich ausgewiesen hatte, lancierte die Akademie der Wissenschaften (ÖAW) 2022 unter dem Titel "Wissenschaftsbarometer" eine alljährliche einschlägige Befragung. Demnach lag der Anteil jener Menschen, die der Wissenschaft "stark" oder "sehr stark" vertrauen, in den vergangenen beiden Jahren bei 73 Prozent. "Gar nicht" oder "wenig" Vertrauen brachten dem Sektor ebenso stabil in den vergangenen Jahren sechs bis sieben Prozent der Befragten entgegen.
Der neuen, internationalen Studie zufolge hält eine Mehrheit der Befragten von 78 Prozent die Wissenschaft für "qualifiziert", als "ehrlich" sehen hingegen nur 57 Prozent der Teilnehmer Forscherinnen und Forscher an. Immerhin 75 Prozent der weltweit Befragten stimmten der Aussage zu, dass wissenschaftliche Methoden der beste Weg sind, um die Wahrheit herauszufinden. Dass Forschende um das Wohl der Gesellschaft besorgt seien, bejahen 56 Prozent. Für Viktoria Cologna stellen diese Zahlen "die These einer 'Vertrauenskrise' der Wissenschaft in Frage", wie sie in einer Aussendung zitiert wird. Auch IHS-Forscher Johannes Starkbaum meinte gegenüber dem deutschen Science Media Center (SMC), dass weltweit gesehen "die Wissenschaft zu jenen Institutionen gehört, denen am meisten vertraut wird" - wobei die Vertrauenswerte in Deutschland, der Schweiz und Österreich unter dem Schnitt liegen.
Sieht man sich die Daten zum deutschen Sprachraum genauer an, wird klar, dass sie z.B. merklich niedriger als im nördlichen Europa oder auch in den USA sind: Österreich findet sich bei der wichtigsten Kennzahl gar nur an sechzehnt-letzter Stelle. Abgefragt wurde hier das Vertrauen in die Wissenschaft auf einer Skala von 1 (sehr gering) bis 5 (sehr hoch). Während der weltweite Durchschnitt bei 3,62 lag, findet sich Österreich mit 3,42 gleichauf mit Zypern und Hongkong, knapp hinter Südkorea und Frankreich und knapp vor Kamerun.
Deutschland mit einem Durchschnittswert von 3,49 und die Schweiz mit 3,45 liegen hier sehr ähnlich. Mit Abstand am höchsten war im Rahmen der Studie die Zustimmung zu dieser Frage in Ägypten (Mittelwert: 4,30) und Indien (4,26), aber auch die USA (3,86) oder Großbritannien (3,82) liegen im oberen Teil des Rankings. Die niedrigsten Werte werden aus Albanien (3,05), Kasachstan (3,13), Bolivien (3,22) sowie Russland, Äthiopien und Nicaragua (jeweils 3,23) gemeldet.
Auffällig in Bezug auf die Ergebnisse ist, dass in Österreich, Deutschland und der Schweiz das berichtete Vertrauen in die Wissenschaft statistisch signifikant anstieg, je höher das Bildungslevel der Befragten war. Ein Effekt, der sich so ausgeprägt sonst nur in den USA und Norwegen fand. In Österreich stark ausgeprägt ist demnach auch die Tendenz, Forschern gegenüber weniger Vertrauen auszusprechen, wenn Personen gleichzeitig angaben, im politischen Spektrum weiter rechts zu stehen. In allen Auswertungen dazu rangiert Österreich hier zusammen mit Kanada, Israel oder Brasilien in den vordersten Rängen.
Insgesamt zeigen sich tendenziell niedrigere Vertrauenswerte, je höher die Zustimmung zu einem Weltbild ist, in dem eine vermeintlich "überlegene" eine "unterlegene" Gruppe beherrscht. "Angesichts des weltweit zunehmenden Einflusses autoritär-populistischer Parteien und Strömungen - wie der AFD in Deutschland oder der FPÖ in Österreich - sehe ich hier eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für die Wissenschaft und die Wissenschaftskommunikation in den kommenden Jahren", so Mathias Frisch von der Universität Hannover gegenüber dem SMC.
(S E R V I C E - https://dx.doi.org/10.1038/s41562-024-02090-5)
Zusammenfassung
- Das Vertrauen in die Wissenschaft ist in Österreich, Deutschland und der Schweiz geringer als im internationalen Vergleich, wobei Österreich auf Platz 16 von unten rangiert.
- Eine internationale Studie zeigt, dass 78 Prozent der Befragten die Wissenschaft für qualifiziert halten, aber nur 57 Prozent die Forscher als ehrlich ansehen.
- In Österreich liegt der Vertrauenswert in die Wissenschaft bei 3,42, während der weltweite Durchschnitt bei 3,62 liegt.
- Das Vertrauen in die Wissenschaft steigt in Österreich signifikant mit dem Bildungsgrad, besonders bei höherem Bildungsniveau.
- In Österreich ist das Misstrauen gegenüber Wissenschaftlern höher bei Personen mit rechter politischer Orientierung, was eine Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation darstellt.