Schutzhunde-Ausbildung: "Der Mensch ist tabu"
Das Image des Gebrauchshundesports hat in den letzten Wochen stark gelitten. Bilder von Schutzhunde-Ausbildungen, bei denen Hunde scharf gemacht werden sollen, machten die Runde. Nun soll der Sport womöglich verboten werden, dabei sind auch seine Vertreter gegen "Hinterhof-Ausbildungen". PULS 24 hat eine Trainingseinheit der Deutschen Schäferhunde "Teddy" und "Pinocchio" besucht.
Mit lautem Gebell stürzt "Teddy" sich auf seine Beute: ein unscheinbares, braunes Jutekissen. Der fünf Monate alte Rüde entreißt es dem Ausbildungshelfer und trägt es stolz zu seinem Herrchen zurück. Dass rund um ihn noch fünf weitere Personen stehen, interessiert "Teddy" nicht. Er hat nur Augen für seine Beute.
Ohne Angst durch das Training
Dafür gibt es viel Lob und Streicheleinheiten, der Rüde schmiegt sich an die Beine seines Herrchens, das Jutekissen weiterhin fest im Griff. "Der Hund weiß genau: Ich habe meine Beute und der Mensch ist tabu", erklärt Robert Markschläger, Ausbildungsreferent und Vorstandsmitglied des österreichischen Kynologenverbandes (ÖKV). Mit dem Erbeuten des Kissens sei die Jagd für den Hund vorbei, sagt er.
"Teddy" gibt seine Beute aber auf Kommando auch gleich wieder zurück. Bedroht fühlt man sich während des Trainings nie, obwohl "Teddy" wild über den Platz rast. Zurück hält ihn eine lange Leine, die hängt aber über weite Strecken schlaff durch.
Wenn "Teddy" doch einmal vorbeikommt, dann bremst er vorher ab, lässt sich kurz streicheln und sprintet dann wieder davon. Dabei wedelt er ständig vergnügt mit dem Schwanz.
Petition gegen Gebrauchshundesport
"Teddy" steht erst ganz am Anfang seiner Gebrauchshundesportausbildung, die könnte aber schon bald verboten werden. Seit der tödlichen Attacke des American Staffordshire Terriers "Elmo" auf eine Joggerin Anfang Oktober kommt immer mehr Kritik daran auf.
Tierschutzorganisationen verorten aggressive Trainingsmethoden, bei denen Hunde scharf gemacht würden. So stand auch "Elmos" Besitzerin im Verdacht, den Hund privat zum Schutzhund ausgebildet zu haben.
Der Verein Pfotenhilfe startete daraufhin eine Petition zum Verbot des Gebrauchshundesports, die sie Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) überreichte. Ein entsprechender Vorschlag zur Gesetzesänderung der Hundeausbildungsverordnung wurde vergangene Woche an die ÖVP übermittelt, teilte das Sozialministerium auf PULS 24 Anfrage mit.
"Beiß- oder Angriffstrainings im Rahmen der Ausbildung und sportlichen Betätigung von Hunden" soll damit für Privatpersonen und Vereine verboten werden.
Helfer als "bester Spielkamerad" des Hundes
Wie der ÖKV wehrt sich auch Hundetrainer Georg Sticha gegen die Kritik: Man sei gegen eine "Hinterhof-Ausbildung, die nur darauf abzielt, die Hunde gegen Menschen aggressiv zu machen".
Die offizielle Gebrauchshunde-Ausbildung sei weder ein "Angriffs- noch ein Beißtraining", so Sticha, der das erste österreichische Problemhunde-Therapiezentrum leitet. "Der Helfer ist nicht der Gegner des Hundes, sondern sein bester Spielkamerad", stellt er klar.
Wird der Hund "gegen den Menschen geschickt"?
Das zeigt sich auch bei "Pinocchio", einem vierjährigen Deutschen Schäferhund. Etwas weniger ungestüm als "Teddy" jagt er dem Juteärmel an einer langen Leine hinterher und schnappt ihn sich. Auf ein Zeichen lässt auch er ihn sich aber problemlos wieder abnehmen.
Der Gebrauchshundesport wirkt auf den ersten Blick der Schutzhundeausbildung sehr ähnlich - etwa durch den Juteärmel. Bei "Pinocchios" Training wird der Ärmel zwar immer weggeworfen, doch in Prüfungssituationen etwa muss ein Hund ihn sich direkt vom Arm des Helfers holen.
Das gibt leicht ein schlechtes Bild ab: Momentaufnahmen zeigen dann, wie sich ein Hund im Arm eines Menschen verbeißt. Der Unterschied zur verbotenen Zivilschutzausbildung scheint auf einmal verschwindend gering.
Nicht Aggression, sondern Gehorsam
Der große Unterschied liegt aber in der Grundmotivation. Beim sportlichen Training würde der Hund "nicht gegen den Menschen geschickt", so Sticha. Stattdessen gehe es beim Gebrauchshundesport um die Gehorsamkeit des Hundes sowie seine Selbstsicherheit, wichtige Eigenschaften für die internationale Zuchtselektion.
"Das Letzte, was ich möchte, ist einen aggressiven Hund", betont auch Markschläger.
Auch Drogen- oder Rettungshunde müssten die Gebrauchshunde-Ausbildung absolvieren. Das Beutekissen würde dabei als Belohnung dienen, nach erledigter Arbeit bekomme der Hund es zum Spielen. Bei "Pinocchio" und "Teddy" erinnert das Training an ein Ball-Spiel oder Apportieren, wie es viele Besitzer mit ihren Hunden täglich machen.
Kontrollierte Ausbildung statt Verbot
Nur Hunde, die für die Polizei oder das Bundesheer trainiert werden, würden lernen, ihren Hundeführer zu verteidigen, oder auch Täter zu stellen.
Statt einem Verbot fordert Sticha, der zu diesem Zweck auch eine Petition gestartet hat, eine klare Regelung. Auf Verbandsplätzen des ÖKV oder der Österreichischen Hundesport Union (ÖHU) solle "eine sachlich und fachlich korrekte Gebrauchshunde-Ausbildung und der Gebrauchshundesport sehr wohl erlaubt" sein. Scharfmachen gegen Menschen soll "weiterhin verboten bleiben".
Charakterstarke Tiere für Ausbildung
Für den Sport zugelassen seien nur wesensstarke Tiere. Würde ein Hund bei einer Prüfung doch einmal aggressiv werden, müsse er einen Wesenstest absolvieren. Ohne dessen positiven Abschluss wird das Tier ein Leben lang vom Sport ausgeschlossen.
31.430 Hunde haben seit 2004 laut ÖKV in Österreich die Internationale Gebrauchshundeprüfung (IGP) absolviert, keiner von ihnen habe laut aktuellem Erkenntnisstand je einen Menschen angegriffen, verletzt oder getötet.
Das ist zumindest bei "Teddy" und "Pinocchio" auch schwer vorstellbar: Am Ende der Trainingseinheit folgen sie ihrem Herrchen wieder schwanzwedelnd in Richtung Auto. Und nicht nur ihm: Laut ihrem Herrchen geht auch seine siebenjährige Tochter problemlos mit "Pinocchio" Gassi.
Zusammenfassung
- Das Image des Gebrauchshundesports hat in den letzten Wochen stark gelitten.
- Bilder von zivilen Schutzhunde-Ausbildungen, bei denen Hunde scharf gemacht werden sollen, machten die Runde. Auch "Elmo", der Anfang Oktober eine Joggerin tötete, soll von der Besitzerin so ausgebildet worden sein.
- Nun soll der Sport womöglich verboten werden, dabei sind auch seine Vertreter gegen "Hinterhof-Ausbildungen".
- Die Gebrauchshundesport-Ausbildung sei weder ein "Angriffs"- noch ein "Beißtraining", so Sticha, der das erste österreichische Problemhunde-Therapiezentrum leitet.
- Statt einem Verbot fordert Sticha eine klare Regelung, "dass auf Verbandsplätzen (...) eine sachlich und fachlich korrekte Gebrauchshunde-Ausbildung und der Gebrauchshundesport sehr wohl erlaubt sind".