Messerstich als "Denkzettel": Haft für Mädchen (15) in Graz
In Graz ist am Donnerstag vor Gericht ein schockierender Fall verhandelt worden. Eine 15-Jährige saß auf der Anklagebank, die Staatsanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord vor. Sie selbst und ihr Anwalt sehen es als Körperverletzung.
Das Schöffengericht entschied am späten Nachmittag: Das Mädchen erhält eine unbedingte Haftstrafe von 18 Monaten. Jedoch wurde sie nicht wegen versuchten Mordes, sondern wegen versuchter schwerer Körperverletzung nicht rechtskräftig verurteilt.
Der Vorfall geschah am 1. Juni. Mit einem Messer stach sie einem anderen Mädchen in den unteren Rücken. Doch alles begann schon Monate früher, im Februar. "Es war eine brutale Situation", meinte der Vater der Angeklagten im Interview mit PULS 24.
Angeklagte wurde von Mädchen-Gruppe misshandelt
Damals wurde die heute 15-Jährige von einigen Mädchen in ein Haus gelockt und mit Tritten und Schlägen – unter anderem mit einer Eisenstange – malträtiert. Auch ihre Haare und die Kleidung sollen angezündet worden sein. Davon kursierten auch Videos in sozialen Netzwerken, die der Redaktion bekannt sind. In diesem Fall laufen Ermittlungen gegen mehrere Mädchen wegen Körperverletzung - zu einer Anklage kam es bislang allerdings nicht.
"Dieses Ereignis hat diese traumatischen Folgen bei ihr hinterlassen", erklärt ihr Anwalt, Frank Carlo Gruber, im Gespräch mit PULS 24 Chronik-Chefreporterin Magdalena Punz.
Video: Die Eltern der Angeklagten im Interview
Das Mädchen hätte in den Monaten danach "große Angst" gehabt, so der Vater. Sie habe sich auch nur mit Messer aus dem Haus getraut.
"Denkzettel" oder Mordversuch?
Monate später hätte es ein "Denkzettel" werden sollen. Am 1. Juni suchte sie eines der Mädchen auf und traf auf dieses auf dem Grazer Jakomini Platz. Die Angeklagte sagte, dass ihr Opfer die Tat mitgefilmt und sie in das Haus gelockt haben soll, in dem sie im Februar attackiert worden war.
Dann verlangte sie eine Entschuldigung, was die andere verweigerte und wegging. Die Angeklagte ging ihr nach und stach ihre Kontrahentin in den unteren Rücken. "Ich stech dir in den Popo und du wirst Schmerzen haben und lange lange an mich denken", meinte der Anwalt zu den Absichten der 15-Jährigen: "Zu keinem Zeitpunkt hat sie überhaupt daran gedacht, dass sie das andere Mädchen töten wird können".
Video: Anwalt der Angeklagten im Interview
"Sie wollte sie nicht umbringen", meinte auch der Vater der Angeklagten. Nur, dass sie "auch Schmerzen hat".
"Durch die Dynamik des Bewegens" sei der Stich dann nicht in die Pobacke, sondern weiter nach oben gewandert. Mordvorsatz könne Gruber allerdings nicht erkennen. "Wenn ich sie wirklich hätte umbringen sollen, hätte ich öfter zugestochen", habe die Angeklagte zum Anwalt gesagt. Sie zeuge sich aber auch reumütig: "Sie sieht auch heute ein, dass das der falsche Weg war." Für die Staatsanwaltschaft ist es jedoch ein Mordversuch, weil sie ein Messer mitgenommen hat. Das Gericht konnte sie damit allerdings nicht überzeugen.
Video: Jugendliche aus Graz - "Generation kaputt"
Zusammenfassung
- In Graz musste sich eine 15-Jährige vor Gericht wegen versuchten Mordes verantworten - verurteilt wurde sie dafür nicht.
- Eine 15-Jährige saß auf der Anklagebank, die Staatsanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord vor. Sie selbst und ihr Anwalt sehen es als Körperverletzung.
- Dennoch muss sie in Haft - 18 Monate unbedingt lautet das nicht rechtskräftige Urteil.
- Jedoch wurde sie nicht wegen versuchten Mordes, sondern wegen versuchter schwerer Körperverletzung nicht rechtskräftig verurteilt.
- Um die brutale Tat zu verstehen, muss man einige Monate weiter zurückschauen.