NGOs warnen vor "Kuhhandel" mit Gentechnik statt Pestiziden
Einerseits geht es um die Sustainable Use Regulation (SUR) für Pflanzenschutzmittel, die als Teil des "Green Deal" der Kommission in den vergangenen Wochen vor allem von den europäischen Christdemokraten unter Beschuss genommen wurde und nach Behandlungen im Agrar- und Umweltausschuss Anfang Oktober ins Plenum des EU-Parlaments kommen soll. Um die derzeitige Blockade durch die EVP aufzuheben, sei seitens von Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans in Überlegung, im Gegenzug einen Gesetzesvorschlag für das EU-Gentechnikrecht aufzuweichen, hieß es. Dieser wird von den NGOs für 5. Juli erwartet und würde in der Folge von Umweltausschuss und Agrarrat behandelt. Dabei drohe, dass Pflanzen der Neuen Gentechnik (NGT) künftig "ohne Kennzeichnung und ohne ausreichende Risikoprüfung auf den Markt kommen", warnte man vor einer Deregulierung in diesem Bereich.
Eine neue Publikation von foodwatch zeige anhand von Ländern mit hohem Anteil an gentechnisch veränderten Sorten jedoch, dass damit keine Pestizidreduktion einhergehe. "In Brasilien, beispielsweise, hat sich der Pestizidabsatz seit 2000 mehr als vervierfacht. Wenn es um die Reduzierung von Pestiziden in der Europäischen Union geht, ist das Potenzial der Neuen Gentechnik derzeit nahezu gleich Null. Das Potenzial einer Pestizidreduktion durch vorbeugenden Pflanzenschutz und ökologische Aufwertung liegt dagegen bei 60 bis 100 Prozent", sagte Studienautor Lars Neumeister, Pestizidexperte des Verbraucherschutzvereins foodwatch. "Die Neue Gentechnik wiederholt nur alte, leere Versprechen. Es ist nichts in der Pipeline, was eine Pestizidreduktion erzielen würde."
Laut Neumeister werde mit der Neuen Gentechnik nur ein fataler Kreislauf angekurbelt: "NGT-Pflanzen werden den Verlust der genetischen Vielfalt beschleunigen, insbesondere wenn die Gentechnik unter der Kontrolle einiger weniger globaler Pestizid- und Saatgut-Konzerne ist. Genetische Uniformität ist eine der Hauptursachen für den Einsatz von Pestiziden. Eine höhere genetische Uniformität führt wiederum zu einem höheren Pestizideinsatz und zum Einsatz noch gefährlicherer Pestizide gegen resistente Unkräuter."
Gentechnisch veränderte Nutzpflanzen, die für die Erreichung der von der EU-Kommission deklarierten "Farm-to-Fork"-Ziele geeignet seien, "sind nicht verfügbar", heißt es in der foodwatch-Publikation. "Es scheint, als ob sie auch in den nächsten zehn bis 15 Jahren nicht verfügbar sein werden. Im Gegensatz zu dem, was die Befürworterinnen und Befürworter behaupten, sollten unter den gegenwärtigen Umständen Pflanzen, die mit Hilfe von NGT erzeugt werden, als Hochrisikotechnologie betrachtet werden."
Verlierer des befürchteten "toxischen Deals" in der EU wären Umwelt, Biodiversität sowie die Landwirte und Konsumenten, so Pia Voelker vom BUND, denn der mit mehr Pestizideinsatz verbundene Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen "schädigt die Biodiversität weiter". "Für eine resiliente, vielfältige und klimaangepasste Landwirtschaft und die Sicherung der landwirtschaftlichen Produktion für die nächsten Generationen braucht es eine starke, gesetzlich verankerte Pestizidreduktion und eine weiterhin strenge Regulierung und Risikoprüfung von Neuer Gentechnik-Pflanzen", zeigte sich Brigitte Reisenberger von Global 2000 überzeugt.
( S E R V I C E - foodwatch-Publikation: https://go.apa.at/YoDB4iMA )
Zusammenfassung
- Genetische Uniformität ist eine der Hauptursachen für den Einsatz von Pestiziden.