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WM 2022: Das "demokratische" Katar

Ab 20. November läuft die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Das Land selbst definiert sich als demokratisches System, dem es aber in keinster Weise gerecht wird. Diskriminierung und Zensur stehen an der Tagesordnung. WM-Fans müssen sich zudem auf breite Handy-Überwachung gefasst machen.

Höher, schneller, moderner. In kürzester Zeit stampfte der Wüstenstaat Katar Fußballstadien aus dem Erdboden, sicherte sich ein Sport-Event nach dem anderen und versorgt die Welt mit Öl und Gas. 1939 entdeckt, sollten die Rohstoffvorkommen den Wohlstand Katars und Einfluss in der Welt sichern.

Al Thani hat die Zügel in der Hand

Doch nicht nur der Einfluss in der Welt ist dem 11.627 km² großen Staat (zum Vergleich: Österreich ist rund siebenmal so groß)  sicher, auch die Bevölkerung hat die Emir-Familie Al-Thani fest im Griff. Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1971 ernannte sich Katar zum Emirat, dessen politisches System laut Verfassung "demokratisch" ist. Davon kann jedoch keine Rede sein, zumal Monarch bzw. Emir Tamim bin Hamad Al-Thani an der Spitze des Staates steht und Exekutive und Legislative vereint, politische Parteien sind zudem verboten.

Statt eines Parlaments gibt es eine beratende Sammlung (die Schura), die erstmal 2021 gewählt wurde - Tausende Menschen waren laut "Human Rights Watch" von den Wahlen ausgeschlossen. Das Gremium kann Gesetze beschließen sowie die Grundlinien der Staatspolitik und den Staatshaushalt billigen. Das letzte Wort hat aber trotzdem Al Thani.

Dass die Bürger von Katar per Verfassung gleiche öffentliche Rechte haben, ist ebenso wenig der Fall wie das Verbot der Diskriminierung nach Geschlecht.

Frauen und Arbeitsmigranten unter Vormund

So ist das gesellschaftliche Leben von konservativen muslimischen Ansichten geprägt - Rechtsquelle ist die Scharia. Wenig überraschend sind die Rechte der Frauen dementsprechend eingeschränkt, stehen sie doch zu großen Teilen unter männlicher Vormundschaft. Wollen sie heiraten, müssen sie laut der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" die Erlaubnis ihres Vormunds einholen. Verlassen sie ohne Erlaubnis des Mannes das Haus, verreisen oder gehen arbeiten, können sie als "ungehorsam" gelten.

Container-Dorf für Arbeitsmigranten in DohaAFP

Container-Dorf für Arbeitsmigranten in Doha

Auch die zahlreichen Arbeitsmigranten:innen stehen im Kafala-System unter der Vormundschaft katarischer Staatsbürger. Menschenrechtsorganisationen sprechen von moderner Sklaverei. So kann der Vormund Pässe abnehmen, über die Ausreise in die Heimatländer entscheiden, Löhne vorenthalten oder die Arbeitszeit festsetzten - bis zu 18 Stunden pro Tag sind keine Seltenheit.

Nicht nur Katarer profitieren mit einer Menge Geld von diesem System sondern auch die Herkunftsländer. Das BIP von Nepal setzt sich zu 25 Prozent allein aus den Überweisungen an die Familien der Arbeitsmigranten zusammen.

Fremdwort Meinungsfreiheit

Abseits der Diskriminierung von Frauen und Mädchen steht Katar wegen weiterer Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. So ist das Recht auf freie Meinungsäußerung stark eingeschränkt. Im Vorfeld der Fußball-WM wurde es weiter beschnitten und vage formulierte Gesetze wurden genutzt, "um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen", schrieb Amnesty International. Immer wieder würden Regierungskritiker:innen oder Aktivist:innen mit Haftstrafen belegt. Häufig werden die Betroffenen ohne offizielle Anklage eingesperrt.

Dementsprechend ist Katar auch kritische Berichterstattung ein Dorn im Auge. So dürfen unter anderem ARD und ZDF keine Einheimischen in ihren Privaträumen oder Unterkünfte filmen, in denen Gastarbeiter untergebracht sind. Diese Einschränkungen gelten auch in Regierungsgebäuden, Kirchen, Universitäten, Krankenhäusern und bei Privatunternehmern. Nur mit Zustimmung zu diesen Regeln bekommt man eine Drehgenehmigung. Beide Sender sind nach eigenen Angaben mit dem Fußball-Weltverband FIFA im Gespräch, was die Auflagen für die Drehgenehmigungen betrifft.

LGBTIQ-Personen in ständiger Gefahr

Wenig mit Demokratie hat auch der Umgang mit LGBTIQ-Personen zu tun. So berichtet die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" von Diskriminierung und Misshandlung von Gefangenen, Verletzung der Privatsphäre und Konversionsbehandlung.

Demnach gerieten viele LGBTIQ-Personen in Gefangenschaft, wohl aufgrund eines Gesetzes aus dem Jahr 2022, das eine Untersuchungshaft ohne Anklage oder Gerichtsverfahren für bis zu sechs Monate erlaubt, wenn "es begründete Gründe für Annahmen gibt, dass der Angeklagte ein Verbrechen begangen haben könnte". Dazu gehören auch "Verstößen gegen die guten Sitten".

Nicht gerade eine Einladung für ausländische LGBTIQ-Tourist:innen nach Katar zur WM zu fahren. Auch wenn FIFA-Präsident Gianni Infantino davon sprach, dass jeder willkommen sei – "unabhängig von Herkunft, Hintergrund, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Nationalität".

Lusail-StadionAFP

Das Lusail-Stadion - eines der acht Austragungsorte in Katar.

Überwachung pur für WM-Fans

Neben der Überwachung von LGBTIQ-Personen, wird Überwachung speziell bei der WM generell ein großes Thema spielen. Der Sicherheitschef des norwegischen Senders "NRK", Øyvind Vasaasen, rät gar dazu, bei einem Besuch von Katar kein Handy mitzunehmen.

Denn Katar verlangt für die Einreise während der WM die Installation der Apps Ehteraz und Hayya, wie "NRK" weiter berichtet. Bei Ehteraz handelt es sich um eine Covid-19 App, die verschiedenste Berechtigungen hat. So kann sie Dateien lesen, löschen oder ändern sowie den Bluetooth- und WIFI-Zugang steuern, andere Apps überschreiben und den Schlafmodus eines Handys verhindern.

Die Ehteraz-App kann jedoch auch auf die geografische Position zugreifen, Anrufe tätigen und den Sperrbildschirm entsperren. Die Hayya-App hat ebenfalls als kritisch einzustufende Rechte. So kann sie persönliche Informationen fast ohne Einschränkungen teilen. Hayya kann außerdem die geografische Position bestimmen, den Schlaf-Modus verhindern und die Netzwerk-Verbindungen einsehen. "Sie können einfach die Inhalte des ganzen Handys verändern und haben volle Kontrolle über die Informationen auf dem Gerät", so Vasaasens abschließendes Urteil.

ribbon Zusammenfassung
  • Ab 20. November läuft die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar.
  • Das Land selbst definiert sich als demokratisches System, dem es aber in keinster Weise gerecht wird.
  • Diskriminierung und Zensur stehen an der Tagesordnung.
  • WM-Fans müssen sich zudem auf breite Handy-Überwachung gefasst machen.