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Kopf auf Asphalt geschlagen: Prozess gegen Polizisten vertagt

Vergangenen Mai schlug ein Polizist den Kopf eines 19-Jährigen mehrmals gegen den Asphalt. Am Montag musste sich der Beamte wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht verantworten. Zeug:innen gaben alle an, nichts gesehen zu haben, einzelne Sekunden des Video-Materials wurden besprochen. Zuletzt eine Überraschung: Die Verhandlung wurde vertagt.

Am 7. Mai 2023 schlug ein Polizist den Kopf eines Schülers im Rahmen einer Identitätsfeststellung mehrmals gegen den Boden. Am Montag musste sich der Beamte wegen Amtsmissbrauches vor einem Schöffengericht verantworten. Ursprünglich war der Prozess nur für einen Tag angesetzt, doch die Staatsanwältin beantragte die Ladung weiterer Zeug:innen.

Die Verhandlung wurde daher vertagt, um dem Antrag nachzukommen. Doch bereits am ersten Prozesstag kamen neben Angeklagtem und Opfer mehrere Zeug:innen zu Wort. Sie alle gaben an, nicht gesehen zu haben, was genau sich damals zwischen dem Polizisten und dem Schüler zugetragen hatte.

Auslöser des Prozesses

Als die Polizei vergangenen Mai wegen eines Tötungsdelikts in Wien-Simmering vor Ort war, wollte ein 19-Jähriger an einem Bankomaten Geld beheben. Ein Beamter ließ ihn nicht durch, es kam zu einer Diskussion, zu der auch ein zweiter Polizist hinzustieß. 

Die Situation eskalierte: Der 19-Jährige wurde von der Polizei auf den Boden gedrückt, fixiert und festgenommen.

Ein PULS 24 Kameramann filmte den Vorfall. Die Aufnahme zeigt, wie einer der Beamten den Kopf des jungen Mannes dabei mehrmals gegen den Asphalt donnerte. Es bildete sich eine Blutlache. 

Vorwurf des Amtsmissbrauches

Dass sich jener angeklagte Beamte am Montag wegen Amtsmissbrauches verantworten musste, ist bemerkenswert. Es ist eine auffallend harte Reaktion der Staatsanwaltschaft Wien, denn der Polizisten wird nicht wegen reiner Körperverletzung angeklagt. Stattdessen habe der Beamte laut Anklage seine Befugnis, den 19-Jährigen zu verhaften, wissentlich missbraucht und ihm so geschadet.

Aufnahmen von jener Szene – aus mehreren Perspektiven - sah man im kleinen, aber prall gefüllten Gerichtssaal mehrmals. Einzelne Sekunden wurden immer wieder abgespielt und besprochen – auch um eine Darstellung in Zeitlupe wurde gebeten. Das bekam man aber technisch nicht hin.

Angeklagter plädierte auf "nicht schuldig"

Der angeklagte Polizist plädierte gleich zu Beginn auf "nicht schuldig". Er sei zum Tatort des Tötungsdelikts gerufen worden und habe den zuerst gesichert, bevor er zu dem "knienden Gerangel" des ersten Beamten und des 19-Jährigen gestoßen sei. Die "dicke Daunenjacke" des 19-Jährigen sei zerrissen gewesen, das sei für ihn ein Hinweis gewesen, dass da schon "Gewalt im Spiel" gewesen sei.

Überhaupt sei die dicke Jacke trotz der sommerlichen Temperaturen verdächtig gewesen.

Gleichgewicht verloren

Er habe bei der Fixierung versucht, den Schüler in "die Bauchlage zu bringen", dabei hätte der aber seine fixierte Hand lösen können und sich "mit dem Kopf aufgebäumt". Der Polizist habe dabei das Gleichgewicht verloren.

"Hätte ich eine weniger gefährliche Möglichkeit gesehen, hätte ich das gemacht", sagte er über das Drücken des Kopfes gegen den Asphalt. Seine Handlungen seien "notwendig" gewesen, sonst hätte sich das Opfer weiter wehren können.

Das betonte der Angeklagte auch, als drei Videos gezeigt wurden: "Ich finde, man sieht eindeutig, wie er (das Opfer, Anm.) den Arm aus der Fixierung herauszieht." Clemens Lahner, Anwalt des Opfers, sah das anders: Ein zweiter Polizist hätte den Arm des Opfers bereits fixiert.

"Kein Taumeln auf den Kopf"

Die Staatsanwältin zweifelte allerdings daran, dass der Angeklagte, das Gleichgewicht verloren hätte, denn es sei "kein Taumeln auf den Kopf", sondern "gezielt eine Druckbewegung gewesen".

Das nahm der Polizist zum Aufruf, kurzerhand im Verhandlungssaal zu demonstrieren, wie das passieren konnte. Dabei sagte er, er hätte sich auch neben dem Kopf des Opfers abstützen können.

Als die Staatsanwältin wissen wollte, wieso er das dann nicht gemacht habe, meinte der Angeklagte, dass das Opfer, sonst "frei" gekommen wäre.

"Passiver Widerstand" des Opfers

Anschließend durfte das Opfer seine Sicht der Dinge präsentieren. Der Schüler sei nur mündlich auf eine Sperre hingewiesen worden. Als er zum Bankomaten wollte, habe ein Polizist ihm das verboten. Grund dafür habe er keinen genannt, stattdessen habe er den Ausweis des Schülers sehen wollen. Der 19-Jährige habe das verweigert, es sei der "Schulterwurf" zu Boden gefolgt.

"Ich habe immer nur passiven Widerstand geleistet, ich wollte niemanden verletzen, ich wollte nur Klarheit, warum ich auf den Boden geworfen wurde und das nur wegen eines Ausweises", so das Opfer.

Wie genau dieser "passive Widerstand" ausgesehen hat, war Gegenstand mehrere Fragen. Der Schüler fasste zusammen, er habe mit seiner "Kraft dagegengehalten", aber nicht versucht, sich zu "befreien" oder "aufzubäumen".

Der 19-Jährige hätte etwa "zehn Tage" Kopfschmerzen durch die Aktion des Angeklagten gehabt, zudem sei seine Hand teilweise taub gewesen.

Opfer laut Zeuginnen "aggressiv"

Die Aussagen von zwei Zeug:innen, beide Passantinnen bei dem Vorfall, ähnelten sich. Beide sprachen von dem Schüler als "aggressiv" oder "unfreundlich". Laut einer habe es eine sichtbare Absperrung gegeben, die konnte sie später in den Videos aber nicht mehr lokalisieren.

Das Schlagen vom Kopf gegen den Asphalt hätte beide nicht gesehen, einmal hätten etwa Blumentöpfe die Sicht verstellt.

Niemand habe Schläge gesehen

Auch die geladenen Polizisten gaben an, dass sie nichts gesehen hätten. Bis auf einen, der schon jahrelang mit dem Angeklagten gemeinsam Dienst hatte, hätten die anderen ihn gar nicht oder kaum gegangen.

Jener Beamte, der die Amtshandlung begonnen hatte, wurde zuerst befragt. Er fordert vom Opfer in einem zivilgerichtlichen Verfahren im April Schadenersatz wegen Verletzungen, die er sich bei der Fixierung zugezogen hätte.

Das Opfer sei "aggressiv" gewesen und habe bis zuletzt "heftige Gegenwehr" geleistet, von "passiven Widerstand" sei keine Rede gewesen.

So ähnlich lassen sich auch die Aussagen der anderen Polizisten zusammenfassen: Vom Opfer sei "Gefahr" ausgegangen, es sei "aufgebracht und aggressiv" gewesen, die Lage generell "unübersichtlich".

Vertagung des Prozesses

Nach Ende der Aussagen folgte aber eine überraschende Wende: Die Staatsanwältin forderte, dass auch ein Lokalbesitzer, von dem eine Video-Aufnahme stammt, als Zeuge geladen werde. Der Senat aus Schöffen- und Berufsrichter stimmte dagegen, der Mann habe in seiner Einvernahme angegeben, er habe den Vorfall nicht gesehen. Die geladenen Polizisten auch nicht, konterte die Staatsanwältin.

Das Thema weitere Zeugen blieb aber bestehen und führte schlussendlich sogar zu einer Vertagung des Prozesses. Eine beteiligte und auch geladene Polizistin war nicht anwesend, sie sei krankheitsbedingt entschuldigt gewesen. Staatsanwältin und Anwalt des Opfers forderten ihre Ladung, sie hätte einen besseren Blick auf den Vorfall gehabt als die anderen Zeug:innen.

Der Berufsrichter stimmte zu, als neuer Verhandlungstermin ist der 21. Februar. Dann soll entschieden werden, ob der Angeklagte schuldig ist.

Bei einer Verurteilung drohen ihm sechs Monate bis fünf Jahre Haft. Bereits ab einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe würde der Beamte aber automatisch seinen Job verlieren.

Der Liveblog zur Nachlese:

Liveblog

Polizeigewalt: Beamter vor Gericht

ribbon Zusammenfassung
  • Vergangenen Mai schlug ein Polizist den Kopf eines 19-Jährigen mehrmals gegen den Asphalt.
  • Ein PULS 24 Kameramann filmte den Vorfall.
  • Am Montag musste sich der Beamte wegen Amtsmissbrauchs vor Gericht verantworten.
  • Zeug:innen gaben alle an, nichts gesehen zu haben, einzelne Sekunden des Video-Materials wurden besprochen.
  • Zuletzt eine Überraschung: Die Verhandlung wurde vertagt.