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Horror & Staatsversagen: Das Olympia-Attentat in München 1972

Am 5. September 1972 überfielen acht bewaffnete palästinensische Terroristen das Wohnquartier des israelischen Teams. Der Anschlag endete in einem Blutbat.

Als am 26. August 1972 die Olympischen Sommerspiele in München eröffnet werden, ist die Stimmung fröhlich, zehn Tage später herrscht blankes Entsetzen. Am 5. September um 4.55 Uhr fallen palästinensische Terroristen der Organisation "Schwarzer September" in die Unterkunft der israelischen Mannschaft im Olympiadorf ein.

Horrortat die in einem Blutbad endete

Sie erschießen zwei Athleten und nehmen neun Geiseln. Eine Horrortat, die erst spät in der Nacht in einem Blutbad endet, bei dem neun Geiseln und ein Polizist sterben. Die Wettkämpfe werden unterbrochen und nach einem Tag fortgesetzt. "The Games must go on", so die höchst umstrittene Parole des damaligen IOC-Präsidenten Avery Brundage.

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Behörden hatten Hinweise

Die Geschehnisse vom 5. September 1972 trafen Polizei, Sicherheitskräfte, Organisatoren und die politische Führung völlig unvorbereitet, auch wenn es zuvor Hinweise auf einen möglichen Terrorakt gegeben hatte. Doch die hatten keine Konsequenzen.

Und so können die Terroristen in aller Früh mit Sturmgewehren ins Olympische Dorf eindringen, mit dem Ziel, mit der Geiselnahme mehr als 200 Palästinenser aus Gefängnissen in Israel freizupressen.

Zermürbende Verhandlungen folgen, die Attentäter stellen immer wieder Ultimaten, die ablaufen. Versuche, zu den Geiseln vorzudringen, scheitern. Der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) und andere bieten sich als Ersatzgeiseln an, ohne Erfolg. Die Terroristen fordern schließlich ein Flugzeug, um mit ihren Gefangenen nach Kairo zu fliegen.

Am Flugplatz Fürstenfeldbruck wird dafür eine Maschine bereitgestellt, zeitgleich suchen die Sicherheitskräfte unter Hochdruck nach Wegen, die gefangenen Sportler zu befreien. Mehr als 50 Jahre danach ist allen klar - Mängel in der Kommunikation, Wankelmut bei den Entscheidungsträgern und fehlende Krisenkonzepte führten zu dem, was in Polizeikreisen heute mit einem Satz beschrieben wird: "Der Polizeieinsatz war ein Desaster."

Katastrophe

Als gegen 22.30 Uhr zwei Hubschrauber mit Terroristen und Geiseln an Bord in Fürstenfeldbruck landen, kommt es zur Katastrophe. Bei wüsten Schusswechseln sterben alle Geiseln und ein Polizist im Kugelhagel. Auch fünf Attentäter kommen um. Drei weitere werden festgenommen, werden aber schon im Oktober mit Hilfe einer Flugzeug-Entführung freigepresst.

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Ein Debakel, das schärfste Vorwürfe an der Vorgehensweise nach sich zieht und viele sprach- und ratlos macht. Die Journalisten Uwe Ritzer und Roman Deininger haben die Ereignisse für ihr Buch "Die Spiele des Jahrhunderts" noch einmal zusammengetragen. Viele Pannen führen sie darin auf. So konnten die Attentäter die Polizeiaktionen im Olympischen Dorf live am Fernseher verfolgen, weil alles weltweit im TV übertragen wurde. Später in der Nacht wurde zudem fälschlich verkündet, dass die Geiseln in Fürstenfeldbruck glücklich befreit worden seien - Stunden danach musste ihr Tod vermeldet werden.

GSG9 wurde gegründet

Die Politik zog Konsequenzen. Drei Wochen nach dem Anschlag am 26. September 1972 wurde die Spezialeinheit GSG9 gegründet - für den Antiterroreinsatz und zur Befreiung von Geiseln. Zudem gab der Staat Geld: 1972 und 2002 rund 4,6 Millionen Euro als humanitäre Geste für die Betroffenen. Dazu rund eine halbe Million Euro Leistungen des Nationalen Olympischen Komitees und Spenden des Deutschen Roten Kreuzes. 1994 forderten Familien vor Gericht 40 Millionen Mark (rund 20,45 Millionen Euro) Schadenersatz wegen massiver Fehler während des Polizeieinsatzes. Eine Klage, die aber wegen Verjährung scheiterte.

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Ein Polizist

Ankie Spitzer wurde über Jahrzehnte zum Gesicht der Hinterbliebenen. Für sie reichte das Gezahlte nicht aus, um den Tod ihres Mannes, des Fechttrainers André Spitzer, wiedergutzumachen. "Ich hätte ihnen schon längst vergeben, aber sie waren immer so absurd demütigend", sagte Spitzer erst kürzlich dem Deutschlandfunk. Deutschland wollte zunächst nicht mehr zahlen, auch um kein zu großes Ungleichgewicht im Vergleich zur Entschädigung anderer Terroropfer entstehen zu lassen.

ribbon Zusammenfassung
  • Am 5. September 1972 überfielen acht bewaffnete palästinensische Terroristen das Wohnquartier des israelischen Teams.
  • Der Anschlag endete in einem Blutbat.