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Maria G. will aus Syrien zurück - harte Fronten vor Gericht

Auf den Tag genau vor zehn Jahren reiste die damals 17-jährige Maria G. zum sogenannten Islamischen Staat nach Syrien. Nun lebt sie mit ihren zwei Kindern in einem Gefangenenlager und möchte zurück. Das Außenministerium will sie aber nicht holen. Am Freitag wurde der Fall erstmals vor Gericht behandelt. Das Außenministerium gewährte dabei spannende Einblicke in andere Rückholaktionen. PULS 24 war vor Ort.

Maria G. selbst war nicht vor Ort, sie sitzt im Camp Al-Roj in der kurdisch verwalteten Region im Norden Syriens fest. Ob sie überhaupt so bald vom Verlauf der Verhandlung ihres Falls am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erfahren wird, ist nicht sicher.

Ihre Eltern schilderten in ihrer Abwesenheit, dass sie nur sporadisch Kontakt zu ihrer Tochter und ihren Enkelkindern haben würden. Wenn, dann nur per Sprachnachrichten. Zuletzt hörten sie von ihr vor rund drei Wochen, sonst versuche Maria G., die vermehrt über Krankheiten klagt, sich zumindest wöchentlich zu melden.

Eines sei aber sicher: Sie wolle zusammen mit ihren beiden Söhnen nach Hause – und sich hier einem Prozess stellen, so die Familie.

Hinter verschlossenen Türen

Über weite Teile der Verhandlung durften Medienvertreter:innen nicht im Saal sein. In diesen Teilen ging es um persönliche und familiäre Details, aber wohl auch um die mögliche Gefahr, die von Maria G. ausgehen könnte. Schließlich wurde ein Bericht der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) behandelt.

Nur per Zufall wurde der "schreckliche Jahrestag" für den Verhandlungstag erwischt, wie die Anwältin der Familie G., Doris Hawelka, in ihrem Eingangsstatement ausführte. Der "Kampf gegen Windmühlen" gehe weiter, kommentierte sie gegenüber PULS 24. Sie sei aber froh, dass sich die Richterin tiefgehend mit dem Fall beschäftigte.

Doku: Die IS-Töchter und ihre Familien

Dass die Frage über eine etwaige Rückholung der Frau und ihrer Kinder überhaupt vor Gericht landete, dem ging ein langwieriges Verfahren voraus. Das Außenministerium lehnt ein entsprechendes Ersuchen der Familie lange informell ab, musste erst durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) einen Bescheid ausstellen, gegen den Hawelka Beschwerde einbrachte. Über diese Beschwerde wurde nun verhandelt.

Trauma nach Unfall

Vor Gericht schilderten etwa die Eltern von der frühen Jugend ihrer Tochter. Nach einem Unfall in einem Vergnügungspark hätten sich Wirbel verschoben, wonach Maria G. traumatisiert und jahrelang in psychologischer Betreuung gewesen sei.

Über eine Familientherapeutin habe G. einen Flüchtling aus Somalia kennengelernt, so sei sie mit dem Islam in Kontakt gekommen und schließlich im Dezember 2013 konvertiert. Dass sich ihre Tochter radikalisiert habe, habe die Mutter "so nicht wahrhaben wollen", erklärte sie in der Verhandlung.

Maria G. habe begonnen, ein Kopftuch zu tragen, sporadisch eine Moschee in Salzburg besucht und Familienfeiern gemieden, weil dort Alkohol getrunken werde. Die Mutter hielt das für eine "Such-Phase" einer Teenagerin.

"Sie haben alle Angst"

Am 28. Juni 2014 reiste die damals 17-Jährige ohne das Wissen ihrer Eltern über den Flughafen Salzburg über die Türkei nach Syrien, wo sie sich dem sogenannten "Islamischen Staat" angeschlossen haben soll. Dort soll sie zumindest zweimal verheiratet worden sein – und sie bekam zwei Kinder.

Nach dem militärischen Zerfall des IS landete Maria G. zunächst im Lager Al-Hol und ist nun im Camp Al-Roj im kurdisch verwalteten Norden Syriens. Seit 2017 soll sie gegenüber den Eltern Rückkehrwünsche äußern.

"Sie haben alle Angst", sagte der Vater vor Gericht. Seine Tochter würde seine Enkelkinder meist im Zelt lassen und sie selbst unterrichten, weil sie nicht wolle, dass die Kinder Kontakt zu anderen im Lager hätten. Die Kinder könnten sich radikalisieren, so die Befürchtung - nicht nur die der Eltern, die den Prozess teils unter Tränen genau verfolgten. 

"Man merkt schon, dass sie angeschlagen, traumatisiert ist von dem, was passiert ist", meinte die Mutter. Die Eltern reisten selbst mehrmals nach Syrien, um ihre Tochter zunächst erfolglos zu suchen und dann zu besuchen. Das letzte Mal waren sie im Juli 2023 dort.

"Es scheitert am politischen Willen"

Die Besuche gelangen mithilfe des Politikwissenschaftlers Thomas Schmidinger, der auch an der Universität im kurdischen Nordirak unterrichtet und zu den kurdischen Regionen und zu Radikalisierung forscht.

Video: Schmidinger über Lage der IS-Österreicher

Er wurde am Freitag per Video aus dem Irak zugeschaltet und schilderte die Lage in den Camps. Es handle sich um "Internierungslager" bestehenden aus Zelten in einer wüstenähnlichen Gegend. Die Versorgung mit Medizin und Lebensmittel sei prekär. Es sei ein Haftzustand, bei dem kein zeitliches Ende absehbar sei.

"Sie sitzt da lieber in Österreich in Haft und weiß, wann die Haft zu Ende ist", meinte Schmidinger. Das sei im Übrigen auch für Österreich sicherer, denn Mutter und Kinder könnten sich im Lager weiter radikalisieren oder eines Tages selbstständig flüchten.

Der Experte meinte, dass es allein am politischen Willen scheitere, die Österreicherin zurückzuholen. Die Kurden würden nur eine Erklärung verlangen, dass sich Maria G. in Österreich einem rechtsstaatlichen Verfahren stellen müsse. Das sei in Österreich ja der Fall. Auch zahlreiche andere Länder hätten Personen aus den Lagern zurückgeholt.

Außenministerium widerspricht

Eine Darstellung, die das Außenministerium so nicht ganz gelten lassen wollte. Ein Botschafter – allerdings in Österreich stationiert - sagte als Auskunftsperson aus. Warum Maria G. nicht mehr zur Fahndung ausgeschrieben sei und wie man dann den kurdischen Behörden überhaupt versichern könne, dass es zu einem Verfahren komme, kritisierte der Botschafter in einem kurzen Schlagabtausch mit Anwältin Hawelka.

Diese erklärte, dass keine Tatbegehungsgefahr mehr gesehen werde – es aber sehr wohl noch ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Salzburg gebe.

Zweifel an Zuständigkeit

Der Botschafter zweifelte dann daran, dass überhaupt das Außenministerium zuständig sei. Schließlich könnte etwa das Justizministerium besser Auskunft über etwaige Strafverfolgung geben und die Kurden würden keine Erklärung von einem Außenministerium fordern, sondern von einem Staat.

Eine von den Kurden geforderte Erklärung könne etwa auch der Bundespräsident abgeben, so die Auskunftsperson. Er merkte dann aber an, dass er nicht befugt sei, zu beurteilen, welche andere Behörde zuständig sein könnte und brachte dennoch auch eine Auslieferung an Österreich ins Spiel.

Wie gelingen Rückholungen?

Jedenfalls, so der Botschafter, sei das Konsularrecht nicht das geeignete Mittel, es beinhalte kein subjektives Recht von Staatsbürger:innen. Man müsse berücksichtigen, dass Maria G. trotz Reisewarnung freiwillig ausgereist sei und dass österreichisches Personal in Syrien gefährdet wäre.

Notpässe für die Familie würden aber in der zuständigen Botschaft in Beirut bereit liegen. Das Problem: Diese würden immer nur für wenige Tage gelten und Rückholaktionen seien langwierig.

Grundsätzlich seien Rückholung von Kindern ohne Eltern anders zu beurteilen, führte der Botschafter aus. In diesen Fällen brauche es nur die Zustimmung der Eltern und eine Erklärung Österreichs, dass man die Kinder rückführen werde.

Rechtsextremer aus Kabul geholt?

Österreich holte auch schon vier Kinder aus Lagern in Syrien zurück. Das sei aber nicht einfach und durchaus gefährlich gewesen, so der Botschafter. Militärische "Dienste" würden in solchen Fällen mitverhandeln und in einem Fall hätten österreichische Beamte im kurdischen Teil Syriens sogar eine Art Pressekonferenz geben müssen, wo sie sich dankbar für die Rückgabe der Kinder zeigen hätten müssen.

Würde man eine erwachsene Person über den Irak aus Syrien holen, könnte diese im Irak auch weglaufen, argumentierte der Botschafter. Beamte des Außenministeriums könnten sie dort nicht zwingen, in den Flieger zu steigen.

Hawelka konfrontierte die Auskunftsperson auch mit dem Fall Herbert Fritz – ein österreichischer Rechtsextremist, der in Afghanistan festgenommen und wieder zurückgeholt wurde. Das sei nur mithilfe eines Drittstaats gelungen, so der Botschafter.

Das Außenministerium sah aber ein, dass die Lage im Camp verheerend sei und die Kinder schutzbedürftig seien. Die Mutter müsse jedoch zustimmen, dann könne man zumindest prüfen, ob man konsularische Hilfe leisten könne.

Verhärtete Fronten, Entscheidung folgt

Hawelka argumentierte hingegen, dass der Schutz der Kinder so wichtig sei, dass man auch die Mutter holen müsse, wenn diese sich nicht von diesen trennen wolle. Maria G. war bei der Ausreise minderjährig und hätte das Land ohne Zustimmung der Eltern gar nicht verlassen dürfen. Der Bescheid des Außenministeriums sei rechtswidrig.

Weiterhin verhärtete Fronten also im Fall Maria G.. Eine Entscheidung gab es am Abend noch nicht, diese wird schriftlich ergehen. Allerdings dürfen beide Parteien bis 11. Juli noch weitere Stellungnahmen einbringen.

Dann kann die Richterin selbst entscheiden, den Bescheid ans Außenministerium zurückschicken oder dem Bescheid zustimmen.

Video: Steierin mit Kind im IS-Camp

ribbon Zusammenfassung
  • Auf den Tag genau vor zehn Jahren reiste die damals 17-jährige Maria G. zum sogenannten Islamischen Staat nach Syrien.
  • Nun lebt sie mit ihren zwei Kindern in einem Gefangenenlager und möchte zurück.
  • Das Außenministerium will sie aber nicht holen.
  • Am Freitag wurde der Fall erstmals vor Gericht behandelt.
  • Das Außenministerium gewährte dabei spannende Einblicke in andere Rückholaktionen.
  • PULS 24 war vor Ort.