Gewalt bei Jungen: Politik oder Schulen in der Pflicht?

Vermeintliche ethnische Konflikte an Orten wie dem Wiener Handelskai oder steigende Suspendierungen an Schulen versetzen sowohl Politiker:innen als auch Bildungsexpert:innen in Sorge. Äußern sich nun die Folgen einer säumigen Integrationspolitik auf Bundes- und Länderebene? Muss man die Schulen in die Pflicht ziehen? An einer Ursachenforschung und an Präventionsmaßnahmen versuchten sich am Dienstag die Gäste beim Pro und Contra Spezial live aus der Millenium City.

Eine Rauferei am Wiener Handelskai hatte sich Anfang Februar in das Einkaufzentrum Millenium City verlagert. Pfefferspray und Steine waren im Spiel. Wie ein PULS 24 Lokalaugenschein zeigte, soll sich der Handelskai zum Schauplatz von einer Art Revierkämpfen oder ethnischer Konflikte entwickelt haben.

Die Vermutung, dass man integrationspolitische Präventionsmaßnahmen verabsäumt hat, teilt Kenan Güngör, Soziologe und Integrationsexperte, im Pro und Contra Spezial live aus der Millenium City nicht. Er meint, dass die Gewalt in Wien zurückgegangen, die Sensibilisierung aber gestiegen ist. 

Bund oder Länder in der Verantwortung? 

Anders sieht das die ehemalige Wiener Stadträtin Ursula Stenzel (FPÖ). "Natürlich ist die Gewalt gestiegen", lenkt sie ein. Man würde dies an den Zahlen sehen, sagt sie. "Wir haben das Thema nicht im Griff". Die Zahl der tatverdächtigen Jugendlichen in Österreich habe sich zuletzt erhöht. 

Doch aus der Kriminalstatistik abzuleiten, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund kriminell sind, greife laut Berivan Aslan, Sprecherin für Menschenrechte der Grünen, zu kurz. Man müsse das "gesamtgesellschaftlich" angehen - sie sieht die Bundespolitik in Verantwortung. Nico Marchetti, Sprecher für Studenten und Schüler der ÖVP, spielt den Ball aber der Stadt Wien bzw. der Lokalpolitik zu

"Migrationshintergrund allein führt nicht zu Gewalt"

Ansetzen müsse man aber nicht bei der Frage, wer Schuld hat am Status Quo, so Güngör. Vielmehr müsse man der Stigmatisierung ein Ende setzen. "Der Migrationshintergrund allein führt nicht zu mehr Gewalt", hält er fest. Erst in der Verknüpfung mit anderen Faktoren, würde sich Gewaltbereitschaft erhöhen.

Es spiele laut ihm vor allem die Gesellschaft, aus der man kommt, eine Rolle. "Es gibt Gesellschaften, wo ein anderes Männerbild herrscht oder wo es eine gewisse Stolz-Kultur gibt. Die finden dann in Wien nicht die Räume, wo sie das ausleben können, und dann sehen sie ein würdeloses Leben und es entsteht Frust", erklärt er. 

Die meisten Jugendlichen mit Gewalterfahrungen kämen aus schlechteren sozialen Lagen, auch heimische Kinder würden unter diesen Umständen zu ähnlichen Handlungen bereit ein, stellt er unter Berufung auf seine Recherchen klar. 

Bildung in der Pflicht? 

Stenzel sieht in allen diesen Entwicklungen ein "Verfallen der Integrationspolitik" und lenkt auch zu den Schulen ein. Wiens Bildungsdirektor Heinrich Himmer verweist auf die bereits getätigten Maßnahmen, abseits von Suspendierungen, um Gewalt an Schulen zu minimieren. "Es braucht auch die Erziehungsberechtigten. Wenn die nicht bereits sind, ziehen wir die Kinder- und Jugendhilfe hinzu oder auch die Polizei", erklärt er und nimmt damit auch Lehrer:innen in Schutz. 

Vor allem die Schulen wurden aufgrund von erhöhten Suspendierungen in die Pflicht genommen. Die Idee von Timeout-Klassen, die teils auch schon umgesetzt sind, oder von mehr Sozialarbeit steht im Raum. Fakt ist aber, es brauche "effektive Gewaltprävention" auf allen Ebenen, betont Aslan. 

ribbon Zusammenfassung
  • Vermeintliche ethnische Konflikte an Orten wie dem Wiener Handelskai oder steigende Suspendierungen an Schulen versetzen sowohl Politiker:innen als auch Bildungsexpert:innen in Sorge.
  • Äußern sich nun die Folgen einer säumigen Integrationspolitik auf Bundes- und Länderebene? Muss man die Schulen in die Pflicht ziehen?
  • An einer Ursachenforschung und an Präventionsmaßnahmen versuchten sich am Dienstag die Gäste beim Pro und Contra Spezial live aus der Millenium City.