EU-Rechnungshof sieht Klima- und Energieziele gefährdet
Bis 2030 will die EU ihre Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 senken ("Fit für 55"). Dass das Teilziel auf diesem Weg 2020 gemäß einer Erfolgsmeldung der Kommission von Oktober 2022 erreicht werden konnte, führt der EU-Rechnungshof vor allem auf externe Faktoren und selektive Berechnungen zurück. So habe die Finanzkrise und die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass die Energieeffizienzziele erreicht wurden. Vorläufige Daten zu den Emissionen im Jahr 2021 deuteten mit einem Anstieg um fünf Prozent jedoch "auf einen erheblichen Rebound-Effekt" durch die Erholung der Wirtschaft hin.
Zudem seien bei der Bestimmung der EU-Treibhausgasemissionen für 2020 jene nicht berücksichtigt, "die durch den Handel, die Verlagerung von CO2-Emissionen und den internationalen Luft- und Seeverkehr verursacht wurden" (was gemeinsam ein geschätztes Plus um zumindest 10 Prozent ausmachte). Man sei aber "der Auffassung, dass alle von der EU verursachten Treibhausgasemissionen berücksichtigt werden sollten", wurde Joëlle Elvinger, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Europäischen Rechnungshofs, in einer Mitteilung zitiert. "Dies ist wichtig, da die EU sich verpflichtet hat, beim Übergang zur Klimaneutralität eine weltweite Vorreiterrolle zu übernehmen."
Auch bei den beiden weiteren Kernzielen, nämlich der angestrebten Erhöhung des Anteils der Energie aus erneuerbaren Quellen (erreicht wurden 22,1 statt der zumindest angestrebten 20 Prozent) und bei der Förderung der Energieeffizienz bzw. der Verringerung des Energieverbrauchs (erreicht wurden 24,6 statt 20 Prozent) seien die Teilziele für 2020 erreicht worden, heißt es in dem Prüfbericht. Um die für 2030 gesteckten Ziele zu erreichen, seien jedoch deutlich mehr Anstrengungen vonnöten.
Wo diese am Effizientesten ansetzen könnten, ist unklar, denn die Prüfer beklagen auch große Informationsdefizite. "Die Kommission hat nur zum Teil einen Überblick darüber, welche Maßnahmen sich bei der Erreichung der Ziele für 2020 bewährt haben", heißt es. Es fehlten "Informationen über die Kosten und Wirkungen der Maßnahmen. Ebenso fehlen Daten zur finanziellen Belastung des EU-Haushalts, der nationalen Haushalte und der Privatwirtschaft infolge der Verwirklichung der EU-Ziele."
Die Summen, um die es dabei geht, sind enorm: Die EU hatte sich verpflichtet, mindestens 30 Prozent ihrer Haushaltsmittel für den Zeitraum 2021-2027 für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben, das sind rund 87 Milliarden Euro pro Jahr. "Dieser Betrag entspricht weniger als 10 Prozent der Gesamtinvestitionen, die zur Erreichung der Ziele für 2030 erforderlich sind und auf etwa 1 Billionen Euro pro Jahr veranschlagt werden", heißt es in dem Bericht. "Die übrigen Investitionen sollen aus nationalen und privaten Mitteln aufgebracht werden." Ein Überblick darüber fehle jedoch völlig. Zudem sei zu erwarten, dass etwa der Ukraine-Krieg auf die Umsetzung der ambitionierten Ziele und die Bereitstellung der nötigen Mittel negativen Einfluss haben werde.
Auch sei zu wenig klar, wie genau die EU-Länder ihre verbindlichen nationalen Ziele erreicht hätten. So hätten einige ihre Ziele nicht allein aus eigener Kraft erreicht, sondern durch den Kauf von Emissionszertifikaten oder Anteilen erneuerbarer Energie von anderen Mitgliedstaaten, die ihre Zielvorgaben übertroffen hatten. "Wir brauchen mehr Transparenz über die Leistung der EU und der Mitgliedstaaten bei ihren Maßnahmen zur Erreichung der Klima- und Energieziele", fordert daher Elvinger.
Im globalen Vergleich sind die EU-Anstrengungen allerdings beachtlich: Während die weltweiten Emissionen im Zeitraum 1990-2019 um 57 Prozent zugenommen haben, sind die Emissionen der EU-27 um 26 Prozent gesunken, heißt es in dem Bericht. Im gleichen Zeitraum sei in China eine Zunahme um 259 Prozent, in Indien um 166 Prozent registriert worden. Österreich befindet sich mit der Reduktion seiner Treibhausgasemissionen seit 2005 um 20 Prozent übrigens im unteren Drittel der EU-Mitgliedsstaaten.
Gemäß den EU-Vorschriften mussten die Mitgliedstaaten auf 10 Jahre angelegte integrierte nationale Energie- und Klimapläne (NEKPs) für den Zeitraum 2021 bis 2030 vorlegen. Österreichs NEKP wurde im Dezember 2019 unter der Ministerin Maria Patek beschlossen. In dem Plan sind rund 300 Maßnahmen angeführt, die zur vorgeschriebenen Reduktion führen sollen, wobei aber für das vollständige Erreichen etwa des Emissionsziels für 2030 nur möglichen Szenarien angeführt waren. Die Übergangsregierung habe es zwar gut gemeint, "aber gut gemeint wird nicht ausreichen um die EU-rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Es gibt daher deutlichen und raschen Nachbesserungsbedarf", kritisierte damals Leonore Gewessler als stellvertretende Klubobfrau der Grünen.
Heute ist Gewessler als Ministerin dafür verantwortlich, dass Österreich wie die anderen Mitgliedsstaaten bis 30. Juni einen aktualisierten Entwurf des NEKPs vorlegt, der den seither durch das "Fit for 55"-Paket von 2021 und den Vorschlags für "REPowerEU" von 2022 verschärften EU-Reduktionszielen Rechnung trägt. "Die Arbeiten zur Erstellung des nationalen Energie- und Klimaplans laufen aktuell im Klimaschutzministerium. Sobald sie abgeschlossen sind, werden wir die Ergebnisse präsentieren und die vorgesehene öffentliche Konsultation starten. Dazu wird der Entwurf natürlich auch mit der EU-Kommission abgestimmt und hier Rückmeldung eingeholt", hieß es dazu gegenüber der APA aus dem Ministerium. "Der finale Plan muss bis Juni 2024 an die Kommission übermittelt werden."
(S E R V I C E - Bericht im Volltext unter www.eca.europa.eu )
Zusammenfassung
- Zudem sei zu erwarten, dass etwa der Ukraine-Krieg auf die Umsetzung der ambitionierten Ziele und die Bereitstellung der nötigen Mittel negativen Einfluss haben werde.
- Auch sei zu wenig klar, wie genau die EU-Länder ihre verbindlichen nationalen Ziele erreicht hätten.
- "Wir brauchen mehr Transparenz über die Leistung der EU und der Mitgliedstaaten bei ihren Maßnahmen zur Erreichung der Klima- und Energieziele", fordert daher Elvinger.