Rauch, Knall. Mayday
Swiss-Notlandung in Graz: Erster Zwischenbericht gibt Details
Zwischen dem Auftreten erster Probleme und der Landung lagen rund 21 Minuten, geht aus dem Bericht hervor, der von der österreichischen Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) veröffentlicht wurde.
Bei dem Flug am 23. Dezember des Vorjahres lief bis 16.30 Uhr alles planmäßig. Die Maschine, ein Airbus A220, war gerade auf 40.000 Fuß Flughöhe, umgerechnet etwa 12.200 Meter, unterwegs. Um 16.32 Uhr kam es plötzlich zu einer ersten Fehlermeldung im Cockpit der beiden Piloten: Es handelte sich um "L ENGINE FAULT" sowie den zusätzlichen Hinweis "79 L ENGINE FAULT- OIL DEBRIS ABOVE LIMIT".
Übersetzt wurden ein Ausfall des linken Triebwerks und Probleme mit dem Ölsystem dieser Turbine angezeigt, erklärte das österreichische Luftfahrtmagazin "Austrian Wings".
Rund eineinhalb Minuten später löste die "Master Caution" im Cockpit aus, begleitet von der Meldung" ENG VIBRATION", welche die Crew auf starke Triebwerksvibrationen hinweisen soll.
Zeitgleich gab es einen lauten Knall, der auch von Passagieren und Flugbegleitern unüberhörbar wahrgenommen wurde. Es gab eine weitere "Master Caution" samt der Meldung "L ENG OPER DEGRADED". Weniger als 30 Sekunden später nahmen die Piloten auch Rauch im Cockpit wahr und legten ihre Sauerstoffmasken an, was bei jeglicher Art von Rauch von den Piloten sofort zu machen sei, erklärte "Austrian Wings".
"Mayday-Call" des Kapitäns
Gleich danach, um 16.34 Uhr, ertönte die "Master Warning". Diese Warnung hat eine höhere Priorität als die "Master Caution". Auslöser war ein Rauchmelder auf einer der Toiletten, der Alarm schlug. Es erschien die Warnung "LAV SMOKE" (für Lavatory Smoke) im Cockpit, gefolgt vom viermaligen akustischen Hinweis auf Rauch durch die Computerstimme: "Smoke, smoke, smoke, smoke!" Gleich darauf wurde erneut "Master Warning" ausgelöst.
Eine neue Meldung wies auf einen niedrigen Öldruck im linken Triebwerk hin: "L ENG OIL PRESS". Daraufhin erklärte der Kapitän nur Sekunden danach über Funk durch Absetzen eines "Mayday-Calls" eine Luftnotlage, meldete Rauch im Cockpit und das Einleiten eines Sinkfluges.
Um 16.35 Uhr wies der Kapitän die Kabinenbesatzung an, sich auf ihre Plätze zu begeben und sich auf eine mögliche Notlandung vorzubereiten. Zu diesem Zeitpunkt war die Position des Flugzeugs etwa 23 nautische Meilen nordöstlich von Graz.
Um 16.36 Uhr, also rund zwei Minuten nach Erklärung einer Luftnotlage, verlangten die Piloten von der Flugsicherung eine sofortige Landung auf dem Flughafen Graz-Thalerhof. Die Masken für die Passagiere wurden nicht ausgelöst, da sie für den Fall von Rauch an Bord ungeeignet sind und die Situation noch verschlimmert hätten, meinte "Austrian Wings" in seinem Artikel. Die drei Flugbegleiter legten ihre für solche Fälle vorgesehenen "Smokehoods" an.
Zwei von sechs Türen bei Evakuierung nicht geöffnet
Um 16.37 Uhr schalteten die Piloten das linke Triebwerk gemäß Checkliste ab. Man flog nur noch mit einem Triebwerk. Um 16.40 Uhr, also acht Minuten nach Auftreten der ersten Probleme und vier Minuten nach Erklärung der Luftnotlage, wurden die Passagiere vom Kapitän über die Situation informiert.
Um 16.53 setzte die Maschine auf der Piste 34C in Graz auf und die Piloten bremsten den Jet rasch ab. Etwa 30 Sekunden nach der Landung machte der Kapitän auf Englisch eine Ansage an die Kabinenbesatzung, sich für eine mögliche Evakuierung bereit zu halten.
Um 16.54 Uhr fuhren die Piloten auch das verbliebene rechte Triebwerk herunter. Unmittelbar danach, um 16.55 Uhr, befahl der Kapitän über Lautsprecher die Einleitung einer Evakuierung des Flugzeugs über die Notrutschen. Aus Sicherheitsgründen wartete er damit solange, bis das verbliebene rechte Triebwerk abgeschaltet war.
Insgesamt wurden vier der sechs Türen des Flugzeuges für die Evakuierung geöffnet. Die Türen vorne und hinten rechts wurden während der Evakuierung nicht benutzt, geht aus dem Zwischenbericht hervor: "Die Untersuchung der unbenutzten Türen ist noch nicht abgeschlossen." Es sei noch unklar, ob die Türen nicht geöffnet wurden oder ob sie geklemmt hatten.
Weitere Untersuchungen nötig
Bei der Unfalluntersuchung wurde das linke Triebwerk demontiert und technisch untersucht, ehe es für weitere Untersuchungen zum Hersteller Pratt & Whitney in die USA verschifft wurde. Die bisherigen Untersuchungsergebnisse belegen Schäden am vorderen Antriebssystem sowie an den Lagern Nummer zwei und Nummer vier.
Weitere metallurgische Tests und Bauteilanalysen seien Teil der Untersuchung, die sowohl in Österreich als auch in den USA durchgeführt würden. Die Triebwerke wurden offenbar entsprechend den geltenden Verfahren gewartet. Noch untersucht werden auch die "Smokehoods" der Besatzung.
So soll geklärt werden, ob ein Defekt an einer der "Fluchthauben" vorlag oder ob möglicherweise ein Bedienfehler zum Tod des jungen Flugbegleiters führte. Die Ursache für die Probleme am Triebwerk ist indessen noch immer nicht klar.
Tod von Flugbegleiter beschäftigt weiter
Die Swiss teilte am Dienstag auf APA-Nachfrage mit, dass der Tod des Kollegen sie nach wie vor sehr beschäftige: "Wir wollen wissen, was passiert ist, deshalb begrüßen wir jede neue Erkenntnis und jede Maßnahme, die dabei hilft, Antworten zu finden. Der Zwischenbericht bringt für uns allerdings keine neuen Erkenntnisse. Intern laufen unsere eigenen Untersuchungen weiter. Wir werden nicht ruhen, bevor wir die Antworten haben, die wir, unsere Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Angehörigen so dringend suchen. Auch arbeiten wir mit der SUB weiterhin eng zusammen und unterstützen sie nach wie vor uneingeschränkt."
Der Airbus A220 der Swiss war am 23. Dezember mit 74 Passagieren und fünf Besatzungsmitgliedern auf dem Weg von Bukarest nach Zürich, als der Jet wegen Triebwerksproblemen und Rauchs in der Kabine in Graz notlanden musste. Mehrere Personen, darunter auch die Crew-Mitglieder, wurden teils schwer verletzt. Ein 23-jähriger Flugbegleiter starb später im Spital. Es handelt sich um den bisher folgenreichsten Zwischenfall in der Firmengeschichte der Swiss.
Video: Flugzeuge kollidierte in den USA
Zusammenfassung
- Nach der Notlandung eines Swiss-Flugzeugs in Graz und dem Tod eines Crew-Mitglieds liegt nun ein erster Zwischenbericht zur Ursachenermittlung vor.
- Dieser zeigt, dass sich der Zwischenfall an Bord innerhalb weniger Minuten zu einer prekären Situation entwickelt hatte.
- Zwischen dem Auftreten erster Probleme und der Landung lagen rund 21 Minuten, geht aus dem Bericht hervor, der von der österreichischen Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) veröffentlicht wurde.