APA/GEORG HOCHMUTH

Wien-Wahl

Kurswechsel oder Kalkül? Die FPÖ und die Wiener Türken

18. März 2025 · Lesedauer 6 min

Bei der Wien-Wahl versucht die FPÖ gezielt, die türkische Community als Wähler:innen zu gewinnen. Angesichts früherer verbaler Angriffe auf Migrant:innen türkischer Herkunft kommt diese Annäherung überraschend.

Im Zuge des Ibiza-Skandals erlebte die FPÖ bei der Wien Wahl im Herbst 2020 einen dramatischen Absturz: Mit 7,11 Prozent landeten die Freiheitlichen auf dem fünften Platz – ein Verlust von rund 24 Prozentpunkten im Vergleich zur vorherigen Wahl. Aktuelle Umfragen deuten darauf hin, dass sich die Zahl der FPÖ-Wähler:innen bei der Wahl am 27. April allerdings wieder verdreifachen könnte. 

Dennoch liegt die Wiener FPÖ unter ihrem Vorsitzenden Dominik Nepp noch weit entfernt vom Wahlsieg in der Bundeshauptstadt. Auch das Rekordergebnis aus dem Jahr 2015, als die Partei unter Heinz-Christian Strache noch 30,79 Prozent erzielte, werden die Freiheitlichen bei der kommenden Wien-Wahl wohl nicht knacken. 

Türkische Medien und ATIB

Mehrere Berichte des "Profil" legen nun allerdings nahe, dass die Freiheitlichen eine neue Wählergruppe in der Bundeshauptstadt für sich gewinnen wollen. Demnach gehe die FPÖ bewusst in der türkischstämmigen Community auf Stimmenfang. Das Nachrichtenmagazin berichtete etwa von einer vermeintlichen Pressekonferenz für türkische Medien im FPÖ-Klub im Wiener Rathaus. 


Auf Anfrage von PULS 24 widersprach die Wiener FPÖ der Darstellung, dass es sich bei dem Termin um eine Pressekonferenz gehandelt habe. Vielmehr sei es ein Interview-Termin mit türkischen Medien gewesen. 

Auch von der Teilnahme von Leo Lugner, Bezirksobmann der FPÖ Mariahilf und Schwiegersohn des verstorbenen Baumeisters Richard Lugner, beim Fastenbrechen des türkisch-islamischen Dachverbands ATIB in Wien berichtete das "Profil" zuletzt. Der Verband steht immer wieder in der Kritik, da er als verlängerter Arm des türkischen Präsidenten Recep Erdoğan gilt.

Nepp kritisierte ATIB noch im Wahlkampf 2020, da dieser "tief im Islamistensumpf" stecke und "jegliche westliche Grundwerte wie Meinungsfreiheit oder Gleichberechtigung von Mann und Frau" ignoriere. Er forderte damals, ein Verbot des Verbandes zu prüfen. Am Montag wies Nepp in der "ZiB2" Verbindungen zu ATIB zurück und betonte, dass Lugner "als Privatmann" an der Veranstaltung teilgenommen habe. 

FPÖ-Werbesujets auf türkischen Plattformen

In den vergangenen Tagen erschienen zudem FPÖ-Werbesujets mit Nepp, Lugner und Maximilian Krauss, dem Klubchef der Wiener FPÖ, auf dem türkischsprachigen Portal "Avusturya Gündemi". Dort heißt es unter anderem, dass die Zahl der türkischstämmigen Wähler:innen in Wien, die die FPÖ unterstützen, täglich steige.

In dem Beitrag wird neben "LGBT-Propaganda" an Wiener Schulen auch das Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 Jahren kritisiert, das die neue Bundesregierung umsetzen will. Das Portal betont, dass türkischstämmige Österreicher in den letzten zwölf Monaten keine negativen Erfahrungen mit der FPÖ gemacht haben und diese der "einzige Ausweg" sei. 

Die FPÖ Wien betonte, nichts von der Werbeschaltung gewusst zu haben. Laut "Profil" steckt hinter der Anzeige jener türkische Gastronom, der am vergangenen Donnerstag auch den Interviewtermin für türkische Medien im FPÖ-Klub organisiert hatte. Für die Werbeanzeigen soll der Gastronom 4.000 Euro bezahlt haben.

Verbale Angriffe in der Vergangenheit

Die FPÖ Wien dementierte in den letzten Tagen mehrfach, gezielt in der türkischstämmigen Community auf Stimmenfang zu gehen. Das Vorgehen der Freiheitlichen erinnert jedoch an die Zeit unter dem ehemaligen Parteichef Heinz-Christian Strache, der in Wien bewusst die serbische Community umwarb.


Dass die FPÖ auch Menschen mit Migrationshintergrund, über die sie vielfach herzieht, anzusprechen versucht, ist also grundsätzlich nichts Neues. Eine Annäherung an die türkischstämmige Community würde jedoch einen Kurswechsel für die Freiheitlichen in Wien darstellen, da in der Vergangenheit immer wieder Stimmung gegen Türk:innen gemacht wurde.

"Kalifat", "türkisches Blut"

Neben seiner Kritik an ATIB ortete Nepp 2023 etwa ein "Kalifat", nachdem in Wien-Favoriten der Wahlsieg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan lautstark gefeiert wurde.

Bereits 2013 sorgte Krauss, damals noch in seiner Rolle als geschäftsführender Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) Wien, mit einer Aussage für Aufregung. Der jetzige Klubchef der Wiener FPÖ erklärte damals in einer Aussendung, dass "nicht einmal die dritte Generation türkischer Immigranten" Teil der österreichischen Gesellschaft sei.

Zudem forderte er den damaligen Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) auf, Zuwanderer mit "türkischem Blut" in ihre Heimat zurückzuschicken.

Nepp: "Kein Wahlmanöver"

Laut dem türkischsprachigen Portal "SN Media" habe Nepp bei dem Interviewtermin am vergangenen Donnerstag betont, dass klar zwischen Asylweber:innen und integrationswilligen Zuwander:innen unterschieden werden müsse. Letztere gelte es in Österreich zu unterstützen.

"Unsere Haltung ist stets gleich geblieben. Das ist kein Wahlmanöver. Wenn Menschen hierherkommen, sich integrieren, Deutsch lernen, arbeiten und Teil der Gesellschaft werden, ist das eine positive Sache. Wenn es als FPÖ Punkte gibt, die wir unterstützen können, tun wir das gerne", wird der Wiener FPÖ-Chef zitiert. 

Annäherung löst Unmut aus

Bereits in der vergangenen Woche kritisierte der ehemalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache das Vorgehen seiner Ex-Partei. Im Gespräch mit PULS 24 warf Strache der FPÖ eine "Anbiederung an den politischen Islam" vor und sprach von "einem Tabubruch und Verrat aller freiheitlichen Wähler".


Auch die Wiener ÖVP ortet einen "prinzipienlosen Stimmenfang" der Freiheitlichen. "Die FPÖ verkauft ihre Wähler für Stimmen des organisierten politischen Islam - ohne jede Scham", so Parteichef Karl Mahrer. Wohl auch in der Hoffnung, Wähler:innen aus der freiheitlichen Ecke gewinnen zu können, bezeichnete es als einen "Verrat an der eigenen Basis", dass die FPÖ nun jene Gruppen umarme, die sie in den vergangenen Jahren attackiert habe. 

Tatsächlich dürfte die Annäherung an die türkische Community auch innerhalb der Partei bzw. des eigenen ideologischen Lagers für Unmut sorgen und nicht bei allen freiheitlichen Wähler:innen gut ankommen. Bereits in der vergangenen Woche veröffentlichte das Rechtsaußen-Portal "Der Status" einen Leserbrief mit dem Titel "Ist die FPÖ Wien neuerdings tatsächlich daham beim Islam?". Darin ist von einem "überraschenden Kurswechsel" und "Wertespagat" der FPÖ Wien die Rede. 

Video: Nepp droht "Standard"

Zusammenfassung
  • Die FPÖ versucht bei der Wien-Wahl gezielt türkische Community anzusprechen und als Wähler zu gewinnen.
  • Angesichts verbaler Angriffe auf Migrant:innen türkischer Herkunft in der Vergangenheit kommt die Annäherung überraschend.