Die Hälfte des Südsudan ist seit 2020 dauernd unter Wasser
Vor allem die nördlichen Bundesstaaten - Jonglei, Upper Nile sowie Eastern Equartoria und Central Equartoria - sind betroffen. Zusätzlich herrscht in anderen Bundesstaaten massive Dürre, wie Sophia Mohammed, Südsudan-Länderdirektorin von "Licht für die Welt", der Fachorganisation für Menschen mit Behinderungen, im Gespräch mit der APA sagte. "Speziell für Menschen mit Behinderungen gibt es riesige Herausforderungen."
"Die Wege sind zerstört. Die Versorgungssicherheit ist ein großes Problem. Die Menschen können nichts kultivieren, und wenn, macht das Wasser es kaputt", schilderte Mohammed. Humanitäre Hilfe steht im Vordergrund.
Doch auch in den von Dürre betroffenen Gebieten ist die Lage extrem prekär. "Die Menschen sind genötigt, in andere Regionen umzuziehen, oder flüchten sich in Lager für Binnenflüchtlinge (Internally Displaced People Camps - IDP Camps, Anm.)", umriss die "Licht für die Welt"-Länderdirektorin die Situation. "In diesen Gebieten hätte die Regenzeit im Juni oder Juli beginnen sollen. Heuer startete sie sehr spät und nur in geringem Ausmaß."
Die Lage ist zu einem Gutteil menschengemacht: "Das Umschneiden von Bäumen ist sehr weit verbreitet in diesen Regionen. Die Bewohner machen Holzkohle aus diesen Bäumen", erzählte Mohammed. Das nicht nachhaltige Abholzen von Bäumen zur Holzkohle-Produktion ist ein großes Problem in zahlreichen Staaten Afrikas. Die Bäume, die in den Wurzeln große Mengen Wasser speichern können und die Bodenqualität etwa durch Erhöhung des Stickstoffgehalts verbessern, werden nicht nachgepflanzt. Statt so die Folgen des Klimawandels minimieren zu können, wird die Gefahr größer.
"Der Klimawandel betrifft das ganze Land. Und die Regierung hat dafür keine Aufmerksamkeit, sie muss mit der humanitären Krise umgehen", sagte Mohammed. "Man lebt nur mit dem Problem."
Die überschwemmten Gebiete bringen zahlreiche Gesundheitsgefahren mit sich. Verunreinigtes Wasser schürt die Sorge vor Cholera-Ausbrüchen. Eines der größten Probleme in den überschwemmten Gebieten ist Gefahr durch Schlangenbisse. Durch Angriffe von Giftschlangen erhöht sich auch die Zahl der Menschen mit körperlichen Behinderungen. Um Gebissenen das Leben zu erhalten, werden ihnen nicht selten Gliedmaßen amputiert. Das wiederum erhöht den Bedarf medizinischer Behelfe massiv, wie Mohammed erläuterte.
"Licht für die Welt" versucht, in Zusammenarbeit mit den klassischen humanitären Hilfsorganisationen Unterstützung für Menschen mit Behinderungen in deren Programmen zu implementieren. Dabei geht es um die Verteilung von Nahrungsmittel, aber auch um Vorkehrungen für die Evakuierung im Akutfall. Auch Kinder mit Behinderungen sind besonders gefährdet, so Mohammed. Sie leiden besonders unter Unterernährung. "Wir bilden humanitäre Agenturen aus, damit sie diese Gruppe in ihre Programme inkludieren."
Dazu kommen gerade in den Trockengebieten Ausbildungsmaßnahmen für drei Monate, damit sich Menschen mit Behinderungen selbstständig machen und ihre Familien versorgen können. "Doch die Identifikation von Menschen mit Behinderungen ist schwierig. Wir arbeiten mit den Gemeinden, religiösen Führern, den Chefs der Volksgruppen und auch mit den Regierungen zusammen", betonte die Südsudan-Länderdirektorin von "Licht für die Welt".
Der Südsudan hat ein weiteres Problem, das die Lage insbesondere für Menschen mit Behinderungen prekär macht: die andauernde politische Unsicherheit. "Wir erwarten nächstes Jahr eine Wahl und die Bevölkerung ist beunruhigt deswegen", betonte Mohammed. Denn es gibt genügend Erfahrungen dazu: 2013 wurde in dem Bürgerkrieg eine Augenklinik zerstört. "2015 und 2016 verloren wir wegen des Konflikts besonders viele Kinder mit der Nickkrankheit (eine tödlich endende neurologische allmählich fortschreitende Erkrankung, die fast nur bei Kindern auftritt und psychische sowie physische Behinderung hervorruft, Anm.)." Dazu kommt, dass nach wie vor zahlreiche Minen und Bomben im Land liegen und bisher nicht abtransportiert oder zumindest entschärft wurden.
Dass gerade Menschen mit Behinderungen in bewaffneten Konflikten besonders in Gefahr schweben, war laut Sophia Mohammed auch im jüngst ausgebrochenen Krieg im Sudan zu merken. "Bis zu 75.000 Südsudanesen (die wegen des Bürgerkriegs in ihrem Land in den nördlichen Nachbarstaat geflüchtet waren, Anm.) sind vom Sudan zurückgekommen. Die Mehrheit kam in IDP-Lagern bei Juba unter. Darunter befanden sich 7.200 Erwachsene und Kinder mit Behinderungen", schilderte Mohammed. "Was diese uns erzählten, war, dass gerade die meisten Menschen mit Behinderungen zurückgelassen wurden."
Diejenigen, die sich in IDP-Lager retten können, müssen mit fürchterlichen Zuständen rechnen. "Die Lage ist schrecklich", schilderte Charles Chieng, der damalige Lager-Manager des Mangatheen 1-Camps, bei einem Besuch einer "Licht für die Welt"-Delegation im vergangenen Februar. Rund 4.000 der insgesamt 14.500 Lagerbewohner waren damals Kinder, und nur 4.000 Insassen offiziell registriert.
Wer dort überleben will, braucht Geld - für alles. Chieng sagte, dass alle Lagerbewohner das Camp jederzeit verlassen könnten, aber ein Taxi oder ein Boda Boda - ein Motorradtaxi - sind zu bezahlen. Auch für das Gesundheitswesen ist zu bezahlen: "Wer in einem Spital Hilfe sucht, muss erstens den Transport zahlen und zweitens die Behandlung. Wenn man Glück hat, kann man sich von Verwandten etwas borgen."
Selbst Wasser kostet Geld: Ein Becher umgerechnet 15 (Euro-)Cent, ein Kanister, mit dem man einen Tag über die Runden kommt, 1,50 Euro. "Wenn du Geld hast, kannst du Wasser kaufen. Wenn du keins hast, kannst du dir von deinem Nachbarn etwas borgen", schilderte Chieng. Wenn der Nachbar auch keines hat, gibt es eben kein Wasser. Das Wasser kommt übrigens mit dem Lastwagen, Leitungswasser gibt es nicht. Dazu kommen Hygieneprobleme und Bandenkriminalität.
(S E R V I C E - Spenden online unter https://www.licht-fuer-die-welt.at/ )
Zusammenfassung
- Nun, im Südsudan sind seit 2020 vier der zehn Bundesstaaten unter Wasser, und damit beinahe die halbe Landesfläche.
- "Licht für die Welt" versucht, in Zusammenarbeit mit den klassischen humanitären Hilfsorganisationen Unterstützung für Menschen mit Behinderungen in deren Programmen zu implementieren.
- Der Südsudan hat ein weiteres Problem, das die Lage insbesondere für Menschen mit Behinderungen prekär macht: die andauernde politische Unsicherheit.