Anschlag von Wien: Kontaktmann vor Abschiebung
Er war über Jahre eine zentrale Figur der heimischen Dschihadisten-Szene – und auch der Wiener Attentäter verkehrte regelmäßig mit dem jungen Nordmazedonier. Im Oktober vergangenen Jahres wurde der mittlerweile 25-Jährige des Verbrechens der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation schuldig gesprochen. Der Beschuldigte nahm das Urteil damals an, die Staatsanwaltschaft ging allerdings in Berufung. Am 18. Jänner erhöhte das Oberlandesgericht die Haftstrafe auf 27 Monate. Das sorgte für einen Dominoeffekt.
Vor Abschiebung
Zusätzlich zu den 27 Monaten wurden laut einer gemeinsamen Recherche von PULS 24, dem "Der Standard" und der APA die Bewährung einer fünfmonatigen Strafe wegen Diebstahl widerrufen. Damit hätte er insgesamt 32 Monate absitzen müssen.
Daraufhin wiederum leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufenthaltsbeendende Maßnahmen in die Wege, zumal der Nordmazedonier weiter radikales Gedankengut propagieren soll und von den Behörden nach wie vor als "Gefährder" eingestuft wird. Da es sich bei ihm um einen Drittstaatsangehörigen handelt, erließ das BFA eine Rückkehrentscheidung. Mit dieser wird der irreguläre Aufenthalt des Mannes festgestellt und diesem eine Rückkehrverpflichtung samt zehnjährigem Einreiseverbot auferlegt wurde.
Damit löste sich auch die Rechtsgrundlage für die Fußfessel in Luft auf. Bis vor wenigen Tagen verbüßte der 25-Jährige seine Reststrafe im elektronisch überwachten Hausarrest, nun sitzt er wieder in der JA St. Pölten in Haft und wird laut den Recherchen vorerst österreichischen Boden nicht mehr als freier Mann betreten.
Wer ist das "Alpha-Tier von St. Pölten"?
Der Nordmazedonier wurde zwölf Stunden nach dem Anschlag von Wien mit vier Todesopfern und 23 zum Teil schwer verletzten Personen am 2. November 2020 festgenommen. Er war den Behörden kein Unbekannter.
- 2012 meldet die Schule, die er besuchte, eine HTL für Informatik, dem Verfassungsschutz radikalislamische Tendenzen bei ihm.
- 2016 nimmt er an einer Veranstaltung der Dawah-Gruppierung IMAN in der St. Pöltner Fußgängerzone teil, bei den Ermittlungen dazu wird das LVT Niederösterreich auf die salafistisch geprägte Organisation ANSAR aufmerksam – er war der Gründer und Betreiber.
- Wenige Wochen später fällt er dem Verfassungsschutz als "führende Ansprechperson" für religiöse Fragen bei einer Gruppierung auf, die "vom Gebetsraum der Universitätsklinik St. Pölten aus versuchte, Rekrutierungen für die terroristische Vereinigung Islamischer Staat" durchzuführen. Im März 2017 wird er festgenommen, aber freigesprochen.
- Ebenfalls 2017 lernt er den späteren Attentäter in der "Mesdzid et Tewhid"-Moschee in der Wiener Murlingengasse kennen. Sie halten Kontakt, der Attentäter besucht ihn regelmäßig in St. Pölten.
- 2019 werden dem Verdächtigen Diebstähle nachgewiesen.
- Im Juli 2020 nimmt er bei einem internationalen Treffen deutscher und Schweizer Dschihadisten und dem Wiener Attentäter in Wien teil – das Treffen wird mehrere Tage vom BVT überwacht. Einen Tag nach dem Treffen versucht der Attentäter im Ausland Munition zu kaufen.
- Ab August 2020 ist er Mieter einer Genossenschaftswohnung in der St. Pöltner Birkengasse, gemeldet bleibt er bei seinen Eltern. Als am 23. November 2020 die Wohnung durchsucht wird, werden "zahlreiche islamische Schriften", eine Tafel an der Wand und drei Matratzen auf dem Boden gefunden. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Verdächtige dort radikalislamische Thesen lehrte, er selbst wird von Arabisch-Unterricht berichten und auch sagen, dass der spätere Attentäter öfter in der Wohnung gewesen ist.
Zusammenfassung
- Zuletzt wurde im Jänner die Strafe des auch als "Alpha-Tier von St. Pölten" bekannten Nordmazedoniers auf 27 Monate erhöht und eine sechsmonatige Bewährungsstrafe widerrufen.
- Laut gemeinsamen Recherchen von PULS 24, "Der Standard" und der APA wird er direkt aus der Haft in die Schubhaft verlegt und abgeschoben.