APA/APA/Naturkundemuseum Stuttgart/Günter Schweigert

150 Mio. Jahre alter Schlangenstern-Klon entdeckt

So wie viele andere Stachelhäuter (Echinodermata) können Schlangensterne Körperteile nachwachsen lassen. Zudem haben manche Arten die Fähigkeit zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung (Fissiparie). Dabei teilt sich das Tier und aus den Körperhälften entstehen zwei neue Organismen - also Klone. Ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung beschreibt nun ein 150 Mio. Jahre altes Fossil eines Schlangensterns, der sich kurz vor seinem Tod geklont hat.

Bei Ausgrabungen im Nusplinger Plattenkalk in Baden-Württemberg entdeckte ein Team des Museums für Naturkunde Stuttgart (Deutschland) 2018 das Fossil eines Schlangensterns. In der Region erstreckte sich in der Jura-Zeit vor rund 150 Mio. Jahren eine sauerstoffarme Lagune eines tropischen Meeres, in der sich Schicht für Schicht Kalkschlamm ablagerte. In diesem wurden zahlreiche Tiere nach ihrem Tod eingeschlossen und schließlich als detailreiche Fossilien konserviert. Auch das Fossil des - mit ausgestreckten Armen nicht einmal drei Zentimeter großen - Schlangensterns weist eine unglaubliche Detailtreue auf.

Hervorstechendes Merkmal des Schlangensterns, der von den Forschern um den Paläontologen Ben Thuy vom Nationalmuseum für Naturgeschichte in Luxemburg der auch heute noch vertretenen Gattung Ophiactis zugeordnet wurde, ist sein uneinheitlicher Körperbau. Während drei Arme vergleichsweise groß und mit Stacheln besetzt sind, zeigen sich die anderen drei Arme deutlich dünner, kürzer und geringer ausgreift, mit weniger ausgeprägten Stacheln.

"Grundsätzlich haben die heute lebenden Stachelhäuter eine fünfstrahlige Symmetrie, im Fall der See- und Schlangensterne also auch fünf Arme", erklärte Andreas Kroh, stellvertretender wissenschaftlicher Geschäftsführer und Kurator der fossilen Stachelhäuter-Sammlung am Naturhistorischen Museum Wien (NHM), gegenüber der APA. Doch diese Symmetrie sei in manchen Gruppen etwas aufgeweicht, diese können auch mehr Arme haben.

Bei manchen Schlangen- und Seestern-Gruppen hängt eine höhere oder niedrigere Zahl an Armen auch mit ihrer Fähigkeit zur asexuellen Fortpflanzung zusammen. "Sie schnüren dabei ihren Körper ab und teilen ihn in zwei Hälften, die jeweils die fehlenden Körperteile regenerieren können", sagte Kroh. Dabei könnten auch Individuen mit vier bis sieben Armen entstehen. Auch wenn ein Körperteil etwa beim Angriff eines Räubers verloren geht, kann die Regenerationsfähigkeit unter bestimmten Bedingungen dazu führen, dass mehrere Arme nachwachsen - was auch schon in mehreren Fossilien beobachtet wurde.

Kroh hat mit seiner Kollegin Viola Winkler das Schlangenstern-Fossil mit dem Micro-CT des NHM untersucht und konnten dabei "bis in die im Detail erhaltene Körperscheibe des Tiers hineinschauen". Wie sie im Fachjournal "Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences" berichten, zeigte diese Untersuchung, dass die Sechsstrahligkeit auch innerhalb der Körperscheibe im Kieferbereich vorhanden ist und die Arme in regelmäßigen Winkeln von 60 Grad angeordnet sind. "Das zeigt, dass das Tier tatsächlich - auch vor der Teilung - sechsstrahlig war", und sich aller Wahrscheinlichkeit nach durch Fissiparie geklont hat. Die unterschiedlich großen Arme deuten darauf hin, dass sich das Tier zum Zeitpunkt seines Todes mitten in der Regeneration seiner Körperhälfte befand.

Wann diese klonale Fragmentierung passierte, sei schwer zu sagen, weil die Regenerations- und Wachstumsfähigkeit von vielen Faktoren wie etwa der Nährstoffverfügbarkeit abhänge. Das Tier dürfte sich mindestens einige Wochen vor seinem Tod geklont haben, es könnten aber auch einige Monate gewesen sein. Jedenfalls ist den Wissenschaftern anhand des Fossils der Nachweis gelungen, dass Stachelhäuter bereits vor 150 Mio. Jahren diese Art der asexuellen Fortpflanzung betrieben.

(S E R V I C E - Internet: https://doi.org/10.1098/rspb.2023.2832)

ribbon Zusammenfassung
  • Ein internationales Forscherteam hat ein 150 Mio. Jahre altes Fossil eines Schlangensterns entdeckt, der sich kurz vor seinem Tod klonierte.
  • Das Fossil wurde 2018 im Nusplinger Plattenkalk in Baden-Württemberg gefunden und zeigt eine ungleichmäßige Armstruktur, die auf eine klonale Fortpflanzung hinweist.
  • Die Untersuchung des Fossils mit dem Micro-CT des Naturhistorischen Museums Wien bestätigte die Sechsstrahligkeit des Tiers, was auf eine bereits vor 150 Mio. Jahren existierende asexuelle Fortpflanzung hinweist.