Gerald Karner WeltblickPULS 24

Karners Weltblick: AUKUS gegen China - und wo bleibt Europa?

China weitet seinen Einflussbereich weltweit stetig aus - zuletzt mit einem diplomatischen Coup zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Die USA, Großbritannien und Australien stellen sich dem im Pazifik sicherheitspolitisch entgegen. Und Europa?

Während die österreichische Öffentlichkeit vom Kampf um den Parteivorsitz der SPÖ und der Bildung einer Landesregierung in Niederösterreich ziemlich okkupiert ist, entwickeln sich die Parameter der globalen strategischen Machtverhältnisse gerade ziemlich dynamisch, auch abseits der Ereignisse im Krieg in der Ukraine.

China hat die Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses planmäßig beendet, die Führung des Landes besteht nunmehr ausschließlich aus Vertrauten bzw. Günstlingen von Staatspräsident Xi Jinping. Die beim Volkskongress aufflammende Kriegsrhetorik des Regimes wurde durch die Ankündigung einer (weiteren) Erhöhung des Verteidigungsbudgets um 7,1 Prozent durch konkrete Zahlen unterfüttert. China wird damit im nächsten Jahr 211 Milliarden Euro für Verteidigungszwecke ausgeben, wohl gemerkt nicht eingerechnet jene den Streitkräften zuzurechnenden Ausgaben, die in anderen Budgets verdeckt aufscheinen.

Chinas diplomatischer Coup

Während Russland seinen Handlungsspielraum durch den Überfall auf die Ukraine erheblich eingeschränkt hat, weitet China den seinen stetig und global aus. Von Afrika über Südamerika bis in den Mittleren Osten stärkt es seine Einflusszonen kontinuierlich. Und während sich die Aufmerksamkeit des Westens größtenteils auf den Krieg in der Ukraine richtet, präsentiert China das jüngste Ergebnis dieser Aktivitäten: die Vermittlung einer Annäherung zwischen dem Iran und Saudi Arabien. Auch wenn abzuwarten bleibt, wie nachhaltig diese sein und welche konkreten Auswirkungen dies auf die aktuellen Konflikte im Mittleren Osten zeitigen wird, ist der Schritt bemerkenswert.

Vor allem für Israel, das gehofft hatte, durch eine Annäherung an Saudi Arabien eine anti-iranische Koalition im Mittleren Osten zu schmieden, stellt er einen Weckruf dar. Die umstrittene Justizreform der Regierung von Premierminister Benjamin Netanyahu, mit der diese die Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofs gegenüber der Knesset einschränken will, stösst im Inland auf heftigen Widerstand immer größerer Kreise der Bevölkerung (darunter auch bereits in den Streitkräften) und auf zunehmende Kritik aus dem Ausland. Auch wenn Saudi Arabien und der Iran Rivalen bleiben werden und China möglicher Weise die langfristige Wirkmächtigkeit des Antagonismus zwischen Schiiten und Sunniten in den von diesen beiden Strömungen des Islam geleiteten Staaten unterschätzen mag: Israel und der Westen sind gut beraten, ihre diplomatischen Potenziale auch im Mittleren Osten wieder verstärkt einzusetzen.

Für den pazifischen Raum wurden indes grundlegende Übereinkünfte bekannt, welche die militärstrategische Lage dort für die nächsten Jahrzehnte fundamental prägen werden: Bei einem Treffen auf dem US-Flottenstützpunkt San Diego präsentierten US -Präsident Joe Biden, der britische Premierminister Rishi Sunak und der australische Premier Anthony Albanese am 13. März den Umfang der trilateralen Zusammenarbeit im Rahmen des im September 2021 geschlossenen AUKUS-Abkommens. Die Details der dabei bekannt gegebenen Kooperation gehen weit über seine militärpolitische Bedeutung hinaus.

Der große AUKUS-Deal

Was sind die Fakten? Australien, das seine Diesel-U-Boote ersetzen will, wird ab Anfang der 2030er Jahre zunächst drei in den USA gebaute, nuklear angetriebene Jagd-U-Boote (SSN) der Virginia-Klasse erhalten, mit einer Option auf zwei weitere. Davor beginnt noch in diesem Jahrzehnt die Entwicklung einer neuen Klasse von U-Booten für alle drei Seestreitkräfte unter britischer Leitung, die jedoch die neueste US-(Nuklear-)Technologie enthält.

Das erste Boot soll Ende der 2030er Jahre an die Royal Navy ausgeliefert werden, um die derzeitige SSN-Flotte zu ersetzen, während die Royal Australian Navy ihre ersten AUKUS-Boote Anfang der 2040er Jahre erhalten soll, dann bereits auch aus eigener Produktion. Ab sofort wird es verstärkte Besuchsaktivitäten, ab 2027 dann rotierende Stationierungen amerikanischer und britischer Boote in Australien geben, um australisches Personal hauptsächlich in der Handhabung nuklearer Schiffsantriebe einzuschulen und auszubilden. Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass – zumindest vorübergehend – auch Boote mit Besatzungen aus gemischten Nationalitäten sogar in Einsätze gehen könnten, ebenfalls eine revolutionäre Entwicklung für alle drei Nationen.

Mit den Maßnahmen des AUKUS-Pakts wird somit ein noch nie dagewesenes Maß an internationaler militärischer Zusammenarbeit und Interoperabilität zwischen mehreren Nationen erreicht. Vor allem aber die wirtschafts- und technologiepolitische Bedeutung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. So verfügt Australien aktuell nur über einen kleinen Forschungsreaktor, jedoch über etwa 40Prozent der weltweiten Reserven und ist einer der größten Exporteure von Uranerz. Von potenziell noch größerer Bedeutung sind aber die sonstigen im AUKUS-Paket enthaltenen Vereinbarungen im Bereich Künstlicher Intelligenz, der Entwicklung von Quantencomputern, von Cyberwarfare und fortschrittlicher Lenkwaffen.

Es ist klar, dass diese Maßnahmen sowohl eine Versicherung gegen eine immer stärker als Bedrohung empfundene Aufrüstung Chinas, als auch als Signal gesehen wird, dass man entschlossen und bereit ist, allfälligen Expansionsbestrebungen des Landes entgegenzutreten. Entsprechend scharf fielen die chinesischen Reaktionen aus.

Eher irrlichthaft nehmen sich noch die russischen Reaktionen aus. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf der "angelsächsischen Welt" vor, die "NATO-Infrastruktur" (!) in Asien voranzutreiben. Die Pläne, Australien U-Boote mit Atomantrieb zu liefern, würden viele Fragen in Bezug auf die Nichtverbreitung aufwerfen, ergänzte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Es handelt sich aber bei den U-Booten weder um "NATO-Infrastruktur", noch führen diese Atomwaffen mit, sondern sind nur nuklear angetrieben.

Und Europa?

Nun, was bedeutet das alles aber für Europa? Natürlich kann man zu militärischer Rüstung sehr unterschiedlicher Auffassung sein. Man wird aber zu respektieren haben, dass drei freie Nationen sich entschlossen haben, auf Basis ihrer Risiko- und Bedrohungsanalyse zur langfristigen Wahrung ihrer Sicherheitsinteressen eine enge trilaterale Kooperation einzugehen und die sich daraus ergebenden wirtschaftlichen und technologischen Vorteile zu lukrieren. Vor allem Australien bleibt damit (Mit-)Gestalter seiner sicherheitspolitischen Umfeldbedingungen.

Dass es dafür bereit war, sich mit einer Pönale von 555 Millionen Euro aus einem bestehenden Vertrag mit der französischen Naval Group herauszukaufen, der ein vergleichsweise banales Geschäft über die Lieferung französischer U-Boote an Australien umfasst hätte, sollte den Europäern Anlass sein zu überlegen, inwieweit die Kombination von wissenschaftlichem und technologischem Potenzial, von Wirtschaftskraft und Innovationsfähigkeit, aber auch des außen- und sicherheitspolitisches Gewichts im globalen Wettbewerb mit China und den USA noch den eigenen Interessen und dem eigenen Anspruch gerecht wird.

ribbon Zusammenfassung
  • China weitet seinen Einflussbereich weltweit stetig aus - zuletzt mit einem diplomatischen Coup zwischen Saudi-Arabien und dem Iran.
  • Die USA, Großbritannien und Australien stellen sich dem im Pazifik sicherheitspolitisch entgegen. Und Europa?