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Omikron: Was wir über die neue Corona-Variante wissen

Die neue Coronavirus-Variante Omikron sorgt weltweit für Besorgnis. Immer mehr Länder melden neue Verdachtsfälle mit B.1.1.529. Auch in Österreich gibt es bereits den ersten Fall. Der PULS 24 Überblick fasst die bisherigen Erkenntnisse zur Variante zusammen.

Erst seit Freitag ist weltweit überhaupt allgemein bekannt, dass es sie gibt - und schon mehren sich die internationalen Nachweise der Omikron-Variante (B.1.1.529) des Coronavirus. PULS 24 hat zusammengefasst, was bisher zu dieser Variante bekannt ist:

Wurde Omikron schon in Österreich nachgewiesen?

Die Coronavirus-Variante Omikron ist offiziell in Österreich angekommen: "Im Gesundheitsministerium liegen jetzt sämtliche Ergebnisse vor, die es für eine Bestätigung braucht", hieß es aus dem Ressort. Bei einem Fall aus Tirol handelt es sich "mit Sicherheit" um die Variante mit der wissenschaftlichen Bezeichnung B.1.1.529.

Die Tiroler Behörden hatten den Verdachtsfall am Samstagabend bekanntgegeben. Von der Infektion betroffen sei eine Person, die nach einer Südafrika-Reise positiv auf Covid-19 getestet wurde und derzeit keine Symptome aufweise. Laut Elmar Rizzoli, Leiter des Tiroler Corona-Einsatzstabes, wurden alle Kontaktpersonen umgehend abgesondert.

Auch in Vorarlberg könnte es nun eine erste Infektion mit der Omikron-Variante geben. Die Landespressestelle gab auf APA-Anfrage einen Verdachtsfall bekannt. Die betroffene Person sei von einer Reise aus dem südlichen Afrika zurückgekehrt. Ein durchgeführter Antigentest habe ein positives Ergebnis gebracht, das Ergebnis des PCR-Tests stehe noch aus, hieß es. Ist auch dieser positiv, muss die AGES in Wien eine Sequenzierung der Probe vornehmen.

Was unterscheidet Omikron von bisherigen Corona-Varianten?

Omikron trägt so viele Mutationen wie noch von keiner Variante zuvor bekannt, davon allein mehr als 30 beim Spike-Protein, über das das Virus an menschliche Zellen andockt. Gegen das Spike-Protein bildet der Körper bei einer Ansteckung mit dem Virus Antikörper. Auch viele der Impfstoffe regen das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein an. Hinzu kommen - neben weiteren mit unbekannten möglichen Folgen - die Mutationen nahe der schon genannten Furin Cleavage Site.

Kann die neue Variante klar abgegrenzt werden?

Ja. Die neue Variante ist mit einem Test relativ leicht von der derzeit vorherrschenden Delta-Variante zu unterscheiden. Im Gegensatz zu Delta hat das neue Virus eine Veränderung, die als "S-Gen-Ausfall" bekannt ist.

Ist Omikron ansteckender?

Sicher sagen lässt sich das noch nicht. B.1.1.529 hat Mutationen in der Nähe der sogenannten Furin Cleavage Site, einer Region, die eine Rolle bei der Aufnahme des Virus in menschliche Zellen spielt. Eine verbesserte Übertragbarkeit durch diese Änderungen sei denkbar, erklärt der Berliner Virologe Christian Drosten. Sicher nachgewiesen sei sie bisher nicht. Aus den Zahlen in Südafrika allein lasse sich nicht zwingend auf eine erhöhte Übertragbarkeit schließen, unter anderem da das Infektionsgeschehen dort zuletzt stark reduziert gewesen sei und neu auftretende Ausbrüche vor so einem sehr kleinen Hintergrund übergroß erscheinen könnten.

Inzwischen mehren sich allerdings die internationalen Verdachtsfälle und Nachweise - obwohl zumeist erst seit Freitag gezielt nach Omikron gesucht wird. Die Variante könnte sich also schon weitaus stärker verbreitet haben als bisher bekannt. Als ein Hinweis auf höhere Übertragbarkeit lässt sich ein Fall in Hongkong werten, zu dem die Details genau bekannt sind, weil er in einer Quarantäne-Unterkunft passierte: Nach Angaben der Hongkonger Regierung hat ein Reisender aus Südafrika die Variante mitgebracht und sie trotz strenger Isolation an einen 62-Jährigen im gegenüberliegenden Zimmer weitergegeben. Mögliche Ursache: kein ausreichender Mundschutz beim Entgegennehmen von Essen durch die Hoteltür. Beide Männer wiesen demnach eine sehr schnell ansteigende, rasch sehr hohe Viruslast auf.

Wie läuft der Nachweis von Omikron?

Mit einem herkömmlichen PCR-Test lässt sich lediglich feststellen, ob eine Infektion mit Sars-CoV-2 vorliegt, nicht mit welcher Variante. Daneben gibt es variantenspezifische PCR-Testungen, mit denen sich bereits bekannte Virusvarianten wie Delta erkennen lassen. Dabei werden charakteristische Mutationen meist innerhalb des Spike-Proteins mittels PCR erfasst. Omikron weist eine bestimmte Veränderung auf, die sich dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge in einzelnen diagnostischen Tests ähnlich wie bei der Alpha-Variante darstellen kann. Alpha ist derzeit in Deutschland und anderen Ländern kaum noch verbreitet, die Variante wurde von Delta weitgehend verdrängt - was einen Nachweis von Omikron bei anschlagendem Test wahrscheinlich macht. Bis zu einem speziell für Omikron geschaffenen Test gebe aber nur eine Gesamtgenomsequenzierung absolute Sicherheit, heißt es vom RKI.

Können sich auch Geimpfte mit Omikron infizieren?

Auch bei geimpften Personen dürfte es Infektionen und Covid-19-Erkrankungen geben, "wenn auch in einem kleinen und vorhersehbaren Verhältnis", heißt es laut WHO. Zudem arbeitet die WHO nach eigenen Angaben mit technischen Partnern zusammen, um die Auswirkungen der Variante auf die bestehenden Gegenmaßnahmen wie Impfstoffe zu bewerten. Es sei noch unklar, ob B.1.1.259 leichter übertragbar verglichen mit anderen Covid-19-Varianten sei oder einen schwereren Krankheitsverlauf nach sich ziehe.

Auch der Virologe Norbert Nowotny geht davon aus, dass die Impfung wohl auch bei einer Infektion mit Omikron vor einer schweren Erkrankung weitgehend schützen wird. Er empfiehlt deshalb auch die Boosterimpfung. Es sei aber davon auszugehen, dass die neue Variante wohl die Ansteckungen ansteigen lasse, meint Nowotny im PULS 24 Interview. 

Virologe Norbert Nowotny von der VetMedUni Wien spricht mit PULS 24 u.a. auch über die neue Corona-Variante.

Wie gut wirken die derzeitigen Impfstoffe?

Erste Laboruntersuchungen der Hersteller dazu laufen derzeit, mit Ergebnissen wird in etwa zwei Wochen gerechnet. Die genetischen Eigenschaften lassen Experten jedenfalls um den Impfschutz bangen: B.1.1.529 hat Mutationen an mehreren dafür entscheidenden Stellen. "Nach derzeitigem Ermessen sollte man davon ausgehen, dass die verfügbaren Impfstoffe grundsätzlich weiterhin schützen", so Virologe Christian Drosten. Gerade der Schutz gegen schwere Erkrankungen sei besonders robust gegen Virusveränderungen.

Auch bei verringerter Wirksamkeit bleibe die Impfung die beste Option, betonte Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI). "Alle Menschen, die sich impfen lassen, fangen nicht bei null an, wenn sie sich mit einer neuen Variante infiziert haben." Sie hätten auf jeden Fall schon einen gewissen Impfschutz, das sei entscheidend zu wissen. Dem Berliner Infektionsimmunologen Leif Erik Sander zufolge hat Omikron zwar viele Veränderungen an Stellen, an denen gerade die besten Antikörper binden können. "Aber unser Körper bildet eine Unmenge an verschiedenen Antikörpern." Hinzu kämen spezielle Zellen der Immunabwehr, die in der Regel ganz andere Stellen erkennen als die Antikörper. "Also wir haben immer ein Netz und einen doppelten Boden", sagte der Immunologe der Berliner Charité.

Sylvia Nanz, Medizinische Leiterin bei Pfizer Österreich, spricht im Interview mit PULS 24 über Omikron.

Bei den bisherigen Varianten habe sich gezeigt, dass der Impfschutz trotzdem gut wirke, sagt auch Sylvia Nanz, medizinische Leiterin bei Pfizer Österreich. "Es ist absolut nicht zu erwarten, dass der Impfschutz gar nicht wirkt", sagt sie im PULS 24 Interview. Hierfür müsste das Virus ein "vollkommen anderes sein". Denkbar sei aber, dass die Wirkung des Impfschutzes etwas nachlasse. Der Schutz vor einem schweren Verlauf sei bei den bisher bekannten Virusvarianten aber gegeben. 

Sollte doch eine Anpassung des Impfstoffs notwendig werden, seien bereits erste Vorbereitungen getroffen worden. Denn man habe für diesen Fall bereits beim Auftauchen der anderen Varianten vorgesorgt. Auf Basis der bisher getroffenen Vorkehrungen geht Manz von einem Zeitrahmen von rund drei Monaten zur Anpassung des Grundkonzepts eines neuen geänderten Impfstoffs aus.

Können Genesene erneut durch Omikron erkranken?

"Die Genom-Veränderungen weisen darauf hin, dass dieses Virus einen Immunescape zeigen könnte", erklärt Christian Drosten. Auch das Fallgeschehen in Südafrika lasse plausibel erscheinen, dass Omikron eine gegen andere Sars-CoV-2-Versionen aufgebaute Immunabwehr umgehen könnte: Die derzeit nachgewiesenen Infektionen fänden in sehr großem Maße bei vorher bereits Genesenen statt - es stecken sich also Menschen an, die schon mit Delta oder einer anderen Variante infiziert waren. Dies allein könne im Fall von Südafrika auch schon eine Erklärung für eine relativ zum vorher zirkulierenden Delta-Virus erhöhte Übertragbarkeit sein. Wichtig zu wissen ist aber auch, wie Drosten betont: Für einen kompletten Ausfall des Immunschutzes wären nach wissenschaftlichem Kenntnisstand noch "bedeutend viel mehr Mutationen" im Spike-Protein erforderlich.

Ist der Krankheitsverlauf schwerer?

"Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise", betont Drosten, Leiter der Virologie in der Berliner Charité. Nach Angaben der Mediziner-Vereinigung SAMA in Südafrika erkrankten die dort Betroffenen bisher nicht schwerwiegender. Allerdings stehen die Analysen dazu noch am Anfang, Südafrika hat zudem andere Grundvoraussetzungen - etwa eine andere Altersstruktur - als Länder wie Deutschland. Hinzu kommt, dass sich in Südafrika großteils Menschen infizierten, die schon von einer anderen Variante genesen waren, also schon einen gewissen Immunschutz haben. Aussagen über den Krankheitsverlauf seien derzeit nicht möglich, sagt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI). "Dazu haben wir momentan einfach zu wenige Fälle."

Gerald Gartlehner, Epidemiologe an der Donau-Uni Krems, spricht mit PULS 24 über die neue Corona-Variante.

Was sagt die WHO?

Von der neuen Coronavirus-Variante Omikron geht nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein weltweit insgesamt "sehr hohes" Risiko aus. Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren globalen Ausbreitung sei groß, warnte die WHO am Montag. Es sei mit steigenden Covid-19-Fallzahlen zu rechnen. In einigen Gebieten drohten ernsthafte Folgen.

Wie ist diese Variante entstanden?

Wie die neue Virusvariante entstanden ist, sei noch nicht vollends geklärt, meint Molekularbiologe Ulrich Elling im PULS 24 Interview.  Zwei Modelle werden derzeit favorisiert, wie Elling verrät: "Die Variante könnte sich in einem Tier aufgehalten haben, dort über die Zeit Mutationen angesammelt haben und dann wieder auf den Menschen zurückgesprungen sein." Sie könnte sich aber auch in einer immunsupprimierten Person befunden haben und dort mehr und mehr Mutationen angehäuft haben, so Elling weiter.

Der Molekularbiologe meint außerdem, dass es durchaus möglich sei, dass die Variante bereits weiter verbreitet sei, als aktuell bekannt ist. Das rasche Handeln der WHO gebe jedoch Hoffnung, dass man die Variante besser eingrenzen könne.

Molekularbiologe Ulrich Elling spricht im PULS 24 Interview  über die neue Virus-Variante B.1.1.529.

Wann wurde die neue Variante entdeckt?

Am Dienstag (23. November) haben südafrikanische Wissenschaftler in Proben, die zwischen dem 14. und 16. November entnommen wurden, eine kleine Anzahl der Covid-19-Variante mit der Bezeichnung B.1.1.529 entdeckt.

Am vergangenen Mittwoch sequenzierten südafrikanische Experten weitere Genome, also das Erbgut des Virus. Im Anschluss erklärten sie der südafrikanischen Regierung, sie seien besorgt über die Funde. Zudem baten sie die WHO, sich damit zu beschäftigen.

Christoph Lehermayr, Journalist bei "missio.at" spricht im Interview mit PULS 24 über die Corona-Lage im Kongo.

Der geografische Ursprung von Omikron muss nicht in Südafrika liegen, wie Drosten erklärt. "Angrenzende Länder, die starke Reiseverbindungen mit Südafrika unterhalten, haben eine geringer ausgeprägte Virusüberwachung als Südafrika." Zudem liege der Flughafen Johannesburg in der Provinz, in der das Virus in Südafrika zuerst bemerkt wurde.

Nun sollen allerdings erste Hinweise darauf hindeuten, dass Omikron aus dem afrikanischen Staat Botsuana kommt. "Botsuana hat als erstes eine der Sequenzen identifiziert", sagt die Wissenschafterin Anne von Gottberg vom Nationalen Institut für Ansteckende Krankheiten NICD am Montag in Johannesburg. Die Wissenschafter des Nachbarstaates hätten ihre Erkenntnisse dann in eine international zugängliche Datenbank eingetragen. "Aber es brauchte noch weitere Sequenzforschungen um zu erkennen, was da passiert", erklärte von Gottberg.

Die Information aus Botsuana habe südafrikanischen Experten geholfen, nach weiteren Untersuchungen den steilen Anstieg der täglichen Infektionszahlen im eigenen Land mit der neuen Variante zu erklären. Südafrikas Gesundheitsminister Joe Phaahla infomierte am vergangenen Donnerstag die Öffentlichkeit über die Erkenntnisse.

Wo wurde die neue Variante gefunden?

Zunächst wurden in Südafrika etwa 100 Ansteckungs-Fälle mit der neuen Variante entdeckt, die meisten davon kommen aus der bevölkerungsreichsten Provinz Gauteng. Laut Wissenschaftlern deuten die Ergebnisse von Diagnose-Laboren darauf hin, dass es sich in Gauteng schnell verbreitet hat und möglicherweise auch schon in den anderen acht Provinzen Südafrikas präsent ist.

Es folgten vier Fälle der neuen Variante im Nachbarland Botswana. Dabei handelte es sich den Angaben zufolge um ausländische Bürger, die im Rahmen einer diplomatischer Mission Botswana angekommen waren und die das Land inzwischen wieder verlassen haben.

Danach wurden auch Fälle in Hongkong, Israel und Belgien bekannt – alles Reisende. Mit dem Fall in Belgien erreichte Omikron am Freitag auch Europa.

Warum heißt die neue Variante Omikron?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) benennt auffällige Varianten von Sars-CoV-2 seit einiger Zeit nach den Buchstaben des griechischen Alphabets. Damit soll verhindert werden, dass die Orte, an denen die Varianten erstmals auftreten, als Bezeichnung verwendet und sprachlich an den Pranger gestellt werden. Der Reihenfolge nach hätte nun Ny folgen sollen - doch die WHO ließ diesen und auch gleich den folgenden Buchstaben Xi aus. Warum? Ny, das auf Englisch Nu heißt, klinge zu sehr nach "new" (deutsch: "neu") und wäre daher missverständlich gewesen, hieß es dazu von der WHO. "Xi wurde nicht verwendet, weil es ein verbreiteter Nachname ist." Virus-Bezeichnungen sollten keine ethnischen oder regionalen Gruppen verletzen. Wobei Xi zwar in China und in Ländern mit Han-chinesischer Bevölkerung gebräuchlich ist, aber zumindest in China kein sehr häufiger Name. Es gibt allerdings einen sehr wichtigen Namensträger: den chinesischen Staatschef Xi Jinping.

ribbon Zusammenfassung
  • Die neue Coronavirus-Variante Omikron sorgt weltweit für Besorgnis. Immer mehr Länder melden neue Verdachtsfälle mit B.1.1.529. Auch in Österreich gibt es bereits den ersten Fall. Der PULS 24 Überblick fasst die bisherigen Erkenntnisse zur Variante zusammen.