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Arbeitnehmervertreter: Corona soll Berufskrankheit werden

Die Coronapandemie erfordert aus Sicht von Arbeiterkammer und ÖGB die Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit und eine Überarbeitung der Liste der Berufskrankheiten.

Ein erhöhtes Infektionsrisiko würde der Gesetzgeber derzeit nur im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich sehen. Supermarktangestellte, Reinigungskräfte oder Buslenker müssten eine "vergleichbare Gefährdung" nachweisen, damit ihre Erkrankung als Einstufung als Berufskrankheit in Frage kommt.

"Die Begrenzung auf wenige Unternehmenstypen muss gerade bei Covid-19 unbedingt entfallen, um eine umfassende Absicherung für alle ArbeitnehmerInnen in allen Branchen zu gewähren", forderte Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. In vielen Bereichen sei es nahezu unmöglich zu beweisen, wie die Ansteckung am Arbeitsplatz im Konkreten erfolgt sei, räumte AK-Direktor Christoph Klein ein.

Ingrid Reischl vom ÖGB im PULS 24 Talk.

Kundenkontakt entscheidend

Die Arbeitnehmervertreter fordern daher eine Erleichterung bei der Beweisführung zur Anerkennung von Corona als Berufskrankheit. Dies solle auch in Bereichen mit hochfrequentem Kundenkontakt wie Supermärkten oder Bäckereien gelten.

Unternehmen, die ihrer Meldepflicht nicht nachkommen, sollen mit Strafen rechnen müssen. Der Arbeiterkammer sind nach eigenen Angaben Fälle bekannt, in denen das nicht geschehen ist. "Es ist wesentlich, dass ArbeitgeberInnen hier ihrer Verpflichtung nachkommen. Denn ohne Meldung an die AUVA ist es für Betroffene um ein Vielfaches schwerer, den Status Berufskrankheit zu erlangen - und damit alle Vorteile, die dieser Status mit sich bringt", so Klein.

Darüber hinaus fordern AK und ÖGB auch eine Aktualisierung der Liste der Berufskrankheiten, zumal die letzte Überarbeitung bereits zehn Jahre zurückliege. Im Besonderen im Bereich des Bewegungs- und Stützapparates, etwa durch langjähriges Heben und Tragen, des weißen Hautkrebses durch solarbedingte UV-Exposition, des Karpaltunnelsyndroms und von arbeitsbedingten psychischen Krankheiten wie Burn-out.

220.000 leiden unter Long Covid

Wenig erforscht ist noch der Effekt von Long Covid in Österreich auf den Arbeitsmarkt. Halten Müdigkeit, Atemnot, kognitive Beeinträchtigung, Muskelschwäche oder Gelenkschmerzen auch nach einer überstandenen Covid-19-Infektion länger an, spricht die Fachwelt von Long Covid. In Österreich dürften zwischen 110.000 und 220.000 Personen darunter leiden, schätzen AK und ÖGB.

Long Covid als Berufskrankheit garantiert Reha oder Unfallrente

Bisher gibt es bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) etwa 15.000 dokumentierte Krankenstände aufgrund von Long Covid. Die durchschnittliche Dauer der Long-Covid-Krankenstände beträgt laut ÖGK 13 Tage, 80 Erkrankte seien bereits über sechs Monate im Krankenstand, die längsten Krankenstände würden bereits über ein Jahr dauern. "Darüber hinaus waren bereits rund 3.000 Erkrankte in Rehabilitation und leiden teilweise noch immer an den Folgen der Erkrankung", heißt es am Mittwoch in einer Aussendung der ÖGK.

 

"Viele Menschen infizieren sich am Arbeitsplatz mit Covid-19. Daher ist die Anerkennung der Erkrankung und der Folgeerkrankungen als Berufskrankheiten und/oder als Arbeitsunfall ein zentrales Anliegen. Dies darf nicht nur für Gesundheitsberufe gelten, sondern muss auf alle beruflichen Tätigkeiten angewendet werden", forderte ÖGK-Obmann Andreas Huss. SPÖ-Volksanwaltschaftssprecher Rudolf Silvan hat eine Petition ins Leben gerufen, um die Forderung nach Anerkennung von berufsbedingten Covid-19-Infektionen als Berufskrankheit zu untermauern.

Industrie und Wirtschaft winken ab

Eine Absage kommt hingegen von der Industrie. "Allgemeine Gesundheitsrisiken, von denen es unzählige gibt, jetzt auf einmal auf die Unternehmen abzuwälzen, steht im krassen Widerspruch zu unserem bisherigen System und ist auch sachlich falsch. Es ist lediglich ein Versuch, Betriebe weiter pauschal zu belasten. Diesen Ansatz lehnen wir vehement ab", sagte der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, am Mittwoch.

Auch die Wirtschaftskammer sieht Covid-19 nicht grundsätzlich als Berufskrankheit. "Berufskrankheiten sind klar als Krankheiten definiert, die typischerweise durch eine bestimmte Beschäftigung verursacht werden. Infektionskrankheiten wie Covid sind daher bereits eine Berufskrankheit für Berufe mit erhöhter Gefährdung, etwa in Krankenhäusern, Apotheken oder Schulen. Davon abgesehen sind Infektionskrankheiten wie Covid oder auch die Grippe keine Berufskrankheiten, weil sie eben nicht typischerweise durch die Beschäftigung verursacht werden bzw. die Ursache oft unklar bleibt", heißt es aus der WKÖ.

Eine Anerkennung von Corona als Berufskrankheit hätte etwa bei Long Covid den Vorteil einer monatlichen Rente oder auch einen besseren Versorgungsanspruch bei Heilbehandlungen und Rehabilitation, räumen AK und ÖGB ein. Bei einer Anerkennung als Berufskrankheit seien zudem Spät- oder Langzeitfolgen vom Versicherungsschutz gedeckt. Falls der erlernte Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, stünde einem auch eine Umschulung zu. Für den Aufenthalt in Rehabzentren oder bei Hilfsmitteln entfalle die Kostenbeteiligung. Für den Fall, dass Covid-19 zum Tod führt, sei eine finanzielle Absicherung der Hinterbliebenen vorgesehen.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Coronapandemie erfordert aus Sicht von Arbeiterkammer und ÖGB die Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit und eine Überarbeitung der Liste der Berufskrankheiten.
  • Ein erhöhtes Infektionsrisiko würde der Gesetzgeber derzeit nur im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich sehen.
  • Supermarktangestellte, Reinigungskräfte oder Buslenker müssten eine "vergleichbare Gefährdung" nachweisen, damit ihre Erkrankung als Einstufung als Berufskrankheit in Frage kommt.
  • "Die Begrenzung auf wenige Unternehmenstypen muss gerade bei Covid-19 unbedingt entfallen, um eine umfassende Absicherung für alle ArbeitnehmerInnen in allen Branchen zu gewähren", forderte Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB.
  • In vielen Bereichen sei es nahezu unmöglich zu beweisen, wie die Ansteckung am Arbeitsplatz im Konkreten erfolgt sei, räumte AK-Direktor Christoph Klein ein.
  • Die Arbeitnehmervertreter fordern daher eine Erleichterung bei der Beweisführung zur Anerkennung von Corona als Berufskrankheit. Dies solle auch in Bereichen mit hochfrequentem Kundenkontakt wie Supermärkten oder Bäckereien gelten.