APA/dpa/Roland Weihrauch

Kalsdorf bei Graz: Heftige Kritik an DPD-Verteilerzentrum

Das DPD-Verteilerzentrum Kalsdorf bei Graz steht derzeit unter heftiger Kritik: Zusteller, die dort über Subfirmen tätig sind, klagen über extreme Arbeitszeiten sowie schlechte Bezahlung.

Ein Zusteller arbeitete laut einem Bericht des "Standard" im April vergangenen Jahres durchschnittlich 15 Stunden, an mehreren Tagen bis zu 17 Stunden - und er legte dafür bis zu 370 Kilometer täglich zurück. Netto habe er in diesem Monat circa 5,20 Euro pro Stunde verdient. Dem "Standard" liege ein "Hundert Seiten Dokumente aus dem Logistikzentrum Kalsdorf bei Graz (Depot 0628)" vor. Darin beschwerten sich die Zusteller über zu lange Arbeitszeiten ohne Pausen, unbezahlte Überstunden, ausstehende Gehälter, Lohndumping und Sozialbetrug sowie dubiose Vertragskonstrukte. Stelle ein Zusteller ein Paket falsch oder zu spät zu oder halte sein Auto nicht sauber, müsse er 50 Euro Strafe zahlen. Besonders teuer werde es, berichtete der ORF, wenn ein Zusteller innerhalb von 6 Monaten kündige. Dann müsse er für die Einschulung 1.000 Euro bezahlen.

DPD wisse offenbar von Zuständen

Zusteller beginnen laut den Aufzeichnungen bereits um halb fünf, zu Weihnachten noch früher. Zuerst scanne er die Pakete und schlichte sie in seinen Transporter. Erst gegen acht Uhr fahre er los. Von 100 bis zu 350 Stopps müsse ein Zusteller pro Tag machen, wird einer im "Standard" zitiert. Die Zusteller arbeiten für gut 15 Subunternehmer im DPD-Depot, wobei die Mitarbeiter von ähnlichen Zuständen bei diesen Unternehmen berichteten.

Es deuteten viele Indizien darauf hin, dass DPD von den Zuständen weiß, berichtet der "Standard": "DPD liegen sämtliche Informationen vor, aus denen sich die Arbeitsbedingungen der Fahrer leicht ableiten lassen." Außerdem schreibe das Österreichische Postmarktgesetz vor, Statistiken unter anderem über Sendungsmengen, Aufgabe- und Zustellzeitpunkte, Beschäftigte und Subunternehmer zu erheben und an die Rundfunk- und Telekom Regulierungs GmbH zu übermitteln.

Vorwürfe zurück gewiesen

Wie in der Branche üblich, arbeite auch DPD mit Transportpartnern zusammen, erklärt DPD auf Nachfrage des "Standard". Die Vorwürfe könne man "nicht nachvollziehen" und weise diese "strikt zurück". "Eine faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit all unseren Geschäftspartner:innen ist uns äußerst wichtig. Wir achten sehr genau auf die Einhaltung aller geltenden gesetzlichen Vorschriften und prüfen diese sowohl regelmäßig als auch engmaschig durch interne und externe Spezialisten", bekräftigt DPD.

"Wie alle anderen Paketlogistiker auch, arbeiten wir mit Transportpartnern zusammen. Sie übernehmen die Zustellung der Pakete in bestimmten Gebieten und sind sowohl organisatorisch als auch wirtschaftlich eigenständige Logistikunternehmen, denen neben der Auslieferung der Pakete, auch die gesamte Tourendisposition (Toureneinteilung Zusteller:innen) obliegt", merkte Gebrüder Weiss Paketdienst als DPD-Gesellschafter und Betreiber dieses Depots auf Anfrage der APA an.

"Unsere Transportpartner verpflichten sich vertraglich dazu, alle geltenden Gesetze einzuhalten. Zudem kontrollieren wir deren Einhaltung laufend auf externer (Behörden) und interner (Audits) Basis." Die Vorwürfe würden sich auf die Aussagen einzelner Mitarbeiter eines Transportpartners stützen und seien nicht repräsentativ.

Moralisch bedenkliche Vereinbarungen

Die Gewerkschaft Vida bestätigte die Vorwürfe gegenüber dem ORF Steiermark. Die katastrophalen Zustände seien seit drei bis vier Jahren bekannt, sagte Gewerkschafter Hans-Peter Wikel. In der Regel handle es sich um Einzelunternehmer, die als Subunternehmer ausliefern. Meist handle es sich um ausländische Arbeitskräfte mit geringen Sprachkenntnissen, die nicht wüssten, welche Verträge sie unterschreiben.

Diese Zusteller seien oft bei der Krankenkasse nicht angemeldet und daher auch nicht versichert. Rechtlich seien diese Vereinbarungen zulässig. Moralisch bedenklich sei es. Daher fordere die Gewerkschaft zu besseren Rahmenbedingungen und strengere Kontrollen auf.

Forderung nach gesetzlicher Regelung

Philipp Brokes von der Arbeiterkammer Wien erklärte in der ORF-Nachrichtensendung "ZiB2", dass hier eine gesetzliche Regelung wie in Deutschland nötig sei, wo der Hauptauftraggeber für alle Subunternehmen hafte. Derzeit sei es so, dass die Transportunternehmen den Zustellern als Scheinselbstständigen erklären würden, dass Arbeitszeit- und Ruhegesetze für sie nicht gelten würden.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch schließt sich der Forderung nach einer Haftung des Hauptauftraggebers für alle Subunternehmen an. "Eine weitere Nachschärfung der Lohn- und Sozialdumpinggesetze gerade auch in Zusammenhang mit der Scheinselbstständigkeit ist jedenfalls dringend erforderlich, wie der aktuelle Fall beim DPD-Verteilzentrum Kalsdorf drastisch vor Augen führt", betonte Muchitsch am Freitag in einer Aussendung.

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  • Das DPD-Verteilerzentrum Kalsdorf bei Graz steht derzeit unter heftiger Kritik: Zusteller, die dort über Subfirmen tätig sind, klagen über extreme Arbeitszeiten sowie schlechte Bezahlung.