Sagenumwobenes São Paulo: Ein Grand Prix, viele Geschichten

39 Sekunden lang war Ferrari-Fahrer Felipe Massa Weltmeister. In der vierzigsten Sekunde ist Lewis Hamilton als Fünfter ins Ziel eingefahren, hatte damit einen Punkt mehr in der Gesamtwertung als der Lokalmatador Massa. Hamilton hatte damit auch seinen ersten Weltmeistertitel.

Die Momente danach haben sich in das kollektive Formel-1-Fan-Gedächtnis eingebrannt. Der Freudentaumel in der Ferrari-Garage riss mit einem Mal ab, während die McLaren-Mechaniker die Boxengasse stürmten.  

Hamilton verwehrte den brasilianischen Fans in Interlagos "ihren Weltmeister" und ist dort damit vor genau 15 Jahren und einem Tag mutmaßlich zum Feindbild Nummer 1 geworden. Sechs weitere Titel und ein wenig Wasser den Amazonas hinunter ist der gebürtige Brite mittlerweile aber doch auch brasilianischer Ehrenbürger. 

Mit dem Titel "Ehrenbürger" ist Hamilton auch seinem großen Idol, dem 1994 tödlich verunglückten Ayrton Senna, ein wenig näher. Der Brasilianer ist für viele der F1-Fahrer und Fans das Inbild von Motorsport und ein elementarer Bestandteil dessen Geschichte.

Hamilton würde ebenfalls gerne noch einmal Geschichte schreiben. Sieben Weltmeistertitel hat er bereits - und ist somit Michael Schuhmachers sieben Titeln gleich. Ein achter ist für den langjährigen Mercedes-Piloten dieses Jahr nicht mehr möglich.

Die Saison 2023 hat Max Verstappen im Red Bull dominant angeführt und für sich entschieden. Mit 16 Siegen in einer Rennsaison hat auch er Geschichte geschrieben. 

Auch für Red Bull Racing ist das in vielerlei Hinsicht geschichtsträchtige São Paulo ein emotional verknüpfter Ort. 2010 hat der österreichische Rennstall hier mit Sebastian Vettel immerhin zum ersten Mal die Konstrukteurs- und Fahrerweltmeisterschaft gewonnen. 

Brasilien: Gelb, Grün, Silber(pfeil)

Im letzten Jahr hat Mercedes-Fahrer George Russell in Interlagos zum ersten Mal in seiner Karriere einen Grand Prix gewonnen. Nach dem späten Erstarken der Silberpfeile in dieser Saison sieht man aber vor allem Lewis Hamilton als möglichen Bezwinger der "Bullen". Beobachter:innen sehen Brasilien als letzte Angriffsmöglichkeit für Mercedes.

Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist vorsichtig optimistisch: "Wir gehen mit dem Wissen dorthin, dass wir ein gutes Auto haben, und wenn wir alles richtig machen, können wir ein sehr starkes Wochenende haben."

Max Verstappen hat im F1-Pressegespräch am Donnerstag erklärt, dass die brasilianische Strecke nicht in die Stärken des Red-Bull-Autos spiele. Vor allem die langsamen Kurven sind für den RB19 verhältnismäßig schlechter. 

Ein gutes Ergebnis für Hamilton könnte auch einen zweiten Platz in der Fahrer-Gesamtwertung bedeuten. Den schwächelnden Sergio Pérez und Hamilton trennen lediglich 20 Punkte. Zwar läuft Pérez Vertrag noch bis 2024, der Verlust eines eigentlich sichergewogenen zweiten Platzes im dominanten Red Bull könnte den Mexikaner weiter unter Druck setzen. 

São Paulo bleibt bis 2030

Die Formel 1 gab noch vor dem ersten Freien Training am Freitag bekannt, dass der Autódromo José Carlos Pace der Königsklasse bis 2030 erhalten bleibt. "Brasilien hat ein solch großes Rennerbe, und dieser ikonische Kurs gehört zu den Favoriten der Fahrer und Fans auf der ganzen Welt", begründete F1-Geschäftsführer Stefano Domenicali in einer Mitteilung.

Beim ersten Freien Training am Freitag konnten Ferrari-Fahrer Carlos Sainz und Charles Leclerc die schnellsten Zeiten setzen. Der letztjährig ruhmreiche George Russell landete auf Platz drei.

FP1 wird Sprintformat-bedingt auch das einzige Freie Training an diesem Wochenende sein. Bereits am Freitagabend findet das Qualifying (18:30 Uhr/Servus ZV & Joyn) für das sonntägige Rennen statt. Am Samstag gibt es den Sprint-Shoot-Out (verkürzte Qualifying-Session) und anschließend das Sprint-Rennen für bis zu sieben mögliche Extrapunkte.