Nach EM-Sensation scheint für Österreich "alles möglich"
In einer der schwersten Vorrundengruppen holten Mykola Bilyk und Co. zwei Remis gegen die Weltklasseteams Kroatiens und Spaniens, Letztere warf man am Dienstag sogar aus dem Turnier. "Jetzt ist alles möglich", meinte Janko Božović, der den entscheidenden Ball im Finish versenkt hatte.
Die rot-weiß-roten Akteure schwebten nach dem dramatischen 33:33-Kraftakt gegen den Vize-Europameister förmlich durch die Mixed Zone der Mannheimer SAP-Arena. "Das ist unbeschreiblich", jubelte Routinier Robert Weber, seit der Heim-EM 2010 bei allen Endrunden an Bord.
Vier Tage nach dem Auftaktpflichtsieg über Rumänien bzw. zwei nach dem ersten Highlight, dem 28:28 gegen Kroatien, hatte sein Team das scheinbar Unmögliche möglich gemacht.
Seit dem 37:37-Remis gegen Island bei der Heim-EM 2010 hatte Österreich bei einer der dazwischen acht Endrunden nicht mehr über einen Punktgewinn gegen einen deutlich favorisierten Gegner jubeln dürfen - nun brachte man dieses Kunststück innerhalb von 48 Stunden gleich zweimal zuwege.
"Das ist mit Abstand das Schönste, das ich jemals erlebt habe", jubelte der 23-jährige Tormann Constantin Möstl, der im dritten Endrundenspiel seiner Karriere in der ersten Hälfte einige wichtige Bälle entschärfte, nach einem wahren "Gefühlskarussell".
Die Partie stand stets auf des Messers Schneide, Österreich glänzte aber nicht nur mit starker Defensivarbeit, sondern gerade im Angriff auch Ruhe und Köpfchen. "Emotionen, Kampf, aber auch der Kopf waren da", lobte Teamchef Aleš Pajovič, "in den schweren Minuten gegen Kroatien aber auch Spanien sind wir cool geblieben".
In Bilyk hatte man gerade in der zweiten Hälfte einen Leader, der die Situationen mehrmals erfolgreich im Alleingang löste. "Er hat das Szepter in die Hand genommen", lobte Möstl, Österreichs Kapitän selbst stellte die Mannschaftsleistung in die Auslage.
Vieles sei möglich, "wenn man alles reinhaut, wenn man als Team auftritt und dran glaubt, auch als kleine Nation, vielleicht nicht mit den größten Namen", erklärte Bilyk, seit Jahren Legionär des deutschen Topklubs THW Kiel.
Abwehrchef Lukas Herburger dachte an diesem Abend auch an die Vergangenheit, in der es nicht immer rund gelaufen war. Etwa vor zwei Jahren bei der EM in der Slowakei und Ungarn, als man sich in einer am Papier ungleich leichteren Vorrundengruppe mit Deutschland, Polen und Weißrussland nach einem glatten "Nuller" verabschieden musste.
"Wir haben in den vergangenen Jahren viel lernen dürfen, mussten auch Niederlagen einstecken. Ich habe das Gefühl, jetzt ernten wir das", meinte der Vorarlberger.
ÖHB-Sportdirektor Patrick Fölser, der an diesem Abend als Rekordfeldspieler von Robert Weber (219) abgelöst wurde, musste "sich zwicken. Das kannst du nicht in Worte fassen, das ist ein Wunder, dass Spanien nicht in die Hauptrunde kommt", meinte er angesichts des erstmaligen Vorrunden-Aus' des mehrfachen Welt- und Europameisters.
Für den ÖHB ist es schon jetzt eine der vier erfolgreichsten Endrunden in der Handball-Moderne, Topresultate sind die Plätze acht bzw. neun von den Heim-EMs 2020 und 2010, daneben gelang noch ein elfter Rang bei der EM 2014. Doch was ist noch möglich für die hoch motivierte Truppe?
"Wir haben Kroatien und Spanien einen Punkt abgenommen. Warum nicht auch gegen Deutschland oder Frankreich?", gab Möstl zu Protokoll. "Es ist alles möglich. Wir müssen nur dran glauben", bestätigte der 38-jährige Božović, der mit dem gleichaltrigen Weber das Oldie-Duo bildet.
Der Kuwait-Legionär sprach auch die Kraftfrage an: "Wir haben sehr viel mit sieben, acht Spielern gespielt, die haben schon sehr viel Kraft verloren. Wir werden die Bank brauchen."
Am Mittwoch übersiedelt die Auswahl in die 20.000er-Arena von Köln, wo man weiter im Zweitagesrhythmus ab Donnerstag in Hauptrundengruppe 1 auf Ungarn, Gastgeber Deutschland (Samstag), den siebenfachen Welt- bzw. dreifachen Europameister Frankreich (22. Jänner) und Island (24. Jänner) trifft.
Da Österreich auch den Punkt gegen die Kroaten "mitnimmt", starten die beiden Teams mit je einem Punkt. Ungarn und Frankreich nehmen das Unterfangen an der Spitze mit je zwei Zählern in Angriff.