Johnny Ertls EM-Tagebuch: Fußball ist das Vehikel, Missstände der Öffentlichkeit zu offenbaren

PULS 24 Experte Johnny Ertl analysiert täglich während der EURO 2020 exklusiv aktuelle Themen rund um die Europameisterschaft. Dieses Mal spricht der Ex-Nationalspieler über die UEFA, Politik, Regenbogenfarben und die heutigen Duelle.

Überschattet von der hitzigen Diskussion, die Münchner Allianz Arena nicht in Regenbogenfarben als Zeichen für Toleranz und Gleichstellung im heutigen Spiel Deutschland gegen Ungarn erstrahlen zu lassen, fiel gestern Abend die Entscheidung in der Gruppe D, wo England das Notwendigste machte und Kroatien allen Kritikern zum Trotz zeigte, dass da doch verdammt viel Qualität in ihren Reihen steckt. "No Scotland, no party", sangen die Fans im Hampden Park, das Achtelfinale sollte aber dann ohne die erfrischend und sympathisch aufspielende Mannschaft von Steve Clarke stattfinden.

Luka Modric zeigte der internationalen Fußballwelt wieder, was ein 35-jähriger Mittelfeldmotor noch alles zu bieten hat. Er kontrollierte nach Belieben die Spielgeschwindigkeit, verlagerte das Spielgeschehen, um die schottische Verteidigung auseinanderzuziehen, setzte seine Vorderleute mit vertikalen Pässen perfekt in Szene und machte selbst mit dem "Außenrist" eines der schönsten Tore dieser EM. Der Aufstieg ins Achtelfinale war nicht selbstverständlich für unser geliebtes Urlaubsland, der Kaderumbruch nach dem Weltmeisterschaftsfinale 2018 gegen Frankreich hinterließ tiefe Spuren in Zlatko Dalics Mannschaft. In der Umkleidekabine hat man die Hierarchie und den positiven Spirit verloren, eine Zweiklassengesellschaft zwischen der älteren und jüngeren Generation hemmte die Entwicklung der Mannschaft. Der Sieg gegen die Schotten könnte eine Initialzündung für Kroatien sein, denn neben Luka Modric zeigten auch Ivan Perisic, Josko Gvardiol oder Bruno Petkovic, dass sie phasenweise einfach Weltklasse sind.

Der heutige Mittwoch bringt also viel Diskussionsstoff mit. Fußball ist für mich eine Plattform für Gleichberechtigung. Die UEFA beharrt strikt darauf, dass Fußball und Politik getrennt werden müssen. Ist zwar schön, dies in den UEFA Statuten verankert zu haben, jedoch sieht die Realität anders aus. Die Fußballbühne ist ein immens starkes soziales Sprachrohr, bricht Themen auf, welche schon lange in der tieferen Schicht der Bevölkerung herumlungern. Der Fußball ist das Vehikel, Missstände der breiten Öffentlichkeit zu offenbaren.

Die UEFA selbst wirbt mit dem Hashtag "Equal Game", als Zeichen der Solidarität und der Gleichstellung der LGBTIQ- Community hätten heute Bilder eines in Regenbogenfarben getauchten Münchner Stadions um die Welt gehen sollen. Die Aktion als unzulässige Vermischung von Sport und Politik abzustempeln, wie es ungarische Medien und Politiker versuchen, ist meines Erachtens absurd. Die "politische Neutralität" wie es die UEFA in ihrer Ablehnung andeutet ist zwar erstrebenswert, doch haben sie sich mit dieser Entscheidung selbst in ein politisches Dilemma gebracht.

So, genug über den Brennpunkt Fußball philosophiert, ab 18 Uhr bin ich wieder bereit, wenn die spanische Armada in Sevilla die Slowaken zerlegt, die Polen in St. Petersburg gegen die Schweden aus ihrem Schlaf erwachen, die Deutschen wieder mehr als zwei Tore gegen die Ungarn machen und die Franzosen in einem hitzigen Spiel in Budapest den Portugiesen reinen Wein einschenken.

Bitte meine Tipps nicht kopieren, bei unseren internen Wettspielen bin ich trotz Expertenstatus im hinteren Drittel angesiedelt. Aber meine Spiele kommen erst!!!

Much fun today,

Johnny

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