Johnny Ertls EM-Tagebuch: Oh, wie ist das schön! Oh, wie ist das schön!
Drei Tore unserer österreichischen Nationalmannschaft hat man schon lange nicht mehr gesehen, so schön, so schön! Herbe Kritik prasselte im Vorfeld auf unser Nationalteam herein, die Zeichen standen ganz anders als vor der EM 2016 in Frankreich. Der Pessimismus überwiegte, vor dem Tor hatte man schon mehr als 300 Minuten eine Ladehemmung und unserem wichtigsten Mann, Marko Arnautovic, quälten muskuläre Probleme.
Aber dann kam der 13. Juni 2021, wo ein Stück rot-weiß-rote Fußballgeschichte in Bukarest geschrieben wurde. Nach sechs glücklosen Versuchen war das 3:1 gegen Nordmazedonien der erste Sieg einer österreichischen Nationalmannschaft bei einer EM-Endrunde. Balsam für Franco Foda’s Seele, der sich mutig für eine Dreierkette entschied und eine taktische Variante wählte, mit der er noch nie zuvor eine ÖFB-Auswahl aufs Feld schickte. Sämtliche Tore waren Prädikat sehenswert: Ein unermüdlich rackernder Marcel Sabitzer legte mit einer geschossenen Hereingabe aus dem Halbfeld mustergültig für Nordmazedonien-Schreck Stefan Lainer auf. Seine einzigen beiden Tore für Österreich erzielte er gegen unsere Freunde aus dem Balkan. Ich würde mich nicht wundern, wenn ihm die nordmazedonischen Behörden an der Grenze die Einreise in Zukunft erschweren würden.
Nach einer verkorksten Saison bei Augsburg und vielen runzelnden österreichischen Stirnen bei seiner Euro-Nominierung, belehrte Michael Gregoritsch sämtliche Fußballlehrer im eigenen Land eines Besseren. Wenn es drauf ankommt ist der Sohn von U21-Teamchef Werner Gregoritsch zur Stelle. Toller Laufweg, überzeugender Abschluss, ein Befreiungsschlag für ihn und für die gesamte Mannschaft, nachdem man aus dem Nichts, Nordmazedonien ein Geschenk zum 1:1 servierte.
Ok, und dann kam Arnie alias Marco Arnautovic und entfachte mit seinem 27.Länderspiel Tor für Österreich das Feuer, auf dass unser Team so sehnlichst gewartet hatte. Wunderbare Hacken-Akkrobatik von Konrad Laimer in den Rücken der Verteidigung und gleichzeitig in den Lauf von Marco Arnautovic, der sich mit viel Ruhe, Klasse und Abgebrühtheit diese Einladung nicht entgehen ließ.
Aber was schreib ich so lange? Es hat eh wohl jeder gesehen. Die Initialzündung ist geglückt, die Euphorie im Land ist da und das Selbstvertrauen im Team ist um 100% gestiegen. Gerade richtig für die wirklichen beiden Tests unser Gruppe C, wo man gestern einen offenen Schlagabtausch zwischen den Niederländern und Andriy Shevchenko’s Ukraine erleben durfte.
Für all diejenigen, die nach dem ersten Gruppensieg Österreichs bei einer EM-Endrunde noch gerade schauen können, gibt es ab 15 Uhr wieder "Schmackes": Schottland trifft zuhause in Glasgow auf die Tschechen, die Polen wollen in St.Petersburg die Slowaken besiegen und die Spanier wollen Covid-19 endgültig gegen die Schweden abschütteln. Der spanische Teamtrainer Luis Enrique hatte es im Vorfeld wohl mit seiner persönlich schwersten Vorbereitung auf ein Großereignis zu tun gehabt: Die gesamte Mannschaft konnte eine Woche aufgrund von Covid-19-Infektionen nur individuell trainieren, das letzte Spiel vor dem Auftakt wurde mit der U-21 absolviert und sein wichtigster Akteur, Kapitän Sergio Busquets, ist nach wie vor in Selbst Isolation. Für ihn gelten keine Ausreden, die Situation ist jedoch nicht gerade lustig. Apropos "Lustig". So heißt der rechte Außenverteidiger der Schweden, mit vollem Namen Mikael Lustig. Der linke Flügelstürmer Oyarzabal im Dienste der Spanier hat mit Sicherheit die Aufgabe ihn wütend zu machen.
Genießt den vierten Tag dieser wunderbaren EM und lasst uns noch ein bisschen Nachschwingen zu den Klängen unserer mitgereisten österreichischen Fans, die gestern um 19:49 Uhr in Rumänien unisono anstimmten: Oh, wie ist das schön! Oh, wie ist das schön…..
Euer
Johnny
Zusammenfassung
- PULS 24 Experte Johnny Ertl analysiert täglich während der EURO 2020 exklusiv aktuelle Themen rund um die Europameisterschaft. Dieses Mal spricht der Ex-Nationalspieler über den ersten Sieg der ÖFB-Mannschaft bei einer EM gegen Nordmazedonien.