Frauenfußball und Österreich: Eine komplizierte Beziehung
Am 6. Juli startet in England die dreizehnte Ausgabe der Fußball-Europameisterschaft der Frauen-Teams - unter puls24.at/euro2022 finden Sie alle Liveticker, Tabellen und Infos. Die österreichische Nationalmannschaft ist dabei und hat gute Chancen im Turnier zu brillieren. Bis wir in dieser Normalität angekommen sind, mussten sich die Frauen allerdings einiges gefallen lassen. Die holprige Fußball-Geschichte in Österreich im Überblick.
Die Anfänge in England
Es dürfte die wenigsten überraschen, dass das Fußballspielen zwischen Mädchen und Frauen zuerst im Heimatland der Sportart – England – praktiziert wurde. In den 1860ern wurde Fußball zu einer offiziellen Schulsportart – auch an den Mädchenschulen. Ein bisschen Wasser den Fluss runter, nämlich 1895, wurde durch die Frauenrechtsaktivistin Nettie Honeyball der erste offizielle Fußballverein für Frauen gegründet.
Erster Fehlschlag in Österreich
Später, in den "Goldenen Zwanzigern", wurden hierzulande erste (semi-)professionell organisierte Fußballteams speziell für Frauen gegründet. 1924 entstand in Wien der "Erste Damenfußballklub Diana". Hierbei handelte es sich um eine Aktion der Wochenzeitung "Der Montag mit dem Sportmontag". Einzelne Funktionäre aus Männervereinen sorgten für die sportliche Betreuung. Diese wurden genauso wie die Platz- bzw. Saalmiete der Sportstätten von der Zeitung bezahlt. Die Frauen mussten allerdings für ihre Ausrüstung (damals beinhaltete dies neben einem Trikot, einer Hose, Sportschuhen, Kniestrümpfen auch ein Kopftuch) selbst aufkommen.
"Der Montag" berichtete euphorisch über das enorme Interesse an der Aktion und begleitete die anfängliche medizinische Überprüfung, die theoretischen Kurse und die ersten Trainingsstunden ausführlich. Das Medium hatte viel vor – alsbald wollte man erste offizielle und (im Gegensatz zu den Trainingseinheiten) öffentlich zugängliche Spiele absolvieren. Ein "Freundschaftsspiel" gegen ein französisches Frauenteam war angedacht.
Bereits im gleichen Jahr endete die Aktion still und leise. Mit zunehmender Länge des Projekts wurde es für die Öffentlichkeit immer uninteressanter. Die einzigen beiden öffentlichen Spiele des Vereins blieben publikumstechnisch hinter den Erwartungen zurück. Außerdem zogen sich mehrere sportliche Betreuer zurück.
Kritiker: Fußball schlecht für Uterus
Gleichzeitig kam auch vermehrt Kritik gegen Frauenfußball auf. Mediziner meinten, die Sportart sei schlecht für den Uterus und könne zu Unfruchtbarkeit führen. Politiker und Kirchenvertreter sahen ein amoralisches Tun im Sport. Es würde in Frauen ihre animalische Seite zum Vorschein bringen und bei männlichen Beobachtern unsittliche Lust auslösen. "Sportexperten" kritisierten generell, dass Frauen einfach zu schlecht für die Sportart seien. Und immer wieder wurden die Athletinnen auf ihr Äußeres reduziert.
Der damalige österreichische Fußballverband weigerte sich zudem, die Sportart im Frauenbereich zu unterstützen. Dies nutzen die Handball- und Hockeysportverbände, um sich mit Werbekampagnen gezielt an Frauen zu wenden.
Zweiter Versuch
Etwa zehn Jahre später wurde trotz aller Um- und Widerstände die Damen Fußballunion (DFU) gegründet. Aus dieser entstanden in kurzer Zeit mehrere weitere Zweigvereine.
Bereits 1936 konnte eine erste Meisterschaft organisiert werden – welche der Damenfußballclub Austria gewonnen hatte. Zudem wurden Spiele im Ausland gespielt und sich dort mit anderen Frauenmannschaften ausgetauscht. Auch die Zuseher:innen kehrten langsam zurück.
Der österreichische Fußballverband verweigerte weiterhin jegliche Unterstützung und hatte sogar Funktionären verboten, sich in irgendeiner Art und Weise in der DFU zu betätigen. Auch deswegen scheiterten damals alle Versuche ein offizielles Frauennationalteam zu gründen. Genauso wie der Fußballverband war auch das austrofaschistische System nicht begeistert von den sportlichen Aktivitäten der Damen. Ein komplettes Verbot hat man allerdings nie ausgesprochen.
Nazis gegen Frauenfußball
Die Nationalsozialisten zeigten sofort nach ihrer Machtergreifung im Zuge des freiwilligen Anschlusses der Republik Deutschösterreich 1938, dass ihnen auch in Sachen Anti-Feminismus und Frauenfeindlichkeit niemand etwas vormacht. Der noch laufende Meisterschaftsbetrieb der DFU wurde sofort eingestellt.
Zwar galt für die Nazis der "gesunde deutsche Volkskörper" auch durch Sport zu erhalten. Ihr verqueres Geschlechterverhältnis sah es allerdings vor, dass Frauen biologisch grundlegend andere Wesensmerkmale besitzen. Nach dem Motto "Straff, aber nicht stramm - herb, aber nicht derb" wurde bei Mädchen und Frauen vor allem auf Laufschulungen, Gymnastik sowie Leichtathletik gesetzt. Fußball galt als rein männlicher Sport und deswegen grundsätzlich für das weibliche Geschlecht als verboten.
ÖFB wehrte sich lange
Das Ende der Nazi-Herrschaft brachte jedoch nicht sofort eine Renaissance des Frauenfußballs. Noch bis in die 1970er wurde behauptet, dass Leistungssport wie eben Fußball sich schlecht auf die Psyche und Physis von Frauen auswirke, und das Treten der Bälle etwas besonders Männliches wäre.
Zwar gab es ab den 60ern bereits erste kleinere (internationale) Fußballspiele zwischen Frauen und auch die Gründung einer inoffiziellen Liga, dies allerdings fernab des medialen Interesses. Bis zur Mitte der 1970er gibt es kaum Dokumente oder Artikel über den Frauensport.
Der ÖFB wehrte sich auch lange gegen eine offizielle Liga und Nationalmannschaft mit der Begründung, es sei "zu teuer".
Frischer Wind in den 80ern
Erst in der Saison 1982/1983 konnte sich der ÖFB zur Ausrichtung einer Frauenmeisterschaft durchringen. Seit 1990 stellte man außerdem eine eigene Frauennationalmannschaft. Ihr erstes Länderspiel verlor sie am 25. August desselben Jahres gegen die Schweiz haushoch 1:5.
Der erste Sieg der Nationalmannschaft konnte 1993 gegen Ungarn mit 1:0 gefeiert werden. Mit zunehmend erfolgreichen Spielen und Turnierteilnahmen wie der Europameisterschaft 2017 hat auch in der Öffentlichkeit die Anerkennung sowie spürbare Begeisterung für das Team und dem Sport im Frauenbereich zugenommen.
Wurden es den Frauen noch im vergangenen Jahrhundert verwehrt, in den großen Stadien des Landes zu spielen und öffentlich die Anerkennung und Berichterstattung zu erhalten, die sie verdienen, werden die Spiele der diesjährigen Europameisterschaft prominent im TV ausgestrahlt. Und auch der ÖFB wirbt inzwischen groß mit der Frauennationalmannschaft.
Zusammenfassung
- Am 6. Juli startet in England die dreizehnte Ausgabe der Fußball-Europameisterschaft der Frauen-Teams.
- Die österreichische Nationalmannschaft nimmt auch teil und hat gute Chancen im Turnier zu brillieren.
- Bis wir in dieser Normalität angekommen sind, mussten sich Frauen allerdings anhören lassen, dass der Sport sie unfruchtbar mache oder sie dadurch Männer verführen könnten.
- Später wurde die Sportart sogar Verboten.
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