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Brunner: Putins Rede "kehrt die Realität um"

Inhaltlich setzt Wladimir Putin in seiner Rede am Tag des Sieges über Nazi-Deutschland auf altbekannte Schablonen, so die Journalistin Simone Brunner. Er versucht, einen Konnex zwischen dem Sieg über Deutschland 1945 und dem Krieg in der Ukraine herzustellen. Der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy spricht von einer "Bullshit-Bingo"-Rede.

Russland begeht am Dienstag seine jährliche Parade zum Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland. Dabei hielt auch Präsident Wladimir Putin eine ausführliche Rede, in der viel Bekanntes zu hören war. Dazu zählt etwa, dass Putin den Krieg gegen die Ukraine als Wiederaufnahme des Kampfes gegen den Faschismus zeichne, wie Journalistin Simone Brunner erklärt. Brunner beschäftigt sich seit Jahren mit dem Ukraine-Krieg.

"Er ist typisch für Putin, dass er die Realität umkehrt", erklärt Brunner. Eines seiner bekanntesten Narrative ist, dass Russland in Bedrängnis geraten sei und sich gegen den Westen verteidigen müsse.

"Zeit"-Journalistin Simone Brunner über die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin

Auch wenn Putin in seiner Rede Einigkeit betont, laut Umfragen werden Russ:innen zunehmend kriegsmüde, erklärt Brunner weiter. Zahlen dazu seien jedoch immer mit Vorsicht zu genießen, da Umfragen in autoritären System, wie dem russischen, nur bedingt aussagekräftig erhoben werden können. Zusätzlich sei die "russische Gesellschaft sehr apathisch" bezüglich des Kriegs, auch wenn die Bevölkerung teilweise sehr starke Verbindungen in die Ukraine habe.

"Bullshit-Bingo"

Weniger diplomatisch drückt es der ukrainische Journalist und Blogger Denis Trubetskoy aus. Seit Putin an der Macht sei, habe sich der Tag des Sieges verändert. "Es ist ein Tag geworden, an dem Russland seine angebliche Militärmacht sowohl dem inneren als auch dem äußeren Publikum demonstrieren will", so Trubetskoy. 

Putin habe in seiner "Bullshit-Bingo"-Rede alle Klischees der letzten Jahre wiederholt, erklärt der Journalist. Mit der Erinnerung an den 2. Weltkrieg habe das nichts zu tun, den Veteran:innen des Krieges sollte anders gedacht werden.

Journalist und Blogger Denis Trubetskoy über die aktuelle Lage in Kiew und die Ansprache des russischen Präsidenten Wladimir Putin

Verhandlungen?

Je länger der Krieg dauert, desto stärker wird auch die Frage nach möglichen Verhandlungen diskutiert. Aus guten Gründen: Seit 1946 gab es nur in 30 Prozent der Kriege einen klaren Gewinner und Verlierer. Das ermittelte das schwedische Friedensforschungsinstitut UCDP. 28 Prozent der Kriege endeten gar nicht, 42 Prozent durch Verhandlungen.

Die meisten Expert:innen gehen davon aus, dass auch der Ukraine-Krieg mit Verhandlungen beendet werden wird. So auch die Journalistin Simone Brunner. "Irgendwann wird es Verhandlungen geben", sagt sie. "Aber der Zeitpunkt ist noch nicht gekommen."

Gerade aus Sicht der Ukraine sei der Zeitpunkt für Verhandlungen derzeit denkbar schlecht. Sie bereite sich immer noch auf eine Frühjahrsoffensive vor und erhalte Waffen aus dem Westen, "um ihre eigenen Gebiete zu befreien", so Brunner. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass es auf längere Zeit eine instabile Region bleiben wird." 

ribbon Zusammenfassung
  • Inhaltlich setzt Putin in seiner Rede am Tag des Sieges über Nazi-Deutschland auf altbekannte Schablonen, so die Journalistin Simone Brunner.
  • Er versucht einen Konnex zwischen dem Sieg über Deutschland 1945 und dem Krieg in der Ukraine herzustellen.
  • Der ukrainische Journalist Denis Trubetskoy spricht von einer "Bullshit-Bingo"-Rede.