Wiener Anwaltspräsident mit Vorschlägen zur StPO-Reform
Bei einzelnen oder wenigen Tätern, denen mehrere strafbare Handlungen vorgeworfen werden, mache es durchaus Sinn, Verfahren zu verbinden. "Bei multiplen Verflechtungen entsteht aber ein hypertrophes Verfahren mit dutzenden, manchmal hunderten Beschuldigten", meinte Rohregger und verwies in diesem Kontext exemplarisch auf die Casinos-Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Solcherart aufgeblähte Verfahren hätten für alle Beteiligten - auch die ermittelnden Behörden - Nachteile: es fänden sich viele unterschiedliche, heterogene Vorwürfe im Akt, wer zu einem Einzelvorwurf als Beschuldigter geführt werde, gelte im gesamten Akt als Beschuldigter, und vor allem lasse die Enderledigung - nicht zuletzt aufgrund der justiziellen Ressourcenknappheit - auf sich warten.
Zudem erhalte in Großverfahren jeder Beschuldigte Einsicht in den gesamten Akt und damit auch in Teile, die ihn und seine Interessen gar nicht betreffen. Das mache gerade diese Verfahren "löchrig wie einen Schweizer Käse", sagte Rohregger. Denn obwohl § 54 StPO die Veröffentlichung von aus Akteneinsicht erlangter Informationen untersage, erweise sich diese Norm in der Praxis geradezu als "ein fast gesetzlich vorgezeichneter Weg für Leaks": gleichzeitig berechtige diese Bestimmung nämlich Beschuldigte und ihre Verteidiger, aus Akteneinsicht gewonnene Informationen im Interesse der Verteidigung zu verwerten. Dass Aktenteile dann in den Medien landen, obwohl die StPO die Verwertung bisher öffentlich nicht bekannter personenbezogener Daten anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter grundsätzlich untersage, "ist kein Problem der Medien. Das ist ein vorgelagertes Problem. Das ist ein Problem der StPO", stellte Rohregger fest. Dazu komme, dass für ein Überschreiten der Grenzen des § 54 StPO keine strafrechtlichen Sanktionen vorgesehen seien.
Der Wiener Anwaltspräsident regt daher an, in komplexen, verzweigten Verfahren die Verfahrenstrennung als subjektives Recht auszugestalten und in diesem Sinn legistisch zu verankern. Die Staatsanwaltschaften hätten dann auf Antrag des Beschuldigten oder von Amts wegen anzuordnen, dass das Ermittlungsverfahren wegen einzelner Straftaten oder gegen einzelne Beschuldigte getrennt zu führen ist, wenn dadurch Verzögerungen vermieden, Persönlichkeitsrechte von Beschuldigten besser gewahrt oder die Haft eines Beschuldigten verkürzt werden können.
Zusammenfassung
- Mit interessanten Vorschlägen zu einer Reform der Strafprozessordnung (StPO) lässt der neu gewählte Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer, Michael Rohregger, aufhorchen.
- Das mache gerade diese Verfahren "löchrig wie einen Schweizer Käse", sagte Rohregger.
- Der Wiener Anwaltspräsident regt daher an, in komplexen, verzweigten Verfahren die Verfahrenstrennung als subjektives Recht auszugestalten und in diesem Sinn legistisch zu verankern.