APA/HELMUT FOHRINGER

Wie eine Anklage gegen René Benko verhindert wurde

Recherchen zeigen, wie 2015 eine WKStA-Anklage gegen Signa-Gründer René Benko verhindert worden ist - auf Weisung von oben.

Die Recherchen von "Standard" und dem "Dunkelkammer"-Podcast von Michael Nikbakhsh stützen sich auf interne Dokumente der Justiz. Demnach hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine Anklage wegen Bestechung gegen Signa-Gründer René Benko in der Schublade liegen. Die siebenseitige Anklageschrift hatte alles, was es für einen Prozess braucht - nur der Prozess fehlte. 

Die Anklage wurde jedoch auf Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien und mit Billigung des Justizministeriums abgedreht. Damals Justizminister: Wolfgang Brandstetter (ÖVP) - die OStA wurde von Eva Marek geführt. Wegen Mareks Ernennung wird derzeit ein Ermittlungsverfahren gegen Brandstetter geführt. 

Worum geht es eigentlich?

Doch nun zurück zum eigentlichen Grund der Anklage. Der Fall begann im Jahr 2011. Benko kaufte im Nobel-Skiort Lech am Arlberg einen baufälligen Gasthof. Die Muxel Berggasthof Schlössle GmbH wurde von zwei Firmen übernommen, die seiner Laura-Privatstiftung gehören. 

Um die Pläne für sein 6-Sterne-Luxuschalet - das Chalet N - umzusetzen, musste er sich zunächst mit der Gemeinde Lech arrangieren. Die besaß nämlich ein Vorkaufsrecht auf das Grundstück - seit 1977. Darüber gab es jedoch verschiedene Rechtsauffassungen, schließlich einigte man sich ohne zivilrechtliche Streitigkeiten. 

Die Gemeinde Lech erhielt 500.000 Euro von Benkos Firmengruppe und ein neues Vorkaufsrecht über 20 Jahre. Der Deal war jedoch von Korruptionsverdacht überschattet, deshalb schaltete sich die WKStA ein. 

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Gemeinde bestochen?

Die Hälfte, eine Viertelmillion Euro, sollte erst später bezahlt werden. Und zwar für "eine zeitlich beschleunigte Abwicklung von Verwaltungsverfahren der Gemeinde, insbesondere die Abänderung des Bebauungsplanes und die Teilabänderung der Flächenwidmung sowie den Abschluss eines Raumplanungsvertrages", wie "Standard" und "Dunkelkammer" aus der Anklageschrift zitierten. 

Die Ermittlungen gegen den damaligen Lecher Bürgermeister Ludwig Muxel (ÖVP) wurden 2015 zwar eingestellt, die WKStA wollte aber Benko allein wegen versuchter Bestechung von Gemeindevertretern anklagen. Benko selbst hat die Vorwürfe stets bestritten. 

Intervention bei der Oberstaatsanwaltschaft

Damit Benko sich dafür nicht vor Gericht verantworten musste, soll sich vor allem sein damaliger Verteidiger, Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ), bei der Leiterin der OStA Wien eingesetzt haben - Eva Marek. 

Persönlich soll Benkos Anwalt im September 2015 einen Brief an Marek übergeben haben. Darin drückte er seine Besorgnis über eine mögliche Anklage aus und ersuchte Marek, die Ergebnisse der Ermittlungen "im Rahmen der gesetzlichen Fachaufsicht jedenfalls vor einer Anklageerhebung" zu prüfen, zitieren "Standard" und "Dunkelkammer" aus dem Schreiben. Das Unübliche an dem Vorgang ist nicht, dass Anwälte direkt mit Oberstaatsanwaltschaften sprechen, sondern das Tempo, in dem danach alles ins Rollen kam. 

Nur vier Tage später soll Marek nämlich die WKStA dazu aufgefordert haben, über den Stand des Benko-Verfahrens zu berichten. Die Korruptionsermittler teilten ihre Ergebnisse mit, Böhmdorfer besuchte Marek im Februar 2016 ein zweites Mal, nachdem seine Kanzlei eine 22-seitige Stellungnahme übermittelt hatte. Damit sollten die Aussagen der zentralen Zeugen der WKStA entkräftet werden.

Justizministerium und Weisungsrat stimmen zu

Am 12. Mai 2016 informierte Marek schließlich das Justizministerium über die beabsichtige Weisung, das Verfahren in der Causa Benko/Lech einzustellen. Die Oberstaatsanwaltschaft kritisiert in ihrer Begründung die Arbeit der WKStA an mehrere Stellen und stellt deren Erkenntnisse infrage. 

Im Justizministerium landete der Akt in der Abteilung des mittlerweile verstorbenen Sektionschefs Christian Pilnacek. Die Einstellungsweisung wurde am 10. August 2016 genehmigt. Eineinhalb Monate später stimmte auch der Weisungsrat zu. Damit war die Anklage rund ein Jahr, nachdem Böhmdorfer seinen ersten Termin bei Marek hatte, vom Tisch. 

Was bleibt, ist eine Anklage, die abmoderiert wurde. Die ehemalige Leiterin der OStA, Eva Marek, wollte sich gegenüber "Standard" und "Dunkelkammer" nicht äußern - sie habe im ÖVP-U-Ausschuss 2022 schon alles Nötige gesagt. 

ribbon Zusammenfassung
  • Recherchen zeigen, wie 2015 eine WKStA-Anklage gegen Signa-Gründer René Benko verhindert worden ist - auf Weisung von oben.
  • Die Recherchen von "Standard" und dem "Dunkelkammer"-Podcast von Michael Nikbakhsh stützen sich auf interne Dokumente der Justiz.
  • Demnach hatte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) eine Anklage wegen Bestechung gegen Signa-Gründer René Benko in der Schublade liegen.
  • Die siebenseitige Anklageschrift hatte alles, was es für einen Prozess braucht - nur der Prozess fehlte.