Nizza: Weiterer Verdächtiger in Gewahrsam
Nach dem vermutlich islamistisch motivierten Messerangriff mit drei Toten in Nizza hat die Polizei einen weiteren Verdächtigen in Gewahrsam genommen. Der 47-Jährige werde verdächtigt, am Tag vor der Tat mit dem Verdächtigen in Kontakt gestanden zu sein, hieß es aus Justizkreisen..
Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich nach Angaben der Ermittler um einen 21-jährigen Tunesier namens Brahim Aouissaoui. Frankreichs oberster Anti-Terror-Ermittler Francois Ricard erklärte, dass er am Donnerstagmorgen mit dem Zug in Nizza angekommen sei.
Nach den Anschlägen in Nizza und in der Nähe von Avignon trauert Frankreich um die Opfer. Solidaritätsbekundungen kommen aus der gesamten Welt.
Staatsanwaltschaft spricht von "Enthauptung"
Der Angreifer hat die Opfer massiv an der Kehle verletzt. Einer 60-jährigen Frau sei tief die Kehle durchgeschnitten worden, sagte Antiterror-Staatsanwalt Jean-François Ricard am Donnerstagabend in Nizza. Er sprach von einer Art Enthauptung. Auch der getötete Küster wurde schwer an der Kehle verletzt. Ein drittes schwer verletztes Opfer sei geflüchtet. Die 44-Jährige sei dann außerhalb der Kirche ihren Verletzungen erlegen.
Der Angreifer habe gegen halb neun Uhr morgens die Kirche im Zentrum von Nizza betreten und sich dort dann etwa eine halbe Stunde aufgehalten und die Opfer angegriffen. Gegen neun Uhr habe die Polizei eingegriffen, den mutmaßlichen Angreifer verletzt und festgenommen. "Die Beamten haben zweifellos ein noch dramatischeres Ergebnis vermieden", sagte Ricard. Der Angreifer sei schwer verletzt und schwebe in Lebensgefahr.
Die Einsatzkräfte hätten einen Koran und Telefone gefunden. Außerdem habe man in der Nähe des Angreifers die Mordwaffe, ein rund 17 Zentimeter langes Messer, entdeckt. Ebenfalls seien zwei unbenutzte Messer gefunden worden, so Ricard. Der Angreifer habe ein Dokument des Italienischen Roten Kreuzes bei sich getragen, das auf einen 1999 geborenen tunesischen Staatsbürger ausgestellt gewesen sei. Er sei im September über die italienische Insel Lampedusa eingereist, so Ricard weiter.
Innenminister befürchtet weitere Anschläge
Frankreichs Regierung fürchtet, dass mehre Anschläge dieser Art geschehen werden. Frankreich befinde sich in einem "Krieg gegen die islamistische Ideologie", sagte Innenminister Gerald Darmanin am Freitag dem Radiosender "RTL". Deshalb werde es weitere Vorfälle wie "diese schrecklichen Anschläge" geben. "Wir befinden uns in einem Krieg gegen einen Feind, der sowohl innen als auch außen ist", sagte Darmanin.
Terrorexperte: Wir sehen ein "Aufflammen des islamistischen Terrorismus"
Der Politikwissenschaftler und Terrorexperte Nicolas Stockhammer im Interview mit PULS 24 Anchorwoman Bianca Ambros über den mutmaßlich islamistischen Angriff in Nizza.
Italienische Innenministerin unter Druck
Weil der mutmaßliche Täter ein im September auf der italienischen Insel Lampedusa eingetroffener Tunesier sein soll, kritisieren Rechtsparteien die Einwanderungspolitik der Regierung von Premier Giuseppe Conte und verlangen Erklärungen von Innenministerin Luciana Lamorgese. Italien sei zur "Terror-Route" geworden, kritisierte die Rechtspartei "Fratelli d'Italia".
Das Innenministerium in Rom verlautete, dass der 21-jährige mutmaßliche Täter am 20. September illegal auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa angekommen sei. Nach einer zweiwöchigen Quarantäne an Bord eines Schiffes vor Lampedusa sei er im Oktober in die süditalienische Stadt Bari gebracht worden. Dort soll er untergetaucht sein.
Lamorgese wies am Freitag die Kritik der Rechtsparteien zurück. "Die Messerattacke ist ein Angriff auf Europa, wir tragen dafür keine Verantwortung", sagte die Innenministerin im Interview mit dem TV-Sender "Rainews24". "Schluss mit Polemik", sagte sie in Richtung ihrer Kritiker. Ihr Vorgänger, Lega-Chef Matteo Salvini, hatte zuvor den Rücktritt der Ministerin gefordert.
Keine Warnung aus Tunesien
Italiens Behörden waren nach eigenen Angaben von Tunesien nicht vor dem Gewalttäter von Nizza gewarnt worden. Auch aus "nachrichtendienstlichen Kanälen" sei er nicht unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit genannt worden.
Die tunesische Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. Nach ersten Informationen über die Identität des mutmaßlichen Angreifers haben man mit den Ermittlungen begonnen, sagte der stellvertretender Staatsanwalt und Gerichtssprecher in Tunis, Mohsen Dali am Donnerstagabend. Für den Fall, dass die Justizbehörden um Zusammenarbeit bitten, stehe man zur Verfügung.
Das tunesische Antiterrorgesetz schreibe die Strafverfolgung jedes Tunesiers vor, der an einer terroristischen Handlung innerhalb oder außerhalb des Landes beteiligt war, sagte Dali.
Tunesien verurteile "den terroristischen Vorfall in Nizza" aufs Schärfste, hieß es nach Angaben der Nachrichtenagentur "Tap" aus dem Außenministerium. In einer Erklärung bekräftigte das nordafrikanische Land demnach auch seine "völlige Ablehnung aller Formen von Terrorismus, Extremismus und Gewalt" und sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus.
Zusammenfassung
- Während Frankreich um die Opfer trauert, wurde nach dem Messerangriff mit drei Toten in Nizza ein weiterer Verdächtiger in Gewahrsam genommen.
- Der 47-Jährige werde verdächtigt, am Tag vor der Tat mit dem Verdächtigen in Kontakt gestanden zu haben, hieß es.
- Frankreichs oberster Anti-Terror-Ermittler Francois Ricard erklärte, dass er am Donnerstagmorgen mit dem Zug in Nizza angekommen sei.
- Frankreichs Regierung fürchtet, dass mehre Anschläge dieser Art geschehen werden.
- Frankreich befinde sich in einem "Krieg gegen die islamistische Ideologie", sagte Innenminister Gerald Darmanin am Freitag dem Radiosender "RTL".