Was wurde eigentlich aus Martha Bißmann?
Martha Bißmann ist immer für Überraschungen gut. Vor zwei Jahren etwa schritt sie mit einer Puppe zum Rednerpult im Nationalrat. "Ali" hieß die Figur, die dann zu den Parlamentariern sprach und sie über die Rechte von Migrant:innen und sogenannten Gastarbeiter:innen aufklärte. Zuvor hatte die FPÖ in einem Video "Ali" eCard-Missbrauch vorgeworfen.
An einem anderen Tag setzte sich Bißmann am Rednerpult ein Kopftuch auf und fragte, ob sie denn mit muslimischer Kopfbedeckung nicht mehr die gleiche Person sei.
Zur Erinnerung: Martha Bißmann zog am 9. November 2017 für die Liste Pilz in den Nationalrat ein. Bundeskanzler war noch Sebastian Kurz, er regierte mit der FPÖ. Eigentlich war Listengründer Peter Pilz vor ihr gereiht, doch ihm wurde damals sexuelle Belästigung vorgeworfen, er verzichtete vorerst auf das Mandat.
Als er es im Mai 2018 wieder haben wollte, weigerte sich Bißmann. Sie wurde aus der Partei ausgeschlossen und blieb bis zur Wahl 2019 wilde Abgeordnete. Im Jahr 2020 kandidierte sie bei der Wien-Wahl für die Liste SÖZ. Und heute? Heute sorgt die ehemalige Politikerin immer noch für Überraschungen. Heute redet die 43-Jährige nämlich sehr gerne über Bambus. Und sie kennt sich richtig gut aus damit.
In über 2.500 Metern Seehöhe in Äthiopien würde der beste Bambus wachsen, erzählt sie im Gespräch mit PULS 24. Wegen des "indigenen Hochlandbambus" sei sie nun auch regelmäßig in dem afrikanischen Land.
Bißmann lebt heute von ihrem "zweiten Standbein", wie sie sagt. Sie studierte nämlich Energie- und Umweltmanagement – und berät Unternehmen und Organisationen in Sachen Nachhaltigkeit und Entwicklungszusammenarbeit. So auch ein österreichisches Holzunternehmen.
Wenn man einmal in der Politik war, bleibt man das, das ist Teil der Identität.
Momentan beherrsche China den Bambus-Markt. Da dieser "nachhaltige Baustoff" aber auch in Europa zukünftig eine größere Rolle spielen könnte, wolle man den Asiaten Konkurrenz machen. Bambus sei geeignet für Terrassen-Dielen, zur Fassadenbekleidung und könne bei Rigips-Wänden das Aluminium ersetzen, sagt Bißmann. Das schütze das Klima und schaffe Jobs in Äthiopien – eine "sehr schöne, sinnstiftende Arbeit".
Weiterhin sei die ehemalige Wilde Abgeordnete ein politischer Mensch, wie sie selbst sagt: "Wenn man einmal in der Politik war, bleibt man das, das ist Teil der Identität". Das gehe "in Fleisch und Blut über". Heute lebe sie das neben ihrem Job, im Aktivismus aus – das sei eben "auch Teil des demokratischen Systems".
Kein Kontakt zu Peter Pilz
Von der Politik an sich hat sie also noch nicht genug. Bei ihrer vorletzten Sitzung im Nationalrat im Jahr 2019 rechnete Bißmann mit Peter Pilz ab. Es erschrecke sie zutiefst, dass er sich immer noch als Aufdecker der Nation porträtieren lassen dürfe, sagte sie damals. Sie warf Pilz vor, bei jeder und jedem aufdecken zu wollen, außer bei sich selbst.
Heute bezeichnet sie Pilz als "guten Lehrmeister". Sie spricht von einer "wertschätzenden, gemeinsamen Zeit". Es sei eben "Gras über die Sache gewachsen". Kontakt habe sie zu Pilz aber keinen.
Sie habe damals das Gefühl gehabt, "so nahe an den Schalthebeln vieles bewegen zu können". Auch die Zeit als Wilde sei "ein einziger Höhepunkt gewesen". 96 Reden habe sie gehalten, die meiste Redezeit gehabt und dabei "Applaus aus unterschiedlichsten Fraktionen" geerntet. Heute träume sie gar von einem "Klub voller Wilder" ohne Klubzwang und von fliegenden Mehrheiten.
Macht Bißmann wieder Politik?
"Sag niemals nie", sagt Bißmann heute auf die Frage, ob sie wieder für die ein oder andere Liste kandidieren würde. Sie spricht aber eher von "offen Wahlbündnissen", findet die Aufgaben von Bürgermeister:innen "sehr spannend" und sieht Volksbefragungen wie in der Schweiz als "Vorbild".
Einer einzigen Partei konnte sich Bißmann sowieso nie zuordnen. Noch vor ihrer Zeit bei der Liste Pilz war Bißmann im Präsidentschaftswahlkampf 2016 als Wahlkampfmanagerin von Irmgard Griss tätig. Zu den NEOS zu gehen, hätte "sich angeboten", sagt sie heute, doch in der Wirtschaftspolitik würde sie mit den Pinken "nie auf einen grünen - oder besser gesagt rosa - Zweig kommen". Bei der "radikalen Ökologisierung" müsse sie sich "eben treu bleiben".
Kritik an Corona-Maßnahmen
Die migrantische Liste SÖZ ("Soziales Österreich der Zukunft") habe sie damals "unterstützenswert" gefunden. Sie betont aber, parteifreie Spitzenkandidatin gewesen zu sein. Dass einzelnen Mitglieder Nähe zur türkischen Partei AKP von Recep Tayyip Erdoğan hatten, habe man "nicht verhindern" können, meint sie. Nun wohnt die gebürtige Steirerin aber wieder Graz und könne die Liste wohl nicht mehr unterstützen.
Auch abseits von diversen Talk-Formaten und Twitter könnte Bißmann, die zuletzt vor allem mit ihrer Kritik an den Corona-Maßnahmen auffiel und sich als "sehr solidarisch mit den Klimaklebern" bezeichnet, künftig dennoch wieder mit neuen Projekten überraschen. Sie wolle weiter gegen die Spaltung der Gesellschaft von links und von rechts auftreten und sich für Demokratie, Menschenrechte und Natur einsetzen.
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Zusammenfassung
- Streit mit Peter Pilz, aktivistische Reden im Parlament, wilde Abgeordnete, Demos zu verschiedensten Themen, Kandidatur für eine migrantische Liste in Wien.
- Martha Bißmann ist wohl eine der schillerndsten Polit-Persönlichkeiten der letzten Jahre.
- Aber was macht sie heute? PULS 24 hat nachgefragt.