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Historisches Votum: Vorsitzender des US-Repräsentantenhauses abgesetzt

Zum ersten Mal in der US-Geschichte ist ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses durch ein Parlamentsvotum von seinem Posten abgesetzt worden.

Eine Mehrheit stimmte am Dienstag dafür, den republikanischen Vorsitzenden, Kevin McCarthy, aus dem Amt zu entfernen. Hintergrund ist eine parteiinterne Revolte bei den Republikanern. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses kommt in der staatlichen Reihenfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize.

McCarthy wird nicht erneut kandidieren

Angeführt von dem republikanischen Hardliner Matt Gaetz stimmten mehrere weitere Republikaner dafür, McCarthy zu entmachten. Die Demokraten in der Kammer wiederum verzichteten darauf, McCarthy zu Hilfe zu kommen und votierten gegen ihn. Die Republikaner haben eigentlich das Sagen in der Kammer, aber nur mit ganz knappem Vorsprung. Durch die Zahl der internen Revoltierenden in den eigenen Reihen kam damit eine knappe Mehrheit gegen McCarthy zustande.

McCarthy erklärte, sich nicht erneut zur Wahl zu stellen: "Ich werde nicht wieder als Vorsitzender kandidieren." Er lasse seine Fraktion jemand anderen wählen. Über seine Nachfolge wollen die Republikaner voraussichtlich am 10. Oktober beratschlagen. Eine Abstimmung ist für 11. Oktober vorgesehen.

"Ich habe Geschichte geschrieben, oder?"

Bei einem teils emotionalen, teils angriffslustigen Auftritt sagte McCarthy, für ihn sei der Vorsitzenden-Posten die größte Ehre gewesen. "Ich habe jede Minute geliebt." Er sei mit sich im Reinen. "Ich würde rein nichts anders machen", betonte er. "Wenn ich meinen Job verliere, weil ich das tue, wovon ich wirklich überzeugt bin, dass es richtig ist, dann kann ich damit sehr gut leben." Selbstironisch sagte er: "Ich habe Geschichte geschrieben, oder?"

Zugleich kritisierte der Republikaner die parteiinternen Rebellen - insbesondere Gaetz. Diesem sei es keineswegs um Inhalte gegangen, sondern allein um Persönliches - und darum, Medienaufmerksamkeit zu bekommen, beklagte McCarthy. Gaetz' Vorwürfe wies er zurück. "Nur weil Gaetz etwas gesagt hat, heißt das nicht, dass es wahr ist. Ich habe ihn noch keine einzige wahre Sache sagen hören."

McCarthy beklagte, es dürfte nicht möglich sein, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses die überwältigende Mehrheit seiner Fraktion hinter sich habe und trotzdem von acht Abgeordneten gemeinsam mit der anderen Partei aus dem Amt entfernt werde. "Ich glaube nicht, dass es diese Regel geben sollte - unabhängig davon, wer der Vorsitzende ist." Das Parlament als Institution habe versagt.

Biden will rasche Nachfolge

US-Präsident Joe Biden rief die Kongresskammer dazu auf, rasch einen Nachfolger zu wählen. "Die dringenden Herausforderungen für unser Land werden nicht warten", erklärte Bidens Sprecherin Karine Jean-Pierre am Dienstag.

Gaetz hatte am Montagabend einen Antrag auf McCarthys Absetzung ins Repräsentantenhaus eingebracht. Der 41-Jährige warf McCarthy unter anderem vor, er mache gemeinsame Sache mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden, statt für die republikanische Fraktion zu arbeiten. Anlass ist der Haushaltsstreit in den USA.

Gaetz störte sich daran, dass McCarthy am vergangenen Wochenende mit den Stimmen von Demokraten einen drohenden Stillstand der Regierung im letzten Moment abwendete. Der Kongress hatte am Samstag einen Übergangshaushalt bis Mitte November verabschiedet. Er beschuldigte McCarthy aber auch, gegen mehrere fraktionsinterne Absprachen verstoßen zu haben - ihm sei daher nicht zu trauen.

Historisches Votum

Da die Parlamentskammer ihren Vorsitzenden selbst wählt, ist sie auch das einzige Gremium, das ihn wieder aus dem Amt verdrängen kann - auf Antrag aus den Reihen der Abgeordneten. Nie zuvor hat ein Vorsitzender der Kammer allerdings auf diesem Weg seinen Posten verloren.

Die Kongresskammer dürfte nun vorerst lahm gelegt werden durch die Wahl eines neuen Vorsitzenden. Bis die Personalie geklärt ist, liegt alle restliche gesetzgeberische Arbeit auf Eis. Das parlamentarische Chaos fällt mitten in eine Zeit, in der der Kongress unter anderem einen Bundeshaushalt verabschieden muss, da der Übergangshaushalt Mitte November ausläuft. Ist bis zu der Frist kein neues Budget verabschiedet, steuern die USA einmal mehr auf einen vorübergehenden Stillstand der Regierungsgeschäfte zu, einen "Shutdown".

Von Anbeginn stark geschwächt

Das US-Parlament hat außerdem über neue Hilfen für die Ukraine zu entscheiden. In dem am Wochenende verabschiedeten Übergangshaushalt sind keine weiteren Hilfen für das von Russland angegriffene Land vorgesehen. Das heißt nicht, dass die USA die Ukraine von jetzt auf gleich nicht mehr unterstützen. Allerdings geht das bisher genehmigte Geld zur Neige, neue Mittel müssen her.

McCarthy war im Jänner erst im 15. Wahlgang ins Vorsitzenden-Amt gehievt worden und galt dadurch von Anbeginn an als stark geschwächt. Er musste der radikalen Rechten in seiner Fraktion damals weit entgegenkommen, um mit Hilfe ihrer Stimmen auf seinen Posten gewählt zu werden. Unter anderem setzten die Hardliner in der Fraktion damals durch, dass ein einzelner Abgeordneter einen Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden stellen kann - was Gaetz nun ausnutzte.

ribbon Zusammenfassung
  • Zum ersten Mal in der US-Geschichte ist ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses durch ein Parlamentsvotum von seinem Posten abgesetzt worden.
  • 216 Abgeordnete, darunter acht Republikaner, stimmten für McCarthys Absetzung, 210 stimmten dagegen.
  • Es ist das erste Mal in der US-Geschichte, dass ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses durch ein Parlamentsvotum von seinem mächtigen Posten abgesetzt wurde.