Verteidigerkosten bei Unschuldigen stärker bezuschusst
Schon länger bekannt war, dass das Finanzministerium für heuer insgesamt 70 Millionen Euro zusätzlich für den Kostenersatz zur Verfügung stellt. Das entspricht einer Verdreißigfachung der Mittel. Lange in der Koalition umstritten war aber, wie man die zusätzlichen Gelder am besten verteilt.
Nunmehr wird gestaffelt: Bei Freisprüchen vor Bezirksgerichten wird der Ersatz von 1.000 auf bis zu 5.000 Euro gleich verfünffacht. In komplexen Fällen kann der Beitrag noch einmal um 50 Prozent erhöht werden, in sehr komplexen Fällen sogar um 100 Prozent. Bei Freisprüchen an Landesgerichten durch Einzelrichter kann es bis zu 13.000 Euro geben, bisher waren es höchstens 3.000. Auch hier ist bei komplexen Fällen eine Überschreitung um 50 bzw. 100 Prozent möglich.
Den höchsten Kostenersatz gibt es bei aufwendigen Verfahren, die von Schöffen- oder Geschworenengerichten entschieden werden. Hier sind einmal grundsätzlich bis zu 30.000 Euro vorgesehen. Bei komplexen Verfahren kann dieser Wert um die Hälfte überschritten werden, also 45.000 Euro erreichen. Bei besonders komplexen Verfahren sollen bis zu 60.000 Euro der Verteidigerkosten bezuschusst werden. 6.000 Euro gibt es bei Einstellung im Ermittlungsverfahren.
Die Komplexität soll sich anhand der Dauer und des Umfangs richten. Ausgegangen wird von einem so genannten Standardverfahren, das in den Erläuterungen zum Gesetz ausgeschildert ist. Über die Höhe des Ersatzes entscheidet Richterin oder Richter.
Justizministerin Zadic sprach nach der Regierungssitzung von einem "entscheidenden Schritt für Rechtsstaat und Justiz". Angesichts der hohen Kosten für Verteidiger habe man handeln müssen. Hunderttausende Euro wie etwa dereinst für Tierschützer seien eine Hypothek für die Betroffenen.
Bisher sei der Kostenersatz "lächerlich" gewesen, meinte Edtstadler. Die Betroffenen seien fast zur Gänze auf ihren Ausgaben sitzen geblieben. Es gehe nicht darum, die Honorare von Staranwälten zu bezahlen, sondern eine adäquate Vertretung sicher zu stellen. Die nunmehr beschlossene Regelung gilt rückwirkend mit Jahresbeginn.
Der Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK), Armenak Utudjian, sprach gegenüber der APA von einem "großen Schritt in die richtige Richtung und zu mehr Rechtsstaatlichkeit". Im Rahmen des zur Verfügung stehenden Budgets habe man damit eine sachgerechte Lösung getroffen. "Allerdings ist es nach wie vor nur ein Kostenbeitrag, nicht ein Kostenersatz." Man müsse nun auch beobachten, ob die zur Verfügung stehenden Budgetkosten auch tatsächlich ausgeschöpft werden - sei das nicht der Fall, müsse man sich das Thema noch einmal ansehen und eventuell nachbessern.
Aufgrund der Rückwirkung der Regelung bis zum Jahresanfang erwartet der Präsident der Richtervereinigung, Gernot Kanduth, einen "ziemlichen Mehraufwand" für die Richterinnen und Richter. Wenn das Gesetz in den kommenden Monaten in Kraft trete, würden im Anschluss vermutlich auf einen Schlag zahlreiche rückwirkende Anträge auf Kostenersatz bei Gericht einlangen. Zusätzlich zu den ohnehin schon unbesetzten Planstellen werde dies ein "weiteres Loch aufmachen", so Kanduth zur APA. "Am Anfang wird das eine Herausforderung sein." Dadurch würden Verfahren vermutlich verlängert. Gleichzeitig appellierte Kanduth, bei nächster Möglichkeit die nötigen Planstellen zu besetzen.
Zusammenfassung
- Bei Freisprüchen in Strafverfahren wird der Kostenersatz deutlich erhöht, im Extremfall bis zu 60.000 Euro, wie aus einem Gesetzesentwurf von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hervorgeht.
- Das Finanzministerium stellt für diese Erhöhung zusätzlich 70 Millionen Euro bereit, was einer Verdreißigfachung der bisherigen Mittel entspricht.
- Die Neuregelung, die rückwirkend ab Jahresbeginn gilt, sieht vor, dass die Höhe des Ersatzes je nach Instanz und Komplexität des Verfahrens gestaffelt wird; bei Bezirksgerichten kann der Ersatz von bisher 1.000 auf bis zu 5.000 Euro steigen.