Verjährung? Koalitionsstreit nach Einsprüchen im Buwog-Prozess
2020 war Karl-Heinz Grasser wegen Untreue, Beweismittelfälschung und Geschenkannahme in der Buwog-Affäre nicht-rechtskräftig zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden. Vergangene Woche brachte er eine umfassende Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil ein. Er zweifelt unter anderem die Unabhängigkeit der Richterin an.
VfGH eingeschaltet
Wie der "Kurier" nun berichtet, soll es bei den Einsprüchen gegen das Urteil aber noch um mehr gehen: Mindestens zwei nicht-rechtskräftig Verurteilte sollen sich an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gewandt haben, um eine Verjährung ihrer Delikte zu bewirken. Der "Kurier" schreibt: "Angeblich auch Grasser". Sein Anwalt wollte das aber nicht kommentieren.
Derzeit wird die Dauer von Ermittlungen nicht in eine etwaige Verjährungsfrist eingerechnet. Die Verurteilten wollen bewirken, dass das Höchstgericht das nun kippt. Die Ermittlungen zur Buwog-Causa starteten 2009, 2016 gab es eine Anklage, 2020 fielen die Urteile. Die Verurteilten sehen sich in ihrem Recht auf eine "angemessene Verfahrensdauer" verletzt.
Das beschäftigt nun aber auch die Politik und führt zu Debatten in der Koalition: Der Verfassungsgerichtshof bat laut "Kurier" nun die Bundesregierung um eine Stellungnahme in der Causa. Fachexperten des Justizministeriums und des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt hätten diese gemeinsam erarbeitet. Am Ende der Ausführungen soll stehen, dass die angefochtene Bestimmung "nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist".
Edtstadler will nicht unterschreiben
Laut "Kurier" müssten die Ausführungen nur noch von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) unterzeichnet werden. Darauf würden die Grünen aber vergeblich warten. Edstadler sei anderer Meinung: "Ganz im Sinne des Rechts auf ein faires Verfahren" habe man sich in der Koalition nämlich darauf geeinigt, die Beschuldigtenrechte zu reformieren. "Vor diesem Hintergrund ist es aus unserer Sicht nicht sinnvoll, die aktuelle Rechtslage zur Verjährungshemmung zu verteidigen. Denn genau das ist ein Punkt, an dem eine breiter angelegte Reform anknüpfen könnte", zitiert der "Kurier" Edtstadlers Ministerium.
Aktuelle Fälle würden zeigen, dass gerade im Bereich der Verfahrensdauer dringender Handlungsbedarf besteht – "ungeachtet der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes im vorliegenden Fall". Der ÖVP dürfte es also recht sein, wenn der VfGH die Regelung kippt. Die Gesetzgeber müssten eine neue Regelung schaffen. Würden Strafverfahren aber automatisch enden, wenn nicht angeklagt wird, könnten mutmaßliche Täter immer untertauchen oder ewig Rechtsmittel ausschöpfen, bis die Frist vorbei ist.
Zusammenfassung
- Der ehemalige Finanzminister und andere Verurteilte bekämpfen Schuldspüche im Buwog-Prozess.
- Manche wollen auch die Verjährungshemmung kippen - der Verfassungsgerichtshof muss entscheiden.
- Daraus wird nun aber auch ein Politikum. Der ÖVP wäre das Recht.