Ukraine-Krieg: Wie Bachmut zur symbolischen Schlacht wurde
Bachmut ist eine kleine Stadt in Donezk im Osten der Ukraine. Vor den Kampfhandlungen hatte sie 75.000 Einwohner:innen. Monatelanger Artilleriebeschuss legte große Teile der Stadt in Schutt und Asche und zwang die Bewohner:innen zur Flucht. Die wenigen tausend Verbliebenen verstecken sich in Kellern. Ukrainische und ausländische Freiwillige riskieren ihr Leben, um sie zu versorgen.
"Bachmut ist strategisch von weniger großer Bedeutung", betont die Direktorin der Forschungsstelle Osteuropa, Susanne Schattenberg, im Gespräch mit PULS 24. Auf ukrainischer Seite würde man deshalb häufig diskutieren, die Truppen abzuziehen und sie dadurch für eine möglicherweise kommende Großoffensive zu schonen. "Gleichwohl könnte der Fall Bachmuts (den Russen, Anm.) den Weg frei machen auf weitere wichtigere Städte in der Ost-Ukraine", so die Expertin.
Das ganze Interview zu Bachmut:
Für Wladimir Putin wäre es derzeit wichtig einen "symbolischen Sieg" zu erzielen. Damit könnte der russische Präsident zeigen, dass er die vier Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja, die er per Dekret im September 2022 annektierte, auch beherrsche. Davon sei er aktuell noch "sehr weit entfernt", so Schattenberg weiter.
Dass Bachmut für beide Seiten militärtaktisch kaum relevant ist, ist eine Position, die von zahlreichen weiteren Expert:innen vertreten wird. So erklärte etwa der frühere australische Generalmajor Mick Ryan von der US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies, dass der Kampf um Bachmut enorme militärische und menschliche Ressourcen verschlungen hätte. "Diese Investitionen stehen in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Stadt."
Symbol der "Festung Bachmut"
Beide Seiten hätten sich auf die Stadt fixiert, was aber nur dazu geführt habe, "ihr Potenzial gegenseitig zu schwächen", sagt auch der belgische Militärexperte Joseph Henrotin. Doch sei die Stadt Bachmut "nur ein Teil des Puzzles. Ihr Fall ist bedeutungslos, wenn die anderen Stellungen halten." Die Einnahme des Ortes könnte es Russland ermöglichen, nach Westen in Richtung Kramatorsk vorzudringen. Kramatorsk jedoch sei gut verteidigt, betont Henrotin. Selbst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte im Februar im Interview mit der französischen Zeitung "Le Figaro" ein, dass Bachmut von russischer Artillerie "vollständig zerstört" worden sie - und demnach strategisch wenig bedeutend.
Je länger die Schlacht um Bachmut dauert, umso weiter steigt jedoch ihre symbolische Bedeutung. Selenskyj besuchte die Stadt im Dezember und sprach von der "Festung Bachmut". Für Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin ist die Einnahme der Stadt ein beinahe persönliches Ziel, das die Bedeutung seiner Söldner beweisen würde.
Schauplatz russischer Rivalitäten
Der Kampf um Bachmut hat auch die Rivalität zwischen dem russischen Verteidigungsministerium und Wagner-Chef Prigoschin zutage gebracht. Ende Februar warf Prigoschin dem Verteidigungsministerium vor, militärische Fortschritte in der umkämpften Stadt zu behindern, weil es seinen Söldnern nicht genügend Munition liefere.
"Er hat bereits angedroht, dass Russland sich ansonsten zurückziehen müsste", erklärt Susanne Schattenberg auf PULS 24. "Was zu weiteren territorialen Verlusten auf russischer Seite führen könnte." Dass sich Prigoschin in dieser Situation so klar äußere, zeige, wie "sensibel" die Lage sei, betont Schattenberg. Gleichzeitig habe der Wagner-Chef auch immer die Intention die aktuelle Militärführung und den Verteidigungsminister Sergei Schoigu zu "desavouieren". "Er will zeigen, dass er der Kenner der Lage ist", so die Expertin.
Auch wenn Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache am Dienstagabend klar davon sprach, Bachmut halten zu wollen, hat es bereits einen teilweisen kontrollierten Rückzug auf ukrainischer Seite gegeben. Daraufhin haben russische Einheiten am Mittwoch wahrscheinlich den östlichen Teil der hart umkämpften Stadt eingenommen. Das gab das Washingtoner Institute for the Study of War (ISW) am Dienstagabend auf Twitter bekannt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg befürchtet indes, dass die Stadt "in den nächsten Tagen fällt".
Zusammenfassung
- Die Stadt Bachmut in Donezk wird seit sieben Monaten hart umkämpft.
- Dabei wird ihr strategisch nur eine sehr geringe Bedeutung zugemessen.