Ukraine: Explosionen in der Region Lwiw
Ende März hatte Russland Raketen auf ein Treibstofflager und eine Militäranlage in Lwiw abgefeuert. Die Großstadt Lwiw ist nur rund 70 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Lwiw blieb bisher weitestgehend von den Kämpfen in der Ukraine verschont. Die Stadt ist Zufluchtsort und Durchgangsstation für Hunderttausende Flüchtlinge aus den anderen Landesteilen der Ukraine. Auch viele westliche Diplomaten waren nach Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar von der Hauptstadt Kiew nach Lwiw umgezogen, weil die Stadt im Westen der Ukraine als sehr viel sicherer gilt.
Auch Kiew und Mariupol betroffen
Russland hat auch seine Angriffe auf die ukrainische Hauptstadtregion fortgesetzt. In den Dörfern Welyka Dymerka und Bogdanikowa im Großraum Kiew sind laut Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft vom Dienstag zwölf Menschen durch Gewehrfeuer und Artillerie getötet worden. In Butscha gingen unterdessen die Aufräumarbeiten weiter. Bei einem Ortsbesuch sagte der ukrainische Innenminister Denys Monastyrsky, dass in den Wohnungen und Wäldern noch "dutzende Leichen" lägen.
Das russische Verteidigungsministerium hatte auch neue Gefechte gegen ukrainische Truppen in der Hafenstadt Mariupol angekündigt. Das "Regime" in Kiew ignoriere ständig Aufforderungen, die Kämpfe einzustellen, so Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow Dienstagabend in Moskau. Die Truppen sollten die Waffen niederlegen und aus der Stadt über die vereinbarten Korridore abziehen. Kiew habe aber kein Interesse daran, das Leben seiner Soldaten oder der Menschen in der Stadt zu schützen.
Streitkräfte der "Volksrepubliken"
"Mariupol wird durch die Einheiten der russischen Streitkräfte und der Donezker Volksrepublik befreit von den Nationalisten", sagte Generalmajor Konaschenkow. Sein Kollege Michail Misinzew erzählte, dass die humanitären Korridore kaum funktionierten. Die russische und die ukrainische Seite werfen sich immer wieder gegenseitig Verstöße gegen die Feuerpause vor. Die russischen Streitkräfte teilten mit, sie hätten zwei ukrainische Kampfhubschrauber in der Stadt abgeschossen. Überprüfbar waren diese Angaben aber nicht.
Die Ukraine wirft Russland einen brutalen Angriffskrieg und eine Vielzahl von Kriegsverbrechen auch in Mariupol vor. Russland hatte die selbsternannte Volksrepublik Donezk und die benachbarte Region Luhansk im Februar gegen internationalen Protest als unabhängige Staaten anerkannt und war dann in die Ukraine einmarschiert.
Einheiten der "Volksrepublik" Luhansk setzten nach Angaben des Ministeriums in Moskau ebenfalls ihre Angriffe in der Ostukraine fort. Dabei seien etwa 50 ukrainische Kämpfer getötet worden, betonte Generalmajor Konaschenkow. Mit Raketen seien zudem ein Kommandopunkt, ein Kraftstofflager und ein Werk für die Reparatur von Panzertechnik zerstört worden.
Evakuierungen halten an
Unterdessen konnte laut Angaben aus Kiew am Dienstag mehr als 3.800 Menschen aus umkämpften Gebieten des Landes evakuiert werden. Rund 2.200 Menschen seien aus der schwer umkämpften und größtenteils zerstörten Stadt Mariupol und dem nahen Berdjansk nach Saporischschja gebracht worden, teilte die Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk in einer auf Telegram veröffentlichten Videobotschaft am Dienstag mit. Weitere mehr als 1.000 Menschen seien aus der Region Luhansk in Sicherheit gebracht worden
Ein Konvoi aus sieben Bussen, der Menschen aus Mariupol evakuieren sollte und der nach Angaben aus Kiew kurzzeitig samt Mitarbeitern des Roten Kreuzes von russischen Truppen in der ukrainischen Ortschaft Manhusch festgehalten worden war, habe schließlich umkehren müssen. Am Weg zurück hätten diese Busse Bewohner Mariupols und aus Berdjansk mitnehmen können, sagte Wereschtschuk weiter. Der Buskolonne folgten zudem mehr als 40 Privatautos. Man erwarte daher, dass in naher Zukunft weitere 400 Menschen in Saporischschja in Sicherheit seien.
Aus Moskau hieß es, binnen 24 Stunden seien mehr als 18.600 Menschen aus "gefährlichen Bezirken" der Ukraine, der Region Luhansk und Donezk evakuiert worden. Das berichtete die staatliche Agentur Tass am Dienstagabend mit Berufung auf Angaben des Generalmajors Michail Misinzew vom russischen Verteidigungsministerium. Zudem käme es zu vermehrtem Beschuss eines Abschnitts eines zu Mariupols zählenden humanitären Korridors, hieß es weiter. Kiew und Moskau beschuldigen sich seit Wochen gegenseitig, die Flucht von Zivilisten zu sabotieren. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.
USA wollen weiter helfen
Die USA wollen der Ukraine Schutzausrüstung liefern, die bei einem russischen Einsatz von chemischen oder biologischen Waffen angewendet werden kann. Das sagte ein Vertreter der US-Regierung am Dienstagabend. Die Ausrüstung, um die Kiew gebeten hat, werde fortlaufend in die Ukraine geschickt. Ein Teil sei bereits versendet worden, hieß es.
Außerdem haben die USA zusätzliche Militärhilfen in Höhe von bis zu 100 Millionen Dollar (92 Millionen Euro) angekündigt. Damit solle "ein dringender ukrainischer Bedarf an zusätzlichen Javelin-Panzerabwehrsystemen gedeckt werden", erklärte Pentagon-Sprecher John Kirby am Dienstag. Die tragbaren Raketen hätten sich bei der Verteidigung gegen die russische Invasion "bewährt". Kirby zufolge haben die USA somit seit Beginn der russischen Invasion das ukrainische Militär mit "mehr als 1,7 Milliarden Dollar" unterstützt. Der US-Außenminister Antony Blinken erklärte, die zusätzlichen Hilfen würden "sofort" bereitgestellt. Er fügte hinzu, dass "die Welt schockiert und entsetzt ist über die Gräueltaten, die von den russischen Streitkräften in Butscha und in der gesamten Ukraine begangen wurden".
Deutschland und Waffenlieferungen
Auch die deutsche Regierung will laut SPD-Chef Lars Klingbeil weitere Waffenlieferungen an die Ukraine prüfen. "Wir haben gerade in diesen Tagen gesehen, was Putin für ein furchtbarer Kriegsverbrecher ist, das darf nicht ohne Konsequenzen bleiben", sagte Klingbeil in der Sendung "RTL Direkt" am Dienstagabend mit Bezug auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Mit dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar habe ein Umdenken in der Bundesregierung begonnen. Deutschland sei inzwischen einer der größten Waffenlieferanten an die Ukraine, so der SPD-Politiker. "Es muss jetzt in einem großen Tempo jeden Tag geprüft werden, was wir noch liefern können." Die Bundesregierung müsse immer prüfen, was notwendig und sinnvoll sei. "Aber Deutschland muss liefern, die Ukrainerinnen und Ukrainer müssen gestärkt werden", betonte Klingbeil. Zudem hoffe er, dass ein Kohleembargo zum fünften Sanktionspaket der Europäischen Union gehören werde, so der SPD-Politiker.
Zusammenfassung
- "Alle müssen in den Schutzräumen bleiben", schrieb Gouverneur Maksym Kosytsky im Onlinedienst Telegram und verwies auf Explosionen nahe Radechiv, einer rund 70 Kilometer nordöstlich von Lwiw gelegenen Stadt.
- Die Stadt ist Zufluchtsort und Durchgangsstation für Hunderttausende Flüchtlinge aus den anderen Landesteilen der Ukraine.
- Mit dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar habe ein Umdenken in der Bundesregierung begonnen.