U-Ausschuss: Sobotka kritisiert Justizministerium wegen Aktenlieferungen
Insgesamt habe der Ausschuss "sicherlich eine ganze Menge" gebracht.
Die Aktenlieferungen seien jedoch "nicht zufriedenstellend" gewesen, meinte Sobotka und kritisierte Justizministerin Alma Zadic und ihr Ministerium. Es habe Verzögerungen gegeben, auch habe das Justizministerium bis heute etwa die Chats des früheren FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache nicht geliefert. Zudem seien die Grundrechte "massiv beeinträchtigt" worden. Akten seien nicht geschwärzt worden, obwohl es seiner Meinung nach notwendig gewesen wäre, um Unbeteiligte zu schützen. So sieht Sobotka das Briefgeheimnis verletzt, durch Leaks an die Medien, aber auch durch das "Absenden" bestimmter Akten an sich - konkret durch das Justizministerium, wie er auf Nachfrage sagte.
Blümels Verhalten keine "Verhöhnung"
Dass das von seinem Parteikollegen Gernot Blümel geführte Finanzressort dem Ausschuss zusätzliche Akten erst geliefert hatte, als der Verfassungsgerichtshof den Bundespräsidenten zur Exekution aufgefordert hatte, sah Sobotka auf Nachfrage zwar nicht prinzipiell als "Verhöhnung" des Parlaments, aber er sei froh über die klaren rechtlichen Entscheidungen.
Zur Erinnerung: Finanzminister Blümel hatte Akten, Unterlagen und Kommunikation aus dem Finanzministerium erst nach einem Entscheid des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) und auch dann nur nach Exekution durch den Bundespräsidenten geliefert. Dieser sah sich nach einer weiteren Beschwerde durch die Fraktionen darüber hinaus genötigt, das Straflandesgericht Wien mit der Sicherstellung der Daten zu beauftragen.
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Sobotka weist Befangenheit weiter zurück
Sobotka selbst stand als Vorsitzender wegen Befangenheitsvorwürfen unter Dauerbeschuss. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl hatte die Situation am Samstag im Ö1-"Mittagsjournal" als "unangenehm" bezeichnet - es wäre ihm lieber gewesen, "es wäre von Haus aus kein Anschein einer Befangenheit vorgelegen".
Er habe keinen inhaltlichen Zusammenhang gesehen, bekräftigte Sobotka - beim früheren BVT-U-Ausschuss, als er den Vorsitz abgegeben hat, sei die Situation eine andere gewesen, weil er als früherer Innenminister in der Verantwortung gewesen sei. Folgerichtig würde Sobotka auch bei einer etwaigen Fortsetzung des Ibiza-Ausschusses wieder am Vorsitzsessel Platz nehmen - sonst würde er sich auch einer "Dienstpflicht" entziehen, meint er.
Kritik an Anzeigen
Einmal mehr kritisierte Sobotka, dass er selbst immer wieder angezeigt worden sei, obwohl alles eingestellt worden sei. Man solle wohl die "3-D-Regel" beachten - Deeskalieren, Datenschutz ernstnehmen, Disziplin an den Tag legen, empfahl der Präsident. "Dann brauchen wir weniger mit Strafanzeigen agieren."
In Summe habe der U-Ausschuss jedenfalls "sicherlich eine ganze Menge" gebracht, resümierte der Nationalratspräsident. Eine Kostendebatte lehnt er ab, denn die Demokratie dürfe nicht an den Kosten gemessen werden. Eine Reform der Verfahrensordnung müsse von den Fraktionen kommen. Bei Vorschlägen wie einer Liveübertragung im TV müsse man abwägen - für einen Politiker wäre das wohl kein Problem, bei einem Büromitarbeiter schaue es aber vielleicht anders aus.
56 Sitzungen, 493 Stunden, 105 Auskunftspersonen, 2,7 Millionen Aktenseiten, elf Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und elf Verfahren zu Beugestrafen lautet die statistische Bilanz des Ibiza-Untersuchungsausschusses. Rücktritte, Suspendierungen, Auseinandersetzungen zwischen Staatsanwaltschaften, Höchstgerichts-Urteile, "Entrüstungen", "Unterstellungen" und Strafanzeigen habe der Ausschuss ebenfalls gebracht, ergänzte Sobotka bei einer Pressekonferenz.
"Auf den Parlamentarismus in Österreich Verlass"
Insgesamt sprach Sobotka für das Parlament von einem "Jahr der Rekorde". Obwohl man das Klima "da und dort als sehr kontroversiell und sehr intensiv" betrachte - an 70 Sitzungstagen gab es immerhin 53 Ordnungsrufe -, habe sich im Großen und Ganzen inhaltlich oft ein gemeinsamer Nenner finden lassen. In krisenhaften Zeiten habe sich gezeigt, "dass das Parlament zu hundert Prozent in Aktion ist und dass auf den Parlamentarismus in Österreich Verlass ist".
Hervorgehoben wurden von Sobotka etwa der Kampf gegen Antisemitismus und die Bemühungen um das Ehrenamt in der Zivilgesellschaft. Die Parlamentssanierung sei nach derzeitigem Stand im Plan, sowohl was den Zeitplan als auch was den Kostenrahmen betrifft. Man setze auch zahlreiche Auslandsaktivitäten, so werden von 6. bis 8. September 115 Parlamentspräsidenten bei einer internationalen Parlamentarierkonferenz in Wien erwartet.
Zusammenfassung
- Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat am Montag noch einmal Bilanz über das Parlamentsjahr und den Ibiza-U-Ausschuss gezogen.
- Nicht zufrieden ist er mit den Aktenlieferungen, denn hier seien auch Grundrechte "massiv beeinträchtigt" worden - konkret kritisierte Sobotka dahingehend auf Nachfrage das vom Koalitionspartner geführte Justizministerium.
- Insgesamt sprach Sobotka für das Parlament von einem "Jahr der Rekorde".