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Türkis-Rot-Pink

Trafikanten bis Borkenkäfer: Wer sich freuen kann, wer nicht

Heute, 14:35 · Lesedauer 7 min

Am Donnerstag stellten ÖVP, SPÖ und NEOS ihr Regierungsprogramm mit dem Titel "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich" vor. Auf 211 Seiten finden sich zahlreiche Maßnahmen, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen. Neben den Gewinnern gibt es darin auch eine Reihe von Verlierern des Koalitionspakts.

Bei der Präsentation des Regierungsprogramms am Donnerstag wurden die Parteispitzen Christian Stocker (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) nicht müde zu betonen, dass es sich bei dem Koalitionspakt um eine Kompromisslösung handelt.


Türkis-Rot-Pink scheinen mit den erarbeiteten Punkten und Maßnahmen jedoch zufrieden zu sein. Doch, wie immer im Leben, kann man es nicht allen recht machen – und so gibt es auch im neuen Regierungsprogramm neben Gewinnern eine Reihe von Verlierern.

Gewinner des Regierungsprogramms

  • Workaholics: Türkis-Rot-Pink hat sich darauf geeinigt, Überstunden bzw. Zuschläge künftig steuerlich besser zu begünstigen. Auch für Menschen, die in der Pension dazuverdienen, gibt es gute Nachrichten: Ab 2026 soll der Zuverdienst bei Pensionsbezug nur noch mit 25 Prozent endbesteuert werden. Zudem sollen keine Sozialversicherungsbeiträge anfallen.
  • Bargeld-Liebhaber:innen: Aufatmen dürfen alle eingefleischten Bargeldzahler:innen. Die Regierung bekennt sich in ihrem Programm "zu einer flächendeckenden Bargeldversorgung".
  • Mieter:innen: Entlastungen haben ÖVP, SPÖ und NEOS auch bei den Mieten versprochen. Kategoriemieten, Richtwertmieten und Mieten in gemeinnützigen Wohnbauten sollen heuer gar nicht mehr erhöht werden, im kommenden Jahr ist ein Anstieg um maximal ein Prozent erlaubt und 2027 höchstens um zwei Prozent. Ab 2028 gilt dann im "gesamten Wohnbereich" eine Begrenzung von Mietsteigerungen auf maximal drei Prozent. Zudem wird die Mindestdauer für Befristung auf fünf Jahre angehoben.
  • Pfleger:innen: "Als Zeichen des Respekts und der Wertschätzung" planen Türkis-Rot-Pink, Pflegeberufe in die Schwerarbeitspensionsregelung aufzunehmen.
  • Trafikant:innen: Das Tabakmonopol soll modernisiert und künftig auf "neuartige, nicht medizinische Nikotinprodukte" erweitert werden. Bisher waren E-Zigaretten und Nikotinpouches auch außerhalb von Trafiken erhältlich.
  • Verfassungsschützer:innen: Bereits seit Jahren fordert die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienste (DSN) eine Überwachung der verschlüsselten Messengerdienste wie etwa WhatsApp oder Signal. Die ÖVP unterstützte die Forderung und dürfte in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt haben, dass Österreich nun doch einen Bundestrojaner bekommt. 
  • Der Nikolo: Immer wieder gibt es Befürchtungen, der Nikolaus könnte aus Kindergärten und Schulen verbannt werden. Einem solchen Verbot erteilte die türkis-rot-pinke Koalition jedoch eine Absage: "Unsere Fest- und Feiertagskultur (Nikolaus, Weihnachten, Ostern, Mutter- und Vatertag, Erntedankfest etc.) wird in unseren Schulen und Kindergärten gefördert."
  • Supermärkte, Würstelstände und Co: Nahversorger, die gänzlich digital oder in Randzeiten digital und ohne angestelltes Personal betrieben werden, werden aus dem Öffnungszeitengesetz ausgenommen. Erleichterungen plant die Koalition auch bei der Belegausstellungspflicht: Kassenbelege und Rechnungen sollen erst ab einem Betrag von 35 Euro ausgestellt werden.
  • Schönwetter-Raucher:innen: Unter der neuen Regierung wird es laut dem Programm in Freiluftbereichen von Tourismus- und Freizeitbetrieben keine neuen gesetzlichen Rauchverbote geben. Jedem Betrieb bleibt somit die selbstständige Entscheidung, ob das Rauchen im Gastgarten erlaubt ist oder nicht. 
  • "Brennpunktschulen": Für Schulen mit größeren sozialen Herausforderungen ist ein "sozialindizierter Chancenbonus" vorgesehen. Die zusätzlichen Mittel sollen zur schulautonomen Verwendung – etwa für standortgebundenes psychosoziales Supportpersonal, Lehrkräfte, Lerncoaching, Förderunterricht, Nachhilfe, Schulentwicklung oder Fortbildung – zur Verfügung stehen.
  • Kinder: Die Bundesregierung bekennt sich in ihrem Programm zum Ziel, die Kinderarmut zu bekämpfen und die Chancengerechtigkeit aller Kinder und Jugendlichen in Österreich zu verbessern. Dafür soll eine 2-Säulen-Kindergrundsicherung umgesetzt werden, "mit dem Ziel, Kinderarmut gemäß dem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Kindergarantie bis 2030 zu halbieren".
  • Bundesheer: Das Budget für die Landesverteidigung soll in den kommenden Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes angehoben werden. Neben Nachfolger für die Eurofighter und Saab-105-Trainingsjets soll das Heer auch eine neue Bereitschaftstruppe erhalten. Weiter attraktivieren will die türkis-rot-pinke Koalition den Soldatenberuf ebenso wie den Grundwehrdienst. 
  • Polizei: Türkis-Rot-Pink planen auch die Exekutive weiter zu stärken. So soll die Polizei etwa mit nicht-tödlichen Waffen (z.B. Taser) und neuen Autos ausgestattet werden. Zudem soll die flächendeckende Ausstattung mit Body-Cams umgesetzt werden. Auch eine Personaloffensive inklusive eines "neuen, attraktiven Besoldungs- und Dienstzeitmodel" sowie einer Verbesserung des Arbeitsumfelds ist im Regierungsprogramm festgeschrieben. 
  • Unternehmen: Sollten es die budgetären Mittel zulassen, ist bis zur Mitte der Regierungsperiode eine Senkung der Lohnnebenkosten vorgesehen. 

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Verlierer des Regierungsprogramms

  • Klima: Neun Seiten umfasst das Kapitel "Klima- und Umweltschutz" im Regierungsprogramm, über 50 waren es noch bei der türkis-grünen Regierung. Am Ziel der Klimaneutralität 2040 wird zwar festgehalten, große Würfe in Sachen Umweltschutz sucht man allerdings vergeblich.
  • Glücksspielkonzerne: Die Bundesregierung will die Steuern und Abgaben auf Wetten und Glücksspiel deutlich anheben. Zudem plant Türkis-Rot-Pink Verschärfungen im Bereich des Automatenglücksspiels, um die Suchtgefahr zu reduzieren und Verluste der Spieler:innen zu begrenzen. So sollen die Spieldauer, Höchsteinsätze und Gewinnhöhe beschränkt werden. 
  • Pensionist:innen: Der Krankenversicherungsbeitrag für Pensionist:innen steigt ab 1. Juli 2025 von 5,1 auf 6 Prozent. Außerdem wird die zuletzt ausgesetzte "Aliquotierung" zumindest teilweise wieder eingeführt werden. Auch für alle, die erst in den kommenden Jahren in Pension gehen, gibt es schlechte Nachrichten: Ab 2026 gibt es Anhebungen bei der Korridorpension. 
  • Asylberechtigte: Die neue Regierung hat sich dazu entschieden, den Familiennachzug mit sofortiger Wirkung vorübergehend auszusetzen. Sollte der Nachzug künftig wieder zugelassen werden, können Ehepartner erst ab dem 21. Lebensjahr und nicht wie bisher ab 18 nachreisen. Im Bereich Asyl und Migration sind zudem noch eine Reihe weiterer Maßnahmen geplant.
  • Raucher:innen: Ohne Zutun der neuen Regierung wird das Rauchen ab April teurer. Wegen einer Erhöhung der Tabaksteuer wird eine Schachtel Zigaretten um 20 bis 30 Cent teurer. Künftig wird man für Zigaretten allerdings noch tiefer ins Börserl greifen müssen: Türkis-Rot-Pink will die Tabaksteuer weiter anheben. 
  • Junge Paare: Die Regierung hat sich auf eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestalters für die Eheschließung geeinigt. Aktuell kann eine Ehe mit Zustimmung der gesetzlichen Vertreter bereits ab 16 Jahren geschlossen werden. Künftig darf man in Österreich erst mit 18 Jahren heiraten. Zudem wird die Ehe zwischen Cousins und Cousinen verboten.
  • Wahlärzt:innen: Der Koalitionspakt sieht eine Verpflichtung für Wahlärzt:innen vor, im Notfall in einem gewissen Ausmaß auch Patient:innen zu Kassenkonditionen zu behandeln.
  • Borkenkäfer: Die Regierung will einem der gefährlichsten Schädlinge in der Forstwirtschaft an den Kragen gehen. Dafür sollen die bisherigen Ansätze zur Kalamitätsbekämpfung zu einer "bundesweiten Schädlingsstrategie " gebündelt werden.
  • Banken, Stiftungen und Energiekonzerne: Die Bankenabgabe wird 2025 und 2026 von 150 auf 500 Millionen Euro angehoben. Anschließend soll sie jährlich 200 Millionen Euro ins Budget spülen. Die Übergewinnsteuer für Energiekonzerne wird verlängert, womit der Staat jährlich Einnahmen von 200 Millionen Euro erzielt. Die Regierung hebt zudem die Stiftungssteuer von 2,5 auf 3,5 Prozent und die Zwischensteuer für Stiftungen auf 27,5 Prozent an.
  • Extremist:innen: Die neue Regierung will sich für die Schaffung eines europäischen Hassprediger-Registers samt Einreiseverboten in den Schengen-Raum einsetzen. Zudem plant sie, sich auf EU-Ebene für die Implementierung von einstweiligen Verfügungen zur Sperrung von Accounts von Hasspredigerinnen und Hasspredigern einzusetzen. 
  • E-Autofahrer:innen: Türkis-Rot-Pink plant eine "Ausweitung der motorbezogenen Versicherungssteuer auf E-Autos". Wie hoch diese ausfallen wird, ist bisher noch unklar. Gleichzeitig gibt es aber auch eine Maßnahme über die sich E-Autobesitzer:innen freuen dürfen: So sollen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Ladeinfrastruktur für E-Autos rasch auszubauen.

Video: Das steht im türkis-rot-pinken Regierungsprogramm

Zusammenfassung
  • Am Donnerstag stellten ÖVP, SPÖ und NEOS ihr Regierungsprogramm mit dem Titel "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich" vor.
  • Auf 211 Seiten finden sich zahlreiche Maßnahmen, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen.
  • Neben den Gewinnern gibt es darin auch eine Reihe von Verlierern des Koalitionspakts.