Treichler zu Katar: "Es ist nicht so schwarz-weiß"
Die Tatsache, dass die WM so umstritten ist, sei schon etwas Gutes, sagt "Profil"-Journalist Robert Treichler. Bevor der Golfstaat die Weltmeisterschaft zugesprochen bekommen hat, habe die Welt nicht gewusst, unter welchen sklavenartigen Zuständen die dortigen Arbeitsmigranten zu arbeiten haben.
Durch die internationale Öffentlichkeit sei Katar unter Druck geraten, erklärt Treichler. Das Regime habe bemerkt, dass nicht die WM selbst das Thema in den Medien war, sondern die schlechten menschenrechtlichen Zustände dort. Das Emirat habe sich daraufhin mit der Internationalen Arbeitsorganisation – einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen – schließlich darauf geeinigt, Regeln zu schaffen, die das Leben der Arbeiter verbessern sollten.
Überarbeitung "Kafala-System"
In Katar herrscht auf dem Arbeitsmarkt das sogenannte "Kafala-System". Dieses regelt unter anderem, dass ein Arbeitsmigrant per Vertrag dem Arbeitgeber quasi komplett ausgeliefert ist. Das geht so weit, dass der Arbeiter, trotz schlechter Behandlung, nicht den Job wechseln darf. Dieses System wurde überarbeitet, erklärt Treichler. Nach dem Gesetz stehe es den Arbeitnehmer:innen nun zu, Arbeitgeber:innen zu wechseln.
Ebenfalls wurde ein Mindestlohn eingeführt – wenn auch ein "sehr mickriger". Auch wenn es nur kleine Schritte sind, ist die Internationale Arbeitsorganisation der Ansicht, dass es sich um Fortschritte handle, sagt der Journalist. All das wäre ohne WM-Vergabe nicht geschehen.
Katar gab hunderte Tote bei WM-Bauarbeiten zu
Laut dem britischen "Guardian" starben während der Bauarbeiten für die WM über 6.000 Menschen, Katar selbst gab diese Woche zu, dass zwischen 400 und 500 Menschen dabei starben. Auch Treichler zweifelt die Zahl vom "Guardian" nicht an, zumal Katar bis vor ein paar Tagen noch von Totenzahlen im einstelligen Bereich sprach.
Demokratischen Schritt beschlossen
Während es bei Arbeitsmigranten zumindest zu kleinen Fortschritten gekommen ist, haben sich die Rechte für Frauen oder Homosexuelle nicht gebessert, sagt auch Treichler. Dennoch sieht er einen Schritt in Richtung Demokratie. Bereits vor der Weltmeisterschaft habe Katar eine Verfassung eingeführt, die auch Wahlen vorschreibt. Alle fünf Jahre muss nun ein Rat gewählt werden. Zuletzt ein Jahr vor der WM. Um ein Parlament im westlichen Sinne handelt es sich dabei allerdings nicht. Von den 45 Mitgliedern werden 30 gewählt, 15 werden durch den Emir ernannt. Primär ist die "Beratende Versammlung" dazu da, den Staatshaushalt zu billigen.
Auch habe sich das Emirat im Demokratie-Ranking etwas nach oben bewegt. Das sei bei Ländern wie China, Russland oder Ägypten mit ähnlich großen Veranstaltungen nicht passiert. Diese hätten sich im Gegenteil sogar verschlechtert. "Es ist nicht so schwarz-weiß", sagt der Journalist.
Zukunft ungewiss
Ob diese Verbesserungen über die WM hinaus auch bestehen bleiben, sei "schwer vorherzusehen". Da diese Neuerungen gesetzlich beschlossen wurden, habe das Regime es schwer, diese wieder aufzuheben. Menschenrechtsorganisationen hätten dadurch einen "gewissen Hebel", um dem Staat klarzumachen, dass er seinen eigenen Gesetzen Folge zu leisten habe.
Zusammenfassung
- "Profil"-Journalist Robert Treichler ist der Meinung, dass die Fußball-WM in Katar auch Gutes bewegen konnte.
- Durch die Vergabe der WM sei das dortige Regime gezwungen gewesen, die Rechte von Arbeitsmigranten zu verbessern.