Trauriger Rekord: So viele Menschen auf der Flucht wie nie zuvor
Rund 110 Millionen Menschen seien aktuell auf der Flucht, zwei Drittel davon in ihren Heimatländern, ein Drittel flüchtete überwiegend in Nachbarländer. Vor einem Jahr, im Juni 2022, lag die Zahl noch bei rund 100 Millionen.
Die Menschen flüchten vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. Viele Krisen würden durch die Folgen des Klimawandels noch verschärft, etwa, wenn im Streit über schwindende Ressourcen alte Spannungen neu aufbrechen. Die Zahlen seien verheerend, sagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi. "Es ist ein Armutszeugnis für den Zustand unserer Welt."
Reiche Länder nicht im Fokus von Flüchtlingen
Das UNHCR verlangt, Fluchtursachen besser zu bekämpfen. Alle behaupten, Flüchtlinge streben in reiche Ländern, nach Europa, die USA oder Kanada, aber das sei falsch, sagte Grandi. "Ausgerechnet die ärmsten Länder zeigen die größte Aufnahmebereitschaft und tragen die größte Last", sagt Deutschlands Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD).
Die Gesamtzahl der Vertriebenen lag zum Stichtag Ende 2022 bei 108,4 Millionen, fast 20 Millionen höher als ein Jahr davor. 2023 kamen unter anderem die Vertriebenen im Sudan dazu.
Diese Länder nahmen 2022 die meisten Flüchtlinge auf:
- Türkei (3,6 Millionen)
- Iran
- Kolumbien
- Deutschland (2,1 Millionen)
Die meisten Flüchtlinge stammen aus Syrien (6,5 Millionen), der Ukraine und Afghanistan (je 5,7 Millionen).
Die Sudankrise mache ihm Sorge, sagte Grandi. Dort tobt seit Mitte April ein Machtkampf zwischen Präsident und ehemaligem Vizepräsident. Mehr als 1,4 Millionen Menschen wurden innerhalb der Grenzen neu vertrieben, zusätzlich zu den 3,7 Millionen, die schon vor der Krise ihre Heimatorte verlassen mussten. Hunderttausende flohen zudem bereits in Nachbarländer. Schmuggler könnten, wenn sich die Lage nicht bald stabilisiert, Sudanesen auf die Fluchtrouten "nach Libyen und weiter" locken. Von Libyen starten viele Flüchtlingsboote Richtung Europa.
Doppelt so viele sich und ihre Kinder nicht ernähren
Nach einer Umfrage der Kinderhilfsorganisation World Vision in 18 Ländern verschlechterte sich die Lage von Vertriebenen und ihren Kindern. Gründe seien etwa die Folgen des Klimawandels, Auswirkungen der Pandemie und die Inflation. Die Zahl der Familien, die ihren Lebensunterhalt nicht mehr selbstständig bestreiten können, habe sich innerhalb eines Jahres verdoppelt. "Wir sind äußerst besorgt über die besonders hohe Anzahl von Frühverheiratungen in Afghanistan und Niger", sagte Kristina Kreuzer von World Vision.
Grandi kritisierte, dass kaum politische Lösungen für Konflikte mehr gefunden würden. Für 5,7 Millionen im eigenen Land Vertriebene endete die Flucht im vergangenen Jahr zwar, aber nur 340.000 Flüchtlinge kehrten aus dem Ausland in ihre Heimat zurück. Grandi sagte aber, zumindest könne der Druck auf überlastete Asylbehörden gemindert werden. Wenn reichere Länder mehr legale Wege der Einwanderung für Migranten böten, würden weniger von ihnen Asyl beantragen. Viele Asylbewerber werden abgelehnt, weil Asyl und ähnlicher Schutz Menschen vorbehalten ist, die vor Krieg, Konflikten, Verfolgung und Gewalt fliehen.
Zusammenfassung
- Die Zahl der Krisen weltweit wächst und damit auch die der Flüchtlinge: Aktuell sind so viele Menschen aus ihrer Heimat vertrieben wie noch nie zuvor, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Mittwoch in Genf berichtete.
- Im Juni 2022 lag die Zahl bei rund 100 Millionen.
- Die Zahlen seien verheerend, sagte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi.
- Die meisten Flüchtlinge stammen aus Syrien, der Ukraine und Afghanistan.