Was Österreich trotz Neutralität für die Ukraine tun kann

Die Europäer müssten erkennen, dass die Ukraine die wichtigste Sicherheitsarbeit leistet, um Europa vor Russland zu schützten, sagt Historiker Timothy Snyder. Auch Österreich könne mit Minen-Räumung einen Beitrag leisten. Man könne neutral, sogar pazifistisch sein und sich trotzdem engagieren. Wann der Krieg ende, hänge auch von uns ab, in Russland sehe er jedenfalls schon Anzeichen dafür.

Alexej Nawalnys Tod sei zwar ein Schock, aber zu erwarten gewesen, sagt Historiker Timothy Snyder im PULS 24 Interview mit Lukas Kimeswenger. Tatsächliche Politik mit einer Opposition werde es in Russland erst wieder geben, wenn es den Ukraine-Krieg verliert. Dabei müsse der Westen den Ukrainern helfen. 

Hauptproblem der Ukraine: "Wir"

Die Ukrainer kämpfen trotz des jetzigen Rückzugs aus Awdijiwka laut Snyder "sehr gut", ihr Hauptproblem seien wir. Die Europäer müssten erkennen, dass die Ukrainer die wichtigste Sicherheitsarbeit für Europa leisten und investieren. Auch die USA täte nicht genug. Beruhigend sei, dass eine klare Mehrheit der US-Politiker und der -Bevölkerung für die Unterstützung der Ukraine sei. 

Österreich: Minen-Räumung statt Militär-Intervention

Auch Österreich könne einen wichtigen Beitrag leisten. "Österreich verfügt über spezifische Ressourcen für die Minen-Räumung, die in der Ukraine ein enormes Problem darstellt. Das wäre etwas, das Österreich tun kann, was keine direkte militärische Intervention ist." Damit wäre der ukrainischen und der europäischen Wirtschaft geholfen, aber auch den Menschen, um ein sicheres Leben führen zu können. 

Österreichs Abhängigkeit von Russland "macht keinen Sinn"

Gleichzeitig müsse Österreich seine Energiepolitik und seine nach Russland hin gerichtete Wirtschaftspolitik ändern. Österreich habe sich noch nicht ausreichend von Russland distanziert. "Es macht keinen Sinn, so übermäßig von einem Land abhängig zu sein, das einen imperialistischen Krieg führt." Österreich sei aber nicht der einzige Staat, der da Nachholbedarf habe.  

Neutralität neu denken

Österreich poche immer auf seine Neutralität, aber "was bedeutet es, neutral zu sein, wenn es keine zwei Blöcke mehr gibt? Die österreichische Neutralität, so wie sie gedacht war, war eine sehr vernünftige Antwort auf die Situation des Kalten Krieges". Das sei inzwischen 70 Jahre her. "Deshalb halte ich es für einen Fehler, diesen Moment in den 1950er Jahren als bestimmend für den Rest der österreichischen Geschichte zu betrachten. Man kann neutral sein, man kann sogar pazifistisch sein und sich trotzdem auf der Seite von Menschen engagieren, die angegriffen werden."

Widerstand innerhalb Russlands

"Meiner Meinung nach endet dieser Krieg erst, wenn die Russen ihn nicht mehr weiterführen können, und das hängt von uns ab", ist sich Snyder in "Heiß Umfehdet" sicher. Es liege an uns, eine Situation zu schaffen, in der die Russen erkennen, dass sie nicht weiterkämpfen können. Anzeichen dafür gebe es jetzt schon. "Fast jeden Tag explodiert etwas in Russland. Die Ehefrauen und Mütter der Soldaten sind immer unzufriedener. Ja, es gibt Anzeichen dafür."

ribbon Zusammenfassung
  • Die Europäer müssten erkennen, dass die Ukraine die wichtigste Sicherheitsarbeit leistet, um Europa vor Russland zu schützten, sagt Historiker Timothy Snyder in "Heiß Umfehdet".
  • Auch Österreich könne einen wichtigen Beitrag leisten, ohne militärisch einzugreifen.
  • Die Neutralität sollten wir updaten: Man könne neutral, sogar pazifistisch sein und sich trotzdem engagieren.
  • Wann der Krieg ende, hänge auch von uns ab, in Russland sehe er jedenfalls schon Anzeichen.