Tausende Weißrussen protestieren gegen Lukaschenko-"Sieg"
Nach dem erwarteten Sieg von Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei der Präsidentenwahl haben in Weißrussland Tausende Menschen gegen die offenkundige Fälschung des Urnengangs protestiert. "Ich glaube an das, was ich mit eigenen Augen sehe und ich sehe, dass die Mehrheit hinter uns steht", sagte die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja.
Lukaschenko errang nach einer am Sonntagabend veröffentlichten offiziellen Prognose 79,7 Prozent der Stimmen. Tichanowskaja kam demnach nur auf 6,8 Prozent. Befragt wurden den Angaben nach mehr als 12.000 Wahlberechtigte nach dem Urnengang. 30 Prozent von ihnen hätten keine Antwort geben wollen, hieß es. Unabhängigen Nachwahlbefragungen im Ausland zufolge soll Tichanowskaja 71 Prozent geholt haben, Lukaschenko erhielt demnach zehn Prozent. Tichanowskajas Stab teilte nach Auszählung der ersten Stimmen mit, dass die 37-Jährige in mehreren Wahllokalen im Land deutlich gewonnen habe. Sie habe dort gewonnen, wo es keine Fälschung gegeben habe.
"Eine tiefe, noch nie dagewesene Krise zieht herauf", sagte Tichanowskajas Mitstreiterin Maria Kolesnikowa am Abend. Sie warf der Regierung Wahlbetrug vor. So sei die Beteiligung in mehreren Wahllokalen bei mehr als 100 Prozent gelegen. "Die Behörden sollten eingestehen, dass die Mehrheit auf der anderen Seite steht", sagte Kolesnikowa.
Am Sonntagabend versammelten sich Tausende Menschen auf zentralen Plätzen im ganzen Land, um gegen Wahlfälschungen zu demonstrieren. In sozialen Netzwerken wurden Videos veröffentlicht, die etwa in der Hauptstadt Minsk zeigten, wie Polizisten auf Menschen einschlugen. Wiederum andere Passanten attackierten daraufhin die Sicherheitskräfte, um eine Festnahme zu verhindern.
Den Videos zufolge waren allein in der Hauptstadt schätzungsweise 10.000 Menschen im Zentrum unterwegs. Autos hupten auf den Straßen. Die Sicherheitskräfte sperrten viele Metro-Stationen ab. Bürger berichteten, dass das Internet landesweit nicht funktionierte. Hundertschaften wurden am Präsidentenpalast zusammengezogen.
Auch in anderen Städten des Landes gab es Proteste. In der Stadt Baranawitschy, südwestlich von Minsk, zählten Beobachter bis zu 10.000 Demonstranten. Die Polizei habe auch Tränengas eingesetzt. In Brest im Westen der Ex-Sowjetrepublik gingen die Sicherheitskräfte ebenfalls hart gegen friedliche Demonstranten vor.
Die Präsidentenwahl war von unerwartet großem Interesse der Bürger begleitet, die sich in den vergangenen Wochen hinter der Oppositionskandidatin Tichanowskaja zu vereinen schienen. Laut Wahlkommission sollten einige Wahllokale, vor denen sich besonders lange Schlangen gebildet hatten, länger geöffnet bleiben. Internationale Beobachter waren zu der Abstimmung nicht zugelassen. Schon die vergangenen vier Urnengänge in der ehemaligen Sowjetrepublik wurden wegen Betrugs und Einschüchterungen von unabhängigen Beobachtern nicht anerkannt. Für Argwohn sorgten am Sonntag vor allem Angaben über die hohe Anzahl an Wählern, die vorzeitig ihre Stimme abgegeben hätten.
"Ich glaube, dass wir schon gewonnen haben, weil wir unsere Angst, unsere Apathie und unsere Gleichgültigkeit besiegt haben", sagte Tichanowskaja. Die 37-Jährige hatte in den vergangenen Wochen massiv an Zustimmung gewonnen und zahlreiche Anhänger mobilisiert, obwohl die Behörden hart gegen die Opposition vorgegangen war. Sie trat an, nachdem ihr Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen wurde.
Der mit harter Hand regierende Amtsinhaber Lukaschenko kandidierte für eine sechste Amtszeit - er ist bereits seit zweieinhalb Jahrzehnten an der Macht. Beobachter rechneten bereits vor der Wahl mit einem klaren Sieg Lukaschenkos.
Zusammenfassung
- Nach dem erwarteten Sieg von Amtsinhaber Alexander Lukaschenko bei der Präsidentenwahl haben in Weißrussland Tausende Menschen gegen die offenkundige Fälschung des Urnengangs protestiert.
- Lukaschenko errang nach einer am Sonntagabend veröffentlichten offiziellen Prognose 79,7 Prozent der Stimmen.
- Unabhängigen Nachwahlbefragungen im Ausland zufolge soll Tichanowskaja 71 Prozent geholt haben, Lukaschenko erhielt demnach zehn Prozent.