"Schlachthaus" Saidnaya: Schicksale aus Assads Foltergefängnis
Im Zuge der Machtübernahme von islamistischen Rebellen in Syrien sind zahlreiche unter Präsident Bashar al-Assad Inhaftierte freigelassen worden. Jubelnd und lachend strömten viele über die Straßen von Damaskus. Auch in "Saidnaya", einem der berüchtigsten Gefängnisse, erhielten viele überraschend die Freiheit.
Aktivist:innen suchen unterdessen nach weiteren politischen Gefangenen. Mitglieder der Organisation, die sich selbst "syrischer Zivilschutz" oder "Weißhelme" nennt, gingen in dem berüchtigten Militärgefängnis nördlich von Damaskus systematisch vor, wie der Leiter auf der Plattform X schreibt.
Suche nach Gefangenen läuft
Spezialisten des Zivilschutzes suchten dabei unter anderem mit Hunden und Geräuschsensoren nach Geheimzellen im Keller des Gefängnisses. "Wir werden von Personen begleitet, die alle Einzelheiten des Gefängnisses kennen", schrieb Raid Al Saleh, Leiter der Weißhelme.
Bisher blieb die Suche jedoch erfolglos. Die Arbeiten würden fortgesetzt, schrieb Al Saleh weiter.
https://twitter.com/DRovera/status/1865855101526843651
"Schlachthaus" Saidnaya
In einem Bericht von Amnesty International aus dem Jahr 2017 heißt es, dass seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs Tausende Menschen bei Massenhinrichtungen in Saidnaya getötet wurden. Zudem seien Gefangene gefoltert worden, wobei es sich bei den Inhaftierten vor allem um oppositionelle Zivilisten gehandelt habe. Wegen des brutalen Vorgehens der Wärter ist das Gefängnis unter Syrern als "Schlachthaus" bekannt.
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Die 84 Zeugen, mit denen Amnesty International sprach, berichteten davon, dass ein permanentes Gefühl von Angst erzeugt wurde, dass die Häftlinge tagelang nackt in die Zellen gesperrt wurden und tagelang kein Essen oder Wasser bekamen.
Sie wurden mit kaltem Wasser abgespritzt oder in nasse Kleidung gezwängt und mussten unter anderem den ganzen Tag auf den Knien sitzen. Dazu kamen täglich Schläge.
https://twitter.com/ImFaiz_07/status/1865977893320642855
"Töte deinen Freund oder er tötet dich"
Auch der ehemalige Gefangene Omar Alshogre schrieb 2011 in der "Washington Post" über seine Zeit in Saidnaya. Er schrieb davon, wie ein Mitgefangener damit beauftragt wurde, einen Freund mit einem Schraubenzieher zu töten. "Töte deinen Freund damit, oder er wird dich damit töten. Du hast zehn Minuten", sagten die Wärter zu ihm. Er überlebte - als Mörder.
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Genauso grausam waren die Hinrichtungsprozesse. Nachdem Gefangene nach wenigen Minuten schuldig gesprochen wurden, wurde ihnen oft nicht verraten, welche Strafe ihnen folgt. Zweimal die Woche wurden 20 bis 50 von ihnen aus den Zellen geholt, mit der Information, dass sie in ein anderes Gefängnis verlegt werden. Statt der Verlegung bekamen sie jedoch Prügel.
Schließlich wurden ihnen die Augen verbunden. Erst als sie in einen Kellerraum mit einem Galgen gebracht wurden und nach ihrem letzten Wunsch gefragt wurden, war klar, dass sie gleich sterben würden.
https://twitter.com/BrowneGareth/status/1865884601782329784
Gefahr noch nicht gebannt
Viele Saidnaya-Gefangene sind nun frei, für andere ist die Gefahr noch nicht gebannt. Derzeit wird verzweifelt versucht, die Türen in den teilweise versteckten Kellerzellen zu öffnen. Auch die Belüftung sei ausgefallen, tausende Insassen drohen zu ersticken.
Die Weißhelme kündigten deswegen an, fünf Spezialnotfallteams nach Saidnaya zu entsenden. Darunter seien Experten, die die Eisentüren öffnen und Mauern durchbrechen sollen.
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Zusammenfassung
- In dem berüchtigten syrischen Militärgefängnis Saidnaya sollen seit Beginn des Bürgerkriegs Tausende Menschen getötet und gefoltert worden.
- Bei den Inhaftierten handelt es sich Großteils um oppositionelle Zivilisten.
- Nach dem Sturz des syrischen Machthaber Baschar al-Assad suchen Aktivisten nun nach politischen Gefangenen.