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Syrer im Libanon wollen zurück, doch das kann dauern

Heute, 04:01 · Lesedauer 5 min

Seit dem Fall des Regimes von Diktator Bashar al-Assad im Dezember hoffen viele Aufnahmeländer von syrischen Flüchtlingen auf deren rasche Rückkehr in ihre Heimat. Zwar sind seitdem 280.000 Syrer aus dem Ausland und sogar über 800.000 syrische Binnenflüchtlinge an ihre Wohnorte zurückgekehrt, wie das UNHCR diese Woche bekannt gab, dennoch ist eine Rückkehr für viele Flüchtlinge so einfach nicht möglich, wie ein APA-Lokalaugenschein im Libanon ergab.

Schon 2015 stoppte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen auf Druck der libanesischen Regierung die Registrierung von Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien. Daher ist von den geschätzten 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen im Libanon, bei einer Gesamtbevölkerung von 5,5 Millionen Menschen, nur jeder zweite offiziell vom UNHCR registriert. Nicht-registrierte Flüchtlinge haben unter anderem keinen Anspruch auf Gesundheitsversorgung und sind auf die Unterstützung zahlreicher NGOs angewiesen. Eine davon ist die Caritas, die 20 medizinische Primärversorgungszentren und neun mobile medizinische Einheiten in dem Land von der Größe Tirols betreibt.

Die Rückkehr der Flüchtlinge ist ein Hauptanliegen der neuen Regierung in Beirut. Immerhin gibt es mittlerweile eine solche nach jahrelangem politischen Stillstand, geprägt von Hyperinflation, Massenprotesten, Corona- und Wirtschaftskrise. Der von US-Präsident Donald Trump veranlasste Ausgaben-Stopp der US-Auslandshilfen trifft aber Syrien und den Libanon besonders hart. So sind im Libanon laut UNHCR über 90 Prozent der Flüchtlinge von humanitärer Hilfe abhängig.

Der Vizepräsident der Caritas Österreich, Alexander Bodmann, nennt die "geplante Zerschlagung der US-Entwicklungsbehörde USAID durch die US-Regierung" daher einen schweren Schlag gegen die Menschlichkeit. "Diese rücksichtslose Entscheidung bedroht die Grundversorgung mit Nahrung, Schutz und Bildung in den ärmsten und von Krisen gezeichneten Regionen der Welt. Sie wird jahrzehntelange Fortschritte in der humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit zunichtemachen und globale Stabilität gefährden."

In einer Flüchtlingssiedlung nahe Zahlé, mit rund 150.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt des Landes, sorgt die Caritas dafür, dass zumindest eine rudimentäre Gesundheitsversorgung gewährleistet werden kann. Die Zeltplanen für die rund 150 Familien im Lager wurden vom UNHCR gestellt, für die Miete des Grundstücks müssen die Flüchtlinge an die Landbesitzer aber rund 40 Dollar im Monat abgeben.

Die Situation in der Flüchtlingssiedlung, die die Caritas seit 2011 betreibt, ist nicht einfach. Es gebe keine Waschmöglichkeiten im Camp, erzählt Norma Chehwan Kebbeh von der Caritas Libanon beim Besuch der Delegation aus Österreich. Im Sommer sei es zu heiß, im Winter viel zu kalt, sagt sie. "Wir haben im Libanon so viele Krisen und humanitäre Krisen, die den Menschen das Leben schwer machen. Daher brauchen wir die Unterstützung. Die Caritas und dieses Projekt sind die einzigen, die hier medizinische Hilfe anbieten", so Kebbeh.

Zwei Ärzte kommen einmal im Monat in das Camp, immerhin haben sich auch noch rund 60 libanesische Dörfer und 30 weitere Flüchtlingslager zu versorgen. Vor allem Bronchitis, Atemwegserkrankungen, aber auch Mangelernährungen sind weit verbreitet, immer wieder kommt es zu Verbrennungen beim Kochen, erzählt der Kinderarzt. Beim Besuch der Pressedelegation aus Österreich regnet es und es ist sehr kalt, dennoch sind viele Flüchtlingskinder nur mit Sandalen ohne Socken unterwegs.

Früher gingen syrische Flüchtlinge am Nachmittag in die libanesischen Schulen, aber jetzt fehlt vielen Eltern das Geld für den Transport und die Bücher, sodass nur einige der Kinder im Flüchtlingscamp in die Schule gehen können. Über die Hälfte der weltweit 14,8 Millionen Flüchtlingskinder im schulpflichtigen Alter verpassen laut Caritas derzeit eine formale Ausbildung. "Die Auswirkungen eines fehlenden Bildungszugangs sind gravierend. Gerade deshalb gilt es, alles daran zu setzen, jedem Kind Zugang zu Bildung zu ermöglichen - auch in humanitären Notsituationen", sagt Bodmann bei dem Lokalaugenschein in der Bekaa-Ebene.

Rückkehr nach Syrien noch nicht möglich

Laut UNHCR will in den kommenden zwölf Monaten rund jeder Vierte der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern in die Heimat zurückkehren. Doch so einfach, wie sich das viele Politiker im Westen vorstellen, ist das freilich nicht. So erzählt Mariam, die mit ihren drei Töchtern im Alter von eineinhalb, sechs und neun Jahren in dem Flüchtlingscamp nahe der Grenze zu Syrien lebt, dass die Infrastruktur in Syrien komplett zerstört sei. Ihre Familie kommt aus dem ländlichen Aleppo, ihr Haus dort wurde bei einem Bombenangriff zerstört. Mariams Mann lebt in Syrien, er ist zu krank, um in den Libanon zu kommen. Immer wieder besucht Mariam ihn.

Eine dauerhafte Rückkehr nach Syrien sei für sie selber aber momentan noch kein Thema. Ihre älteste Tochter bräuchte eine Operation wegen einer Brandwunde am Arm, doch dafür fehlt das zur Zeit Geld. Auch gehen ihre Töchter momentan nicht zur Schule. Dennoch will Mariam vorerst im Libanon bleiben, denn hier könnten wenigstens die Grundbedürfnisse gestillt werden, sagt sie. "Falls ich in Syrien für unseren Lebensunterhalt sorgen könnte, würde ich aber zurückkehren", so die junge Frau.

Muhammad kam schon als 14-Jähriger 2011 aus Syrien in den Libanon. Im Dezember kehrte er in seine Heimat, nahe der zweitgrößten syrischen Stadt Aleppo zurück, doch auch sein Haus war zerstört. Die Gemeinde habe ihm nur gesagt, er solle ein Zelt aufstellen und für sich selbst sorgen. Doch in Syrien gebe es keine Schulen, keine Arbeit. "Wie soll ich da meine Familie ernähren", fragt sich Muhammad.

Im Libanon könne er wenigstens am Bau arbeiten und zumindest seine achtjährige Tochter in die Schule gehen, die anderen drei Töchter sind dafür noch zu klein. Momentan sei die Sicherheitssituation in Syrien aber einfach zu gefährlich für seine Töchter. "In Syrien gibt es kein Gesetz", sagt Muhammad. Dennoch will er irgendwann zurück, doch das kann dauern. "Wenn in drei bis vier Jahren alles gut ist in Syrien, werden wir zurückkehren."

(Von Martin Hanser/APA)

Zusammenfassung
  • Seit dem Fall des Regimes von Bashar al-Assad sind 280.000 Syrer aus dem Ausland und über 800.000 Binnenflüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt.
  • Im Libanon sind von den geschätzten 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen nur die Hälfte offiziell registriert, was den Zugang zu Gesundheitsversorgung erschwert.
  • Über 90 Prozent der Flüchtlinge im Libanon sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, da der Stopp der US-Auslandshilfen die Situation verschärft.
  • Die Caritas betreibt 20 medizinische Primärversorgungszentren und neun mobile Einheiten, um die Grundversorgung der Flüchtlinge sicherzustellen.
  • Rund 25 Prozent der syrischen Flüchtlinge in Nachbarländern wollen innerhalb eines Jahres zurückkehren, aber die zerstörte Infrastruktur in Syrien erschwert dies.