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VfGH: Ist die staatliche Asylberatung rechtswidrig?

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat sich am Montag in einer öffentlichen Verhandlung mit dem Gesetz zur Errichtung der Bundesbetreuungsagentur (BBU) beschäftigt.

Dabei geht es um die Frage, ob die Durchführung der Rechtsberatung und -vertretung durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH verfassungskonform ist. Im Fokus steht die Nähe der BBU vor allem zum Innenministerium und die Unabhängigkeit der Beratung.

Seit Juni 2019 ist ausschließlich die BBU, die zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes steht, damit betraut, die kostenlose Rechtsberatung von Asylwerbern im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen. Zuvor konnten auch Vereine derartige Beratungen durchführen. Im Dezember 2022 beschloss der VfGH, mehrere Bestimmungen im BBU-Errichtungsgesetz (BBU-G) sowie im BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Bedenken werden unter anderem im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrecht auf "effektiven gerichtlichen Rechtsschutz" geäußert.

Mögliche Verletzung des Unionsrechts

Die Verhandlung selbst im voll besetzten Saal begann mit dem Bericht des Referenten, jenes Mitglieds also, das den Fall aufbereitet hat. Die gesetzlich festgelegte Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit sowie die Verschwiegenheitsverpflichtung der einzelnen Rechtsberater dürfte zwar zur gebotenen Distanz beitragen. Ob dies hinreichende Mittel seien, um Interessenskonflikte zu vermeiden, bedürfe aber einer näheren Prüfung, hieß es in den vorgetragenen Bedenken des Höchstgerichts. Konkret geht es um eine mögliche Verletzung des Unionsrechts.

Das Innenministerium hielt in seiner Äußerung entgegen, dass es sich bei der Aufgabe der Rechtsberatung und -vertretung um eine private, den obersten Verwaltungsorganen des Bundes nicht zurechenbare Tätigkeit handle. Die eingesetzten Rechtsberater würden "sprach- und rechtsunkundige Fremde bei der Wahrnehmung ihrer prozessualen Rechte unterstützen" und seien daher aufgrund ihrer Tätigkeit mit Rechtsanwälten vergleichbar, die ebenfalls nicht als Verwaltung zu qualifizieren seien.

Auch das Justizministerium sieht den Fall in seiner Äußerung so gelagert. Der abgeschlossene Rahmenvertrag sichere die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberatung hinreichend ab. Auch die BBU GmbH verweist auf die "strikte Trennung zwischen Rechts- und Rückkehrberatung, den erhöhten Bestandsschutz für Rechtsberater und das Verbot von fachlichen Weisungen im Einzelfall, welche die Unabhängigkeit sicher stellten.

Wo hat der Staat Einfluss?

Die Beschwerdeführer selbst, vertreten durch Wilfried Embacher, plädierten in der Verhandlung dafür, den Blick nicht alleine auf die Rechtsberater zu richten, sondern vielmehr die Frage zu stellen, wo der Staat Einfluss habe. Der Vertreter des Bundes verwies wiederholt darauf, dass die Tätigkeit der Beraterinnen und Berater mit jenen von Anwälten vergleichbar sei. Auch die Fragen der Richterinnen und Richter bezogen sich hauptsächlich auf die Trennung zwischen privatwirtschaftlicher Tätigkeit und den Einfluss des Staates.

Der Vertreter des Bundes bezeichnete die BBU - sie wurde unter der türkis-blauen Bundesregierung gegründet - zudem als großen Fortschritt bei der Rechtsberatung, stehe jedem Betroffenen damit doch das Angebot einer "kompetenten Organisation" zur Verfügung. Sollte die Zusammenarbeit doch nicht funktionieren, gebe es im Verfahren außerdem noch "einen weiteren wichtigen Spieler", nämlich das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).

Den Vergleich mit Rechtsanwälten und -anwältinnen wollte ein Vertreter der Beschwerdeführer so nicht gelten lassen: "Ich glaube, dass dieser Vergleich keineswegs gerechtfertigt ist." So hafte ein Anwalt etwa bei Fahrlässigkeit und anderen Fehlern persönlich, brachte er ins Rennen. Bei Vertreterinnen und Vertreter der BBU hingegen gebe es nur eine "sehr beschränkte Haftung". Die Rechtsvertretung sei gesetzlich gar nicht gesondert geregelt, nur die Rechtsberatung, gab sein Kollege zu bedenken. Der Rahmenvertrag sei zur rechtlichen Absicherung nur unzureichend geregelt.

Die Frage, ob auch noch andere Organisationen nach wie vor Rechtsberatung durchführen würden, bejahte der Vertreter des Bundes. So seien Hilfsorganisationen wie die Caritas und die Diakonie "durchaus ausgelastet damit", etwa bei der Erstberatung für Asylwerber. Denn auch die Zahl der Verhandlungen vor dem BVwG habe sich in den vergangenen Jahren erhöht. Zudem gebe es regelmäßige Austauschtreffen mit NGOs. Und: "Man kann die Rechtsberatung in Anspruch nehmen, man muss sie aber nicht in Anspruch nehmen."

Die an die öffentliche Verhandlung anschließende Beratung der Verfassungsrichterinnen und -richter ist nicht öffentlich. Wann diese über den Fall entscheiden ist ebenso offen wie der Zeitpunkt der Zustellung und die Veröffentlichung der Entscheidung.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat sich am Montag in einer öffentlichen Verhandlung mit dem Gesetz zur Errichtung der Bundesbetreuungsagentur (BBU) beschäftigt.
  • Dabei geht es um die Frage, ob die Durchführung der Rechtsberatung und -vertretung durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH verfassungskonform ist.
  • Im Fokus steht die Nähe der BBU vor allem zum Innenministerium und die Unabhängigkeit der Beratung.