"Störenfriede und Straftäter": CDU-Politikerin in Wien ausgebuht
"Wir verbrauchen derzeit so viele Ressourcen wie für drei Planeten, wir haben aber nur den einen", eröffnete Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) das Pro und Contra zum Thema "Innovation oder Verbote – Wie retten wir den Planeten?" beim 4GAMECHANGERS Festival, bei dem es wenig später hoch herging.
Industriellenvereinigungs-Präsident Georg Knill sagte, "Wohlstandsverlust wird nicht akzeptabel sein" für die Gesellschaft. Könne man den Wohlstand nicht garantieren, würde es auch keine Bereitschaft in der Bevölkerung geben, bei Änderungen mitzumachen. Dem widersprach Marina Hagen-Canaval von der "Letzten Generation". Man könne die nötige Transformation aktiv starten oder man könne nur warten, bis die Klimakatastrophe uns dazu zwingt.
"Hungersnöte" bei Untätigkeit
"Wenn ich so alt bin wie meine Eltern, erwarten mich Hungersnöte, Nahrungsmittelknappheiten und Trinkwasserknappheiten. Ich will das nicht erleben", warnte die 26-Jährige. Deshalb fordere die "Letzte Generation" Tempo 100. Das würde niemandem etwas kosten, 460.000 Tonnen CO₂ sparen und wäre sofort umsetzbar. Sie sei auch für andere Vorschläge offen, aber "bis wir was anderes gefunden haben, führen wir einmal Tempo 100 ein. Schauen wir, ob die Leute kollabieren oder ob sie es aushalten".
Aktivisten "Störenfriede und Straftäter"
Klimaaktivisten seien "Störenfriede und Straftäter" und sollen "lieber Bäume pflanzen", rät die Bundesvorsitzende des Jungen Wirtschaftsrat der CDU Caroline Bosbach der Aktivistin. Was die "Letzte Generation" macht, sei gut gemeint, aber "das wird so nicht funktionieren". Für ihre Aussage wurde die CDU-Politikerin vom Publikum spontan ausgebuht. "Wenn Sie sich auf die Straße kleben, in dem Moment ist ihr Impact gleich Null. Was haben Sie damit erreicht?" Dafür gab es eine Mischung aus Applaus und Buh-Rufen. "Leute, nicht buhen, sie weiß es vielleicht nicht besser", schaltete sich dann Hagen-Canaval ironisch ein.
Tempo 100 hilft so viel wie 46 Millionen Bäume
Wenn man mit Bäumepflanzen das gleiche CO₂ kompensieren wolle, wie mit Tempo 100 müsse man "36 bis 46 Millionen Bäume pflanzen", rechnet die Aktivistin der deutschen Politikerin vor. Und in Österreich sei es auch keine Straftat, sondern eine Verwaltungsübertretung, konterte sie weiter. Beim Protest gehe es darum, störend zu sein und den politischen Druck zu erhöhen. "Die Denkleistung hätte ich ihnen zugetraut", konnte sich die Aktivistin eine Spitze nicht verkneifen. Natürlich könne Österreich allein die Klimakrise nicht lösen, aber es gebe hierzulande einen der höchsten CO₂-Ausstöße pro Kopf. Daran müsse man etwas ändern. Wenn man warten würde, bis andere etwas machen, "dann warten wir lange" - und alle anderen würden ähnliches sagen.
Gewessler: Weitere Maßnahmen bis 2040
"Wir haben leider in Österreich in den vergangenen Bundesregierungen 30 Jahre lang über Klimaschutz geredet, aber wenig gemacht", sagte Ministerin Gewessler. Die aktuelle Regierung sei auf der Hälfte des Weges bis 2030. "Natürlich sind wir noch nicht fertig", sagt sie. Jedes Jahr bis 2040 müssten neue Maßnahmen gesetzt werden. Ja, Tempo 100 würde etwas bringen, stimmt Gewessler Klimaaktivisten zu, aber ÖVP, FPÖ, SPÖ und NEOS seien dagegen. "Bitte tun Sie's, es ist g'scheit", rät Gewessler.
Anzengruber konterte Bosbach mit Statistiken. Der CO₂-Ausstoß sei in Deutschland pro Kopf so hoch wie in China, die konsumierte CO₂ aber höher. Er verstehe die Wut der "Letzten Generation", auch wenn ihn die Staus auch stören würden. Was die Aktivisten fordern, sei "die Einhaltung der Versprechen, die wir abgeschlossen haben".
Aktivistin möchte sich nicht auf die Straße kleben
"Es ist furchtbar, da auf der Straße zu kleben. Ich möchte das nicht machen", sagte Hagen-Canaval klipp und klar, aber "die Untätigkeit der Regierung zwingt mich dazu". Es sei Zeit für ein Gespräch mit der Regierung. "Es ist die ÖVP, die blockiert. Man muss endlich damit aufhören." Man fordere, dass sich die Regierung an ihre eigenen Versprechungen hält. "Noch konservativer kann man ja gar nicht fordern." Bis die Regierung einen Plan habe, "muss ich mich auf die Straße kleben".
Seit 2019 habe Österreich "am Stand getreten", jetzt gehe es um "fundamentale Umstellungen", reagiert Gewessler. "Der Verkehr hat sich in den letzten Jahren am kontraproduktivsten entwickelt. "Wer die Maßnahmen ausbremste, wollte Gewessler nicht klar sagen. Jede Maßnahme, die bisher beschlossen worden sei, habe "viel Gegenwind" gehabt. Um weitere zu beschließen, brauche man alle, egal ob Industrie oder Opposition.
Zusammenfassung
- Zum Thema Klimaschutz und Energiewende ging es beim 4GAMECHANGER Festival hoch her.
- Marina Hagen-Canaval von der "Letzten Generation" krachte mit CDU-Politikerin Caroline Bosbach zusammen, hatte aber unter anderen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler - und das Publikum auf ihrer Seite.
- Auf die Seite der Deutschen schlug sich der Chef der Industriellenvereinigung.