Aufregung um Weltkriegsgedenken mit russischem Botschafter
Es liege an Russland, diesen Krieg zu beenden, sagte der Ministerpräsident an Netschajew gerichtet. Kretschmer mahnte, dass "Nie wieder Krieg" die Botschaft von Torgau sei. "Es war Russland, das einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat." Nicht erst mit dem Großangriff auf die ganze Ukraine, sondern schon 2014, als die Schwarzmeer-Halbinsel Krim besetzt wurde. "Und es liegt an Russland, nur an Russland, diesen Krieg zu beenden", sagte der CDU-Politiker.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hatte Netschajews angekündigte Teilnahme im Voraus für Kontroversen gesorgt - wie auch schon sein Besuch eines Gedenkens auf den Seelower Höhen in Brandenburg vergangene Woche. Ein Rederecht hatte Netschajew auf der Veranstaltung in Torgau nicht. "Heute müssen wir erinnern an die gefallenen Soldaten", sagte der russische Diplomat dennoch umringt von Journalisten und Bürgern auf Deutsch. "Der Tag ist deswegen sehr wichtig für uns." Er hinterließ - in Begleitung mehrerer russischer Militärangehöriger - am Denkmal der Begegnung einen Kranz, ebenso wie die Botschaften Frankreichs oder Belarus'.
Der ukrainische Botschafter Oleksij Makejew hatte gefordert, die angekündigte Teilnahme des Russen zu unterbinden. Auch das deutsche Außenministerium hatte Gemeinden, Ländern und Gedenkstätten den Ausschluss russischer und belarussischer Vertreter von Weltkriegsgedenkveranstaltungen empfohlen. Begründet wurde das mit der Befürchtung, dass Russland diese Veranstaltungen "instrumentalisieren und mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen" könnte.
Trotzdem nahm Netschajew bereits vergangene Woche an einer Gedenkveranstaltung auf den Seelower Höhen östlich von Berlin teil. Dort hatte vor 80 Jahren die größte Schlacht des Zweiten Weltkriegs auf deutschem Boden stattgefunden, bei der 35.000 sowjetische, 16.000 deutsche und 2.000 polnische Soldaten getötet wurden. Netschajew reiste am Freitag auch zu einer weiteren Gedenkveranstaltung im sächsischen Strehla. Der deutsche Bundestag folgte allerdings der Empfehlung des Auswärtigen Amts und schloss die Botschafter von Russland und Belarus von der zentralen Gedenkfeier am 8. Mai im Parlament aus.
Kein Rederecht
Nach Angaben der Stadt Torgau wurden keine expliziten Einladungen an die Botschaften verschickt. Die Auslandsvertretungen mehrerer Länder - darunter die russische - seien aber bereits im Februar schriftlich über die öffentliche Veranstaltung informiert worden. Das Vorgehen sei mit der sächsischen Staatskanzlei abgestimmt worden, sagte Torgaus Oberbürgermeister Henrik Simon der dpa.
Die russische Vertretung habe mitgeteilt, dass Botschafter Netschajew teilnehmen werde. Es sei auch nach einem Rederecht gefragt worden. "Das haben wir allerdings ausgeschlagen, um keine Plattform zu geben", sagte Simon. Bei der Gedenkveranstaltung sollten außer Kretschmer ein Vertreter der evangelischen Kirche und der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten sprechen.
"Nachtwölfe" und Russland-Flagge
Netschajew antwortete auf die Frage, was er dazu sage, dass er nicht willkommen sei: "Ich spüre das nicht. Ich fühle mich wohl." Dazu, dass er kein Rederecht bekommen hat, sagte er: "Wir haben die Möglichkeit, unsere Position zur Kenntnis zu bringen." Der Botschafter sprach am Ort auch mit Bürgern. Am Revers trug er das sogenannte Sankt-Georgs-Band, das traditionell als Zeichen der Erinnerung an den deutsch-sowjetischen Krieg gilt, seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine aber als Symbol russischer Propaganda in der Kritik steht.
Unmittelbar vor Beginn des offiziellen Gedenkens kamen zudem Rocker des russisch-nationalistischen Motorradclubs "Nachtwölfe" zum Denkmal. Sie legten Kränze und rote Nelken nieder. Vor den Motorrädern ritt eine Frau mit einer Russland-Fahne auf einem Pferd.
75. Jahrestag mit Würdigung Putins und Trumps
Am 25. April erinnert Torgau im heutigen deutschen Bundesland Sachsen jedes Jahr an den sogenannten Elbe Day, an dem amerikanische und sowjetische Soldaten auf der zerstörten Elbe-Brücke aufeinandertrafen. Das Foto vom Handschlag von Torgau ging als Symbol für das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft um die Welt.
Am 75. Jahrestag 2020 hatten der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump, der damals in seiner ersten Amtszeit war, den Jahrestag noch in einer gemeinsamen Erklärung gewürdigt. "Der 'Geist der Elbe' ist ein Beispiel dafür, wie unsere Länder Differenzen beiseiteschieben, Vertrauen aufbauen und für eine größere Sache zusammenarbeiten können", schrieben sie. Zwei Jahre später wurden die Gedenkfeiern in Torgau dann kurzfristig abgesagt. Der Grund war der russische Angriff auf die Ukraine zwei Monate zuvor.
Zusammenfassung
- Der russische Botschafter Sergej Netschajew nahm an der Weltkriegsgedenkfeier in Torgau teil, trotz Kontroversen im Vorfeld.
- Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer kritisierte Russlands Angriff auf die Ukraine und erhielt dafür Buhrufe.
- Netschajew hatte kein Rederecht, äußerte sich aber dennoch vor Journalisten und Bürgern.
- Mitglieder des russisch-nationalistischen Motorradclubs 'Nachtwölfe' erschienen ebenfalls zur Veranstaltung.
- Der deutsche Bundestag schloss russische Vertreter von der zentralen Gedenkfeier am 8. Mai aus.