Stichwahl Innsbruck: Unfriendly Fire der ÖVP?

Nur noch etwas mehr als einen Tag haben die beiden Innsbrucker Spitzenkandidaten, der amtierende Bürgermeister Georg Willi (Grüne) und Johannes Anzengruber (Liste Ja), um die Wählerinnen und Wähler von ihrem Programm zu überzeugen. Einen klaren Favoriten gibt es laut politischen Beobachtern derzeit nicht. Insider sprechen jedoch von unfreundlichen Methoden der gescheiterten ÖVP.

Besseres Wetter hätte sich der ehemalige ÖVP-Politiker Johannes Anzengruber für seine finalen Wahlkampfveranstaltungen nicht wünschen können. Rund 15 Grad hat es in der Maria-Theresien-Straße im Herzen der Stadt Innsbruck. In der Sonne wagen sich einige Bewohnerinnen und Bewohner sogar schon aus ihren warmen Wintermänteln. Ein paar besonders Mutige joggen in kurzen Shorts die Straße entlang. Der Wahlkampfstand direkt neben der Annasäule ist gut besucht. Im richtigen Winkel sieht man sogar das berühmteste Wahrzeichen der Stadt, das Goldene Dachl. Mehrere Wahlkampfhelfer:innen verteilen Schaumrollen, Karottensuppe, Kresse und eine Art Eierlikörschnitte. Letztere wird besonders offensiv beworben. "Ein Familienrezept der Familie Anzengruber" sei es.

Noch bevor der Spitzenkandidat selbst auftaucht, drängen sich viele Interessierte um den Tisch, um sich ein kleines Mittagessen servieren zu lassen. Als Anzengruber selbst, nicht in kurzen Shorts, sondern in einem grauen Mantel, ankommt, wird schnell klar, die Innsbrucker haben ihm einiges zu erzählen. Ein Händeschütteln hier, ein freundliches Wort da. Eine Frau in Trainingskleidung und Wanderstöcken im Rucksack reckt beide Daumen in die Luft und eilt dann weiter. "Super Wahlkampf, Johannes!" ruft ein Mann.

Die tödliche Umarmung des Florian Tursky?

Es scheint für Anzengruber gut zu laufen. Die Stichwahl am Sonntag gilt als völlig offen. Anzengruber und sein Team können sich realistische Hoffnungen auf den Bürgermeistersessel machen. Wäre da nicht seine alte politische Heimat, die ihn jetzt wieder einholt, die ÖVP.

Ausgerechnet der gescheiterte Florian Tursky, der mit einem Wahlbündnis aus ÖVP, Für Innsbruck und Seniorenbund, auf rund 10% der Stimmen gekommen ist und den Einzug in die Stichwahl damit klar verpasst hat, spricht am Tag nach dem ersten Wahldurchgang eine Empfehlung für seinen ehemaligen Konkurrenten Anzengruber aus. "Skurril" nennt Anzengruber diese Empfehlung. Öffentlich scheint er darüber nicht gerne zu sprechen. Die Wahlempfehlung wird von Insidern als "unfriendly Fire" bezeichnet. Hinter der Empfehlung Turskys vermutet man eine Strategie, um Anzengrubers Chancen auf das Amt zu schmälern. Man wolle den Kandidaten als ÖVP-Mann framen, um so mögliche Wähler, die Anzengruber zwar ansprechend finden, mit der Volkspartei aber nichts anfangen können, von der Wahl des Ja-Kandidaten abhalten.

Der inzwischen 64-jährige Georg Willi könnte dann nach einer möglichen zweiten Amtszeit bei der nächsten Wahl von einer Kandidatur aus Altersgründen absehen und es so für einen neuen ÖVP-Kandidaten leichter machen, den Bürgermeistersessel zurückzuerobern. Hinzu kommt, dass Anzengruber aufgrund seiner Mitgliedschaft beim Wirtschaftsbund immer wieder gefragt wird, ob er denn noch ÖVP-Parteimitglied sei. Er bestreitet das und spricht etwa in der ZIB2 von einer außerordentlichen Mitgliedschaft im Wirtschaftsbund. Er sei auch bei einem ASKÖ-Ringverein und deswegen nicht sofort SPÖ-Mitglied.

Video: Stichwahl in Innsbruck: Anzengruber gegen Willi

Plaikner: Anzengruber braucht ÖVP-Stimmen

Der Politkberater Peter Plaikner meldet Zweifel an dieser Vermutung an: "Ob Anzengruber die Empfehlung von Florian Tursky nutzen wird, wage ich zwar zu bezweifeln, am Ende des Tages braucht Johannes Anzengruber aber durchaus auch die Stimmen der traditionellen ÖVP-Wähler."

Einen Favoriten für den kommenden Sonntag will Plaikner nicht benennen. Jeder Tipp würde rein auf einem Bauchgefühl beruhen und das kann sich bekanntlich des Öfteren ändern. "Es kommt vor allem darauf an, wer seine Potenziale besser mobilisiert. Bei der Stichwahl 2018 lag die Beteiligung bei 44 Prozent. Im ersten Wahlgang am 14. April ist sie von 50 auf 60 Prozent gestiegen", so Plaikner.

Wie sich die Innsbrucker am Sonntag entscheiden, soll gegen 18:30 Uhr mit einem amtlichen Endergebnis feststehen. PULS 24 wird ab 17 Uhr live aus Innsbruck berichten

ribbon Zusammenfassung
  • In Innsbruck steht die Stichwahl um das Bürgermeisteramt an, bei der kein Kandidat als klarer Favorit gilt.
  • Johannes Anzengruber von der Liste Ja und der amtierende Bürgermeister Georg Willi (Grüne) konkurrieren um die Stimmen der Wähler.
  • Eine Wahlempfehlung für Anzengruber durch den gescheiterten ÖVP-Kandidaten Florian Tursky wird als Versuch gesehen, Anzengrubers Chancen zu mindern.
  • Anzengruber bestreitet eine Mitgliedschaft in der ÖVP, trotz Fragen zu seiner Rolle im Wirtschaftsbund.
  • Die Wahlbeteiligung ist im Vergleich zum ersten Wahlgang von 50 auf 60 Prozent gestiegen, das amtliche Endergebnis wird am Sonntagabend erwartet.