Spannung vor Vergabe des Friedensnobelpreises
Einige der vorschlagsberechtigten Organisationen, Regierungen und Einzelpersonen haben ihre Nominierungen öffentlich gemacht. So ist beispielsweise bekannt, dass der russische Regimekritiker Alexej Nawalny zum wiederholten Mal vorgeschlagen wurde und mit ihm eine Vielzahl weiterer Aktivisten und Politiker, die sich in irgendeiner Form gegen das Machtregime von Russlands Präsident Wladimir Putin stellen.
Weitere bekannte Kandidaten sind die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg ihre ugandische Kollegin Vanessa Nakate ebenso wie die Hongkonger Bürgerrechtsaktivisten Joshua Wong und Jimmy Lai.
Bei den Buchmachern an erster Stelle liegt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi. Ihn sehen Experten wie SIPRI-Direktor Dan Smith jedoch nicht als wahrscheinlichen Preisträger. "Es wäre eine seltsame Entscheidung, ihm den Preis in der jetzigen Situation zu geben. Er ist derzeit ein kriegsführender Staatsmann, und als solcher sollte er auch respektiert werden."
Andere Wettfavoriten sind neben Nawalny der in China mit einem lebenslänglichen Urteil inhaftierte uigurische Dissident Ilham Tohti, die im litauischen Exil lebende belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja sowie Papst Franziskus.
Smith glaubt, dass das Nobelkomitee angesichts der Entscheidungen der vergangenen Jahre, in denen es jeweils um Machtkritik, Demokratie und Menschenrechte gegangen ist, diesmal einen anderen Fokus setzen könnte: "Sie könnten Themen beleuchten, die sie in der Vergangenheit schon einmal ins Licht gerückt haben, wie etwa humanitäre Arbeit oder den Klimawandel, die Zerstörung der Umwelt und damit verbundene Sicherheitsrisiken." Am geeignetsten erschiene Smith die von Thunberg ins Leben gerufene Klimaschutzbewegung Fridays For Future: "Sie haben viele verschiedene Menschen auf der ganzen Welt inspiriert und sie haben das Thema trotz Pandemie und Krieg ganz vorne im öffentlichen Bewusstsein gehalten."
Als einen weiteren Tipp hat Smith den brasilianischen Indigenen-Führer Raoni Metuktire im Talon. Angesichts jüngster politischer Attacken einiger Länder gegen die Flüchtlingskonvention hält der SIPRI-Forscher es eventuell auch für möglich, dass das Nobelpreiskomitee die Flüchtlingsthematik in den Vordergrund rücken könnte.
Auf der Kandidaten-Shortlist seines norwegischen Kollegen Henrik Urdal vom Osloer PRIO-Institut befinden sich neben dem Internationalen Gerichtshof (IGH), dem als Hauptrechtssprechungsorgan der UNO im Zusammenhang mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine große Bedeutung zukommt, unter anderem die beiden Frauenrechtsaktivistinnen Nargew Mohammadi und Mahbouba Seraj aus dem Iran, beziehungsweise Afghanistan sowie den UNO-Botschafter von Myanmar, Kyaw Moe Tun, der dem Militärregime in seiner Heimat trotzt. Mit Victoria Tauli-Corpuz (Philippinen) und Juan Carlos Jintiach, dem "Außenminister" der indigenen Amazonasvölker hat auch Urdal zwei Kandidaten im Visier, die für die Rechte indigener Völker kämpfen.
Einige, wie der Friedensforscher Peter Wallensteen von der Universität Uppsala, halten es auch für möglich, dass heuer angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine und zahlreicher weiterer bewaffneter Konflikte auf der ganzen Welt erstmals seit 1972 kein Friedensnobelpreis vergeben wird. Damals setzte das Nobelpreiskomitee die Verleihung wegen des Vietnamkrieges aus. Auch etliche Male zuvor, darunter in den meisten Jahren während Ersten und Zweiten Weltkrieges, gab es keinen Friedenspreis. In den Kriegsjahren 1917 und 1944 wurde das Internationale Komitee vom Roten Kreuz geehrt.
Ob es, wie von den meisten erwartet, doch einen Preisträger gibt und wer gegebenenfalls die Auszeichnung erhält, erfährt die Welt am Freitag, 6. Oktober, um 11 Uhr MESZ.
Zusammenfassung
- Wie jedes Jahr herrscht im Vorfeld großes Rätselraten, wer es diesmal sein könnte.
- Das norwegische Nobelkomitee lässt sich wie immer nicht in die Karten schauen.
- Damals setzte das Nobelpreiskomitee die Verleihung wegen des Vietnamkrieges aus.
- Auch etliche Male zuvor, darunter in den meisten Jahren während Ersten und Zweiten Weltkrieges, gab es keinen Friedenspreis.