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Sozialwirtschaft-Arbeitgeber fordern Finanzierungssicherheit

Die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ), die aktuell mit der Gewerkschaft den Leit-Kollektivvertrag in der österreichischen Sozial- und Gesundheitsbranche für über 110.000 Beschäftigte verhandelt, hat am Mittwoch von der künftigen Regierung mehr Finanzierungssicherheit, Rechtssicherheit und Einbindung in Gesetzgebungsprozesse verlangt. Bei den KV-Verhandlungen werde trotz schwieriger Bedingungen auch heuer ein "fairer Abschluss" gelingen, hieß es bei einer Pressekonferenz.

SWÖ-Vorsitzender Erich Fenninger forderte von jenen Personen, die aktuell ein Koalitionsabkommen verhandeln, den SWÖ-KV künftig automatisch anzuerkennen. Die Erhöhungen müssten sich automatisch in den Tages- oder Fördersätzen niederschlagen. Wenn der Bau-KV erhöht werde, müssten immerhin die höheren Kosten auch bezahlt werden.

Die mehr als 620 Mitgliedsorganisationen bräuchten außerdem Finanzierungssicherheit. Derzeit wüssten sie oft erst im zweiten, in manchen Ländern sogar erst im dritten Quartal, wie viel Geld sie für ihre Leistungen - auf die es noch dazu oft einen Rechtsanspruch gebe - bekommen. Im Profit-Bereich wäre das undenkbar. "Das ist unanständig, unprofessionell und zutiefst unseriös", kritisierte Fenninger. Finanzierungssicherheit fehle auch beim 2022 vom Bund beschlossenen Pflegezuschuss, der noch dazu nicht inflationsangepasst werde und von dem Personal im Behindertenbereich ausgeschlossen sei.

Fenninger verlangte außerdem, dass der SWÖ bei ihn betreffenden Themen in die Gesetzgebungsprozesse eingebunden wird. Immer wieder gebe es keine sechswöchige Begutachtungsfrist und es würden deshalb Dinge übersehen, die in der Praxis zu Problemen führen. Dazu komme, dass die Politik durch kurzfristige Eingriffe für Unsicherheit sorge.

Die Branche - sie umfasst neben der Pflege etwa Kinderbetreuung oder die Arbeit mit suchtkranken, wohnungslosen oder behinderten Menschen - ist für Fenninger grundsätzlich attraktiv. Sie wachse in allen Bereichen und der Personalmangel komme vor allem daher, dass man dem durch veränderte Strukturen (etwa Ausbau der Kindergärten) und die Alterung der Gesellschaft immer weiter steigenden Bedarf nicht hinterherkomme - auch weil die Politik über Jahrzehnte zu wenige Ausbildungsplätze geschaffen habe. Die Berufszufriedenheit sei generell hoch, gleichzeitig stehe man immer mehr unter Druck.

"Der Kostendruck führt noch mehr zu einem Effizienzsteigerungsdruck" mit dem Ergebnis, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Arbeit immer mehr nach einem "Stechuhrprinzip" leisten müssten. Umso wichtiger wären eine verlässliche Finanzierung und ein verlässlicher Rechtsrahmen von der Politik, "um die Arbeitsbedingungen so zu strukturieren, dass man sich in ihnen wohlfühlt".

Die Bezahlung in der Branche - 70 Prozent des Personals sind laut Gewerkschaft GPA Frauen, ebenso hoch ist die Teilzeitquote - ist dabei aus Sicht von SWÖ-Geschäftsführerin Yvonne Hochsteiner nicht unattraktiv. Der Mindestlohn liege deutlich über dem Handel, die Lohnerhöhung in den vergangenen drei Jahren sei im Schnitt so hoch gewesen wie bei den Metallern. Für die Forderungen der Arbeitnehmerseite zeigte Hochsteiner Verständnis. Die Herausforderungen seien diesmal allerdings noch größer als im vorigen Jahr. Die Politik habe bereits Sparpakete angekündigt und es gebe auch keine Gewinne zu verteilen. "Es ist uns immer gelungen, einen fairen Abschluss zu erreichen und das ist auch heuer unser Ziel."

Die erste Verhandlungsrunde für die Beschäftigten im privaten Gesundheits- und Sozialbereich war am Dienstag ohne Ergebnis zu Ende gegangen, der SWÖ hat dabei die Abgeltung der Inflationsrate - angenommen werden voraussichtlich 3,53 Prozent - zugesagt. Die Arbeitnehmervertretung hat sich im Vorfeld der ersten Verhandlung eine Gehaltserhöhung von 6,1 Prozent gewünscht und auch bessere Arbeitsbedingungen - etwa mehr Dienstplanstabilität und Entlohnung von Arbeiten in der Nacht und am Wochenende - eingemahnt. Fenninger appellierte auch in diesem Zusammenhang an die Politik, bessere Personalschlüssel und eine bessere Bezahlung bei Einspringen zu finanzieren. Die nächste Verhandlungsrunde findet am 11. November statt.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) fordert mehr Finanzierungssicherheit von der zukünftigen Regierung, da über 110.000 Beschäftigte von den Kollektivvertragsverhandlungen betroffen sind.
  • Erich Fenninger kritisiert die derzeitige Unsicherheit und verlangt eine automatische Anerkennung des SWÖ-KV sowie eine verlässliche Finanzierung, um den Druck auf die Mitarbeiter zu reduzieren.
  • Die erste Verhandlungsrunde endete ohne Ergebnis, wobei die Arbeitnehmervertretung eine Gehaltserhöhung von 6,1 Prozent fordert und die Inflationsrate voraussichtlich 3,53 Prozent betragen wird.